52. Kapitel

3.4K 245 141
                                    

An den frischen Keksen knabbernd hörten Gio und ich von der Küche aus zu, wie Dario und Kelly miteinander diskutierten

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

An den frischen Keksen knabbernd hörten Gio und ich von der Küche aus zu, wie Dario und Kelly miteinander diskutierten. Also... Es war eher so, dass Kelly versuchte, Ruhe zu bewahren und Dario keinen Bock mehr hatte.

Sie waren oben in Darios Zimmer und versuchten eine normale, hilfreiche Therapiestunde zu gestalten. Also Kelly versuchte das zumindest. Dario wollte sie eigentlich nur noch loswerden.

«War er schon immer so?» Ich schluckte meinen Keks runter und schaute zu Gio, die nur mit den Schultern zuckte. «Explosiv? Ja, schon.» Sie nahm einen weiteren Keks zur Hand und biss nachdenklich rein. «Eigentlich komisch, weil er sonst ein eher ruhiger Typ ist. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie Dario schlussendlich wirklich ist.» Wie? «Weißt du, ich kenne halt nur den ganz kleinen Dario von früher ganz gut. Diesen Dario. Den Dario, den wir jetzt haben, kenne ich kaum mehr. Sonst hätte ich das doch alles bemerkt und viel früher etwas unternommen.»

Ich schüttelte meinen Kopf. «Du darfst nicht vergessen, wie einfach es ist, zu verstecken, was wirklich in einem vorgeht. Dario kann das offensichtlicher Weise verdammt gut. Was denkst du, warum das System verfickte 12 Jahre gebraucht hat, um zu kapieren, dass Dario nicht rebelliert, sondern leidet?» Giorgia sah mich kurz schweigend an, bevor sie liebevoll zu lächeln begann. Was hatte sie jetzt? Hatte ich was Dummes gesagt?

«Du bist ein sehr guter und wertvoller Mensch, Noè.» Ich zog meine Augenbrauen zusammen und wollte fragen, was sie meinte, doch sie redete bereits weiter. «Also, ich meine, ich wünsche jedem Dario auf dieser Welt eine Noè. Wenn du weißt, was ich meine...»

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten konnte und sollte. Mir fehlten die Worte. Ich erwiderte ihr warmes Lächeln und schaute berührt zu Boden, wo meine Zehen mit der Fußraste der Barhocker, die an der Theke in der Küche standen, spielten.

«Denkst du, er wird wieder?» Darauf hatte sie keine Antwort, doch sie dachte genaustens darüber nach. Ihr Blick verriet mir, dass sie Angst hatte. Angst vor der Zukunft. «Ich hoffe es. Wir beide wissen, dass solche Probleme nicht einfach so beseitigt werden können. Also hoffe ich einfach, dass ihm die Energie zum Kämpfen nie ausgehen wird. Seine Gesundheit wird ihm viel abverlangen. Er wird immer wieder daran arbeiten müssen. Sicherlich auch noch als alter Mann.»

Da hatte sie recht. Mentale Probleme oder Schmerzen würden irgendwann nicht einfach vollkommen verschwinden und dann nie mehr auftauchen. Es wird Zeiten geben, wo sie einfacher oder leiser sein werden, doch es wird auch Momente geben, in denen man an seine Grenzen kommen wird. Es war mühsam, aber normal. Die mentale Gesundheit brauchte konstante Pflege. Ganz egal, welche Probleme du hast oder was du erlebt hast.

«Weißt du, ich hatte auch mal Probleme mit Selbstverletzung...» Gio sagte das so verdammt leise, dass ich mir nicht einmal sicher war, sie richtig verstanden zu haben. «Jedes Mal, wenn ich nicht gewusst habe, wie ich mit meinen Emotionen umgehen soll, habe ich mir an den Haaren gerissen oder mich selbst so doll gebissen, bis ich geblutet habe.» Sie zeigte mir eine ganz kleine und kaum erkennbare Narbe zwischen Daumen und Zeigefinger. «Ich war dort noch recht jung. Kindergarten und die ersten paar Klassen. Aber mein Dad hat es bemerkt und mir geholfen. Ich habe andere Wege gefunden, mit meinen Drängen und Gefühlen umzugehen.» Ich hielt ihre Hand und streichelte zuhörend über die winzige Narbe. «Mein Dad hat mir ein Mandalaheft geholt und gesagt, wenn ich wütend bin oder zu viel in meinem Kopf vorgeht, soll ich ein ganzes Mandala ausmalen. Dumm, ich weiß, aber es hat mich abgeregt und beschäftigt. Der Drang zum Verletzen ist temporär. Die Narben bleiben.»

PainkillerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt