Die Luft war dick. Zwischen uns knarzte es. Es lief alles andere als rund, doch das würde niemals bedeuten, dass ich gehen oder ihn verlassen würde. Ich war dazu bereit, mit ihm eine Lösung zu finden. Ich hoffte einfach, dass dies die anderen auch waren, wenn ich dann weg in New York war. 

Beim Essen war gefühlt alles wieder beim Alten. Dario gab sich Mühe, suchte Kontakt und aß für seine Verhältnisse nicht gerade wenig. Doch die Gabel fiel im trotzdem auffällig oft aus seiner zitternden Hand. Er schwächelte. Als dann noch das Bein unter dem Tisch auf und ab zu wippen begann, hatte ich die Schnauze endgültig voll. Er log mich doch an. 

Ich ließ meine Hand mit meinem Glas auf den Tisch knallen und sah Dario fordernd an. Er hatte mit der Sprache herauszurücken. «Konsumierst du wieder?» Er schüttelte nur den Kopf und rieb sich seufzend die Stirn. «Kommt's von den Zigaretten? Vielleicht, weil du schon lange nicht mehr geraucht hast?» «Nein. Ich fühle mich einfach nicht gut.» «Aber eben und heute früh hieß es noch, dass du dich sau gut fühlst.» Er seufzte tadelnd auf und legte das Besteck weg. 

Sich das Gesicht haltend, stützte er sich mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab. «Ich komm' kaum mehr zur Ruhe, weil ich weiß, dass ich Mist gebaut und dich verärgert habe. Das macht mich richtig fertig.» «Dass du Mist baust, ist doch nicht schlimm. Mich stört, dass du offensichtlich nicht ganz ehrlich mit mir bist und ich dachte, wir vertrauen einander.» 

«Vertraust du mir denn wirklich oder vertraust du mir nur, wenn ich auf Medikamenten bin oder in einer Klinik festsitze?» «Ich vertraue dir und ich glaube dir auch, doch Unsicherheit ist menschlich. Dass ich nun mal zögere oder dich genauer ausfrage, hat nichts mit meinem Vertrauen in dich zu tun. Ich mache mir Sorgen und möchte, dass es dir gut geht.» 

Dario atmete mehrere Male tief durch und rieb sich sein Gesicht so doll, dass ich Angst hatte, er würde darauf ein Feuer entfachen, doch er ließ sich dann zurück in seine Stuhllehne fallen und sah mich aus glasigen Augen an. «Es tut mir leid, dass ich mich die letzten Tage wie ein Schwein benommen habe. Ich bin maximal verwirrt und weiß, dass ich mich falsch benehme, aber ich schaffe es gerade nicht aus diesem Muster raus. Ich rege mich so krass darüber auf, dass ich immer genervter und bissiger werde, obwohl ich das gar nicht möchte.» 

Ich kaute zu Ende und schob meinen leeren Teller von mir weg. «Ich nehme es dir nicht übel, dass du launisch sein kannst oder dich manchmal fragwürdig benimmst. Was mich nervt, ist, dass du mir nicht direkt sagst, was Sache ist. Hättest du mir das, was du eben zugegeben hast, heute früh schon gesagt, wäre es gar nie so weit gekommen.» 

Ich stand auf, lief um den Esstisch und blieb bei Dario stehen, der sich verzweifelt und beinahe schon verkrampft, über den Tisch lehnte und seine Arme über seinem Kopf gelegt hatte. Mich an der Tischkante anlehnend, legte ich eine Hand auf seinen Rücken und fuhr ihn langsam hoch und runter. 

Lio strahlte Frust aus. Seine ganze Körpersprache schrie, dass er unter enormen Stress und Druck stand und kaum mehr widerstehen konnte. Er musste nicht. Er musste nicht standhalten. Er durfte loslassen und mir zeigen, dass es ihm schwerfiel. Dafür war ich doch da. 

Ich schlang schweigend meine Arme um ihn und zog ihn an mich heran. Meine Finger bohrten sich in seine wunderschönen, weichen schwarzen Locken und ich kraulte ihm vorsichtig den Nacken, bis er mich an sich heranließ und meinen Bauch umarmte. Er lauschte meinem Herz und atmete schwerfällig. «Ich will's alleine können.» «Was?» «Alles.» «Das kannst du doch schon. Du meisterst das alles allein.» 

Er schlang seine Arme enger um mich und schluchzte in mein Oberteil. «Du verstehst es nicht, Noè.» «Vielleicht tu ich das nicht. Du hast recht, aber ich bin und bleibe trotzdem da. Und ich bin voll und ganz davon überzeugt, dass du das überwinden wirst. Ganz allein.» Aus Dario floss, was er den ganzen Tag hinter seinen Sticheleien und Provokationen versteckt hatte. Frust, Furcht und purer Stress, weil er wieder Dinge von sich erwartete, die alle seine Zeit hatten. 

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