Ich zog meine Augenbrauen zu einer Linie zusammen und ließ meine Hausaufgaben mal kurz aus den Augen. Na ja, Mr Lakers war letzte Woche schließlich hier gewesen und hatte mir darüber berichtet. Aber, dass sie ihn wieder zurückgaben? Ich dachte, Mrs Damaris war sich sicher gewesen, dass er bei ihnen ein gutes Zuhause kriegen konnte. 

«Jedenfalls bin ich vorbeigegangen, um zu fragen, was sie genau damit meinten und ja... Das Kind hat, so wie ich das wahrgenommen habe, einen rechten Knacks.» Sie hockte sich auf unser Bett und seufzte, «Er hat Angst vor Löffeln und dreht am Rad, wenn man ihn anfassen möchte. Aber zugleich, darf man ihn ja nicht alleine in einem Zimmer lassen, weil er sonst Panik kriegt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was der bei seiner Mutter durchmachen musste, um mit 3 schon so verstört zu sein.» 

Ich verlor ein Seufzen und langte nach meinem Kugelschreiber. «Seine Mutter ist heroinabhängig. Das mit dem Löffel macht schon Sinn.» Amilia blieb still, aber ich wusste, dass sie über ihn nachdachte. «Willst du nicht doch mal einen Nachmittag mit ihm verbringen, Tiago? Der Junge braucht wahrscheinlich einfach seine Eltern. Oder zumindest seinen Vater.» Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. «Ich bin nicht sein Vater. Er weiß nicht mal, dass er einen hat.» 

«Komm schon, Babe. Ein Nachmittag. Wir können ihn zu uns nehmen und ja... Zurückbringen können wir ihn dann eh wieder.» Ich war kein Fan und wusste ganz genau, dass meine Freundin mich da in etwas hineinritt, was sie selbst dann nicht mehr ertragen wollte und konnte. 

Aber sie schaffte es, mich zu überreden. Jedoch holten wir Dario nicht zu uns nach Hause, sondern trafen ihn zurück auf der Station wieder an. Sie suchten nun wieder nach einer Pflegefamilie, die sich speziell auf traumatisierte Kinder ausgerichtet hatte. 

«Er sollte bei Rosie sein, wenn ich mich nicht täusche. Sie übt mit ihm Englisch.» Amilia lächelte und deutete mir, ihr zu folgen. Und wir fanden seine Betreuerin dann auch, mit ihm üben. Sie hielt ihm Karten hin und zeigte auf sie. Seine Verbände waren weg und er hatte keine blauen Flecken mehr. Die Locken hatten sie ihm auch gekürzt und gewaschen. 

«Hi», Amilia hockte sich zu Rosie und Dario und mischte sich in diese kleine Lernsession ein. Ich hielt mich zurück und beobachtete den Jungen vom Stuhl aus. Er gab italienische und englische Wörter von sich und mischte sie unschön, doch basierend auf Mrs Damaris' Feedback, war das ein großer Fortschritt. Er schien sich an Rosie gewöhnt zu haben und blühte etwas auf, wenn er bei ihr war. 

«Santiago, komm doch auch.» Meine Freundin winkte mich zu ihnen, doch ich rümpfte nur meine Nase. Blieb er mir fern, so würde ich in Zukunft nein sagen können. Das Problem war dann schlussendlich, dass Amilia und ich öfters hier waren als geplant. Sie band sich an ihn, er mochte sie auch, doch wir kriegten hier nur die schöne Seite präsentiert. Dario schien wie der Himmel auf Erden, doch ich wusste, dass er nicht grundlos immer wieder mit verweintem Gesicht von den Kennenlerntagen mit den Pflegefamilien zurückkam. 

Er hatte seine Spielkameraden hier auf dieser Station und wollte alles andere nicht akzeptieren. Amilia trieb mich irgendwann so weit, dass wir ihn auch für einen Tag nach Hause nahmen, denn sie konnte bei bestem Willen nicht glauben, dass Dario so ein Problemkind war, wie es seine Akten mittlerweile äußerten. 

Und es stimmte, wir hatten keine Probleme mit ihm. Er spielte mit Amilia im Wohnzimmer und ich hörte die beiden sogar kichern und reden, als ich mir in der Küche einen Kaffee rausließ. Doch mir fiel der kleine Löffel aus der Hand und zu Boden. Kurze Stille. Und dann; Dario verlor sich, schrie und weinte. 

Er warf mit seinen Spielsachen um sich, verzog sich hinter unserem Sofa und zerkratzte Amilia vorlauter Rage dabei sogar das Gesicht. Ihre Aufruhr führte zu meiner und ich zog das Sofa dann genervt von der Wand weg, um den Jungen dort wieder hervorzuholen, doch er schlug gegen mich, weinte, versuchte sogar zu beißen, bis ich einfach ganz fest meine Arme um ihm schlang und ihn doll an meine Brust drückte. 

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