«Ich möchte mit nach New York. Du darfst dort nicht ohne mich hin», kam es weinend von ihm und ich musste meine Augen fest zudrücken, weil auch mir die Tränen drückten. «Wenn du ohne mich gehst, kommst du nicht mehr zurück. Du kannst mich nicht zurücklassen. Das würde mich töten.» 

Ich hatte keine Worte, doch gab alles. Ich gab mein Bestes und nahm Darios Angst in mich auf und ich wollte ihm zeigen, dass ich sie verstand. Ich konnte seine Furcht nachvollziehen und nahm sie wahr. Ich versuchte, seine Seite zu sehen. Ich sah sie, doch ich durfte sie nicht über meine bestimmen lassen. 

«Wenn du weg bist, ist es aus mit mir. Dann braucht's mich hier ganz und gar nicht mehr.» Es zerriss mir das Herz. Es zerstörte mich, ihm zuzuhören. Seine Suizidgedanken waren echt und da. Sie waren wieder da. Oder waren sie jemals gegangen? 

«Du musst für dich selbst leben, Dario. Ich kann dein Leben nicht bestimmen. Das ist nicht gesund für dich. Und für mich.» Er löste sich etwas von mir und sah mir in meine verweinte Augen. «Was an mir ist denn bitteschön gesund?» Ich legte meinen Zeigefinger auf seine Brust, auf meine Stelle, seine Narbe. «Dein Herz.» 

Lio schwieg und schluckte schwer. «Dein Herz, Dario. Und ich will nicht, dass du es verlierst oder aufgibst. Du solltest das auch nicht wollen.» Ich wusste in erster Linie nicht, was ich mit meinen Worten in ihm getroffen hatte, doch Dario war komplett verstummt und in sich gekehrt. 

Er dachte nach und sah mir später nur vereinzelt zu, wie ich das Geschirr abwusch und verstaute. Erst, als ich fertig war und meine Hände abtrocknete, hörte ich ihn räuspern. «Mein Herz ist kaputt.» Hmm? Ich drehte mich verwirrt zu ihm um. «Es ist kaputt.» 

«Womit liebst du dann?» «Angst?», zuckte er mit den Schultern und ich konnte seine Antwort sogar sehr gut nachvollziehen. Ich wusste, was er meinte. «Dann ist es halt kaputt. Aber ich liebe es mit meinem. Kaputt oder nicht.» 

Es trat wieder Schweigen ein und ich machte uns beiden Limonade, als Dario alle Dämme durchbrach und mir etwas beichtete, was ich nicht erwartet hatte, «Ich habe oben zwei Tabletten von deinem Stress-Medikament genommen.» Mir fiel fast das Glas aus der Hand. Huh?

 Ich wandte mich hastig an ihn und fragte mich, ob ich mich verhört hatte oder nicht. «Es tut mir leid, echt! Ich wollte das nicht, aber ich war so unter Stress und Druck, dass ich einfach etwas genommen habe.» Meine Medikamente waren überhaupt nicht stark und zwei davon waren nicht schlimm, doch in mir hauste automatisch wieder die Angst, dass Dario so sein Konsumverhalten wieder angeregt hatte. 

«Und geholfen haben sie auch nicht. Ich habe richtig schlechtes Gewissen! Ich wollte das echt nicht und ich will auch keine Drogen mehr nehmen oder so, aber es war eine Kurzschlussreaktion.» Dario nahm mein Schweigen negativ wahr und fürchtete sich nun davor, dass ich wütend war, oder ihn abstoßen oder verraten würde. 

«Sag Lex bitte nichts. Kelly auch nicht. Ich wollte es dir sagen, aber sie dürfen das nicht wissen. Es war ein Fehler! Ich sehe den Fehler ein, echt! Ich könnte mich umbringen, weil's mir einfach so passiert ist. Ich hab's erst beim Schlucken gerafft. Ich-, Ich-,» «Hey... Hey, Lio. Atme.» Er war mittlerweile aufgestanden und weilte mit Tränen auf den Wangen vor mir. 

Er hatte wirkliche Angst vor den Konsequenzen und dachte, alles wäre vorbei. «Hör' mir zu.» Er schluckte die Tränen runter und schniefte. «Ich glaube dir. Ich glaube dir, dass du dich deswegen schlecht fühlst und den Fehler einsiehst, aber Kelly und Lex müssen das wissen.» Er schüttele den Kopf und nahm meine Hände von seinem Gesicht. «Nein! Die dürfen das ganz und gar nicht wissen!» 

«Wenn du es ihnen direkt sagst, zeigt das, wie ernst du es meinst. Du meinst es doch ernst, oder? Du wolltest es gar nicht, nicht wahr?» Er nickte hastig und rieb sich seine Augen trocken. «Das werden sie sehen. Sie kennen dich, Dario. Aber Lügen bringt dir nur noch mehr Probleme. Lüg' worüber auch immer du willst, aber ja nicht über deine Gesundheit.» 

«Die werden so enttäuscht sein. Damit werde ich nicht klarkommen. Ich will sie nicht verlieren.» Wird er nicht. «Wirst du nicht.» Er versuchte mir zu glauben, doch heute wollte er den beiden nichts mehr beichten, weshalb wir es uns im Wohnzimmer bequem machten. 

Es war gruselig, doch ich konnte ihm dabei zusehen, wie er die Stimmung wieder wechselte. Ich kannte seine Wechsel mittlerweile viel zu gut, was mich traurig machte. Es zeigte mir, wie oft sie vorkamen und für wie normal ich sie mittlerweile empfand. Sie durften nicht zur Normalität werden. Dario konnte sie bekämpfen und kontrollieren. 

Sein Blick war leer, seine Bewegungen und Antworten langsam und schwerfällig. Lio rutschte geradewegs in eine depressive Phase ab. Und nein, nicht diejenigen, an die ich mich die letzten Monate gewohnt hatte. Nein, diese hier war anders. Tiefer. Gefährlich tief. 

Ich blieb die ganze Nacht bei ihm, schaute mit ihm unter Decke Fernsehen. Er schlief, träumte und machte auch am nächsten Morgen, als mein Handywecker zu klingeln begann, nicht den Anschein, aufstehen zu wollen. Er blieb den ganzen Tag auf dem Sofa, ignorierte sein Handy, gab mir nur Ein-Wort-Antworten und weigerte sich, etwas zu essen oder trinken. 

Ich hoffte auf den nächsten Wechsel, redete mit ihm, doch auch den darauffolgenden Tag war ich erfolglos. Dario stand vielleicht ein oder zweimal auf, um ins Bad zu gehen, doch er verzog sie gleich wieder zurück unter die Decke. Ich rief Kelly an, holte Lex und Roxy dazu, doch Dario wollte nicht reden. 

Seine Wangen blieben verklebt, seine Augen rot unterlaufen und mein Herz in tausend Einzelteile zersplittert. Und als ich Lex bat, Darios Medikamente mitzubringen und Karin leere Dosen in Darios Zimmer fand, wurde uns allen klar, was genau los war.

 Und als ich Lex bat, Darios Medikamente mitzubringen und Karin leere Dosen in Darios Zimmer fand, wurde uns allen klar, was genau los war

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Noès Bauch hätte ich auch gerne...

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