Ich gab mir Mühe, aber ich hatte krass Schiss davor. Ich hatte mich bei ihr letztens am Telefon so erbärmlich angehört. Ich schämte mich dafür. «Sehe meine Mutter heute.» «Nervös?» «Verängstigt», korrigierte ich sie und Kelly begann sanft zu lächeln. «Du kannst das, Dario. Und vergiss nicht, dass du immer abbrechen oder nein sagen kannst.»

Mir entfloh ein höhnisches Lachen. Nein hatte bei meiner Mutter bis jetzt nie wirklich funktioniert. Jedenfalls nicht, wenn ich es gesagt hatte oder um Ruhe gebeten hatte. «Wird schon schiefgehen», meinte ich dann nur und hievte mich schwerfällig vom Sofa hoch.

Die Kekse vor mir auf dem Tisch hatte ich noch nie angerührt, doch mir war aufgefallen, dass die normal volle Schale etwas leerer war. Ich zeigte auf sie, «War Noè da?» Kelly konnte nicht anders und lachte laut auf, «Ja, sie war heute früh da.»

Mein Blick fiel zurück auf das Sofa und ich fragte mich automatisch, wie sie in ihren Stunden hiersaß. Lag sie? Könnte ich mir bei ihr sehr gut vorstellen. Oder wahrscheinlich auch am Boden vor dem Kaffeetischchen, um besser an die Kekse ranzukommen.

Mir lag die nächste Frage auf der Zunge. «Hat sie über mich geredet?» «Ich darf dir leider nicht wirklich was dazu sagen, Dario.» Ach? Ich langte nach meiner Jeansjacke und zog sie mir über. «Aber Noè durfte dir von meinen Geheimnissen erzählen und du durftest ihr vor mir sagen, dass ich BPS habe?»

Kelly erstarrte kurz, bevor sie tief durchatmete und auch aufstand. «Du hast mich erwischt. Das tut mir leid, Dario.» Sie legte ihre Unterlagen weg und kam auf mich zu. Ich stand bereits im Türrahmen, bereit zum Abgang. «Du bist immer ein großes Thema bei Noè in der Stunde. Sie macht sich sehr viele Gedanken über dich und sucht immer nach Lösungen und Hilfen. Sie ist ein bisschen niedergeschlagen wegen der Trennung, aber sie ist immer noch Noè und versucht, dich zu verstehen und ist dir diesbezüglich auch gar nicht böse. Sie ist froh, dass du auf dich aufpasst und Dinge wagst, die du dir vor Monaten gar nicht hättest erträumen können.» Ein bisschen niedergeschlagen? Nur ein bisschen? Ich blieb still.

«Und Noè hat mir deine Geheimnisse erzählt, weil ich Schweigepflicht habe und es diesbezüglich gar niemandem weitersagen darf. Aber sie musste es loswerden. Das kannst du sicher auch verstehen, oder?» Ich schaute hinter Kelly raus aus dem Fenster und rümpfte meine Nase.

«Es ist menschlich, dass man manchmal jemanden braucht, um Dinge loszuwerden.» «Mhm», konterte ich nur. Und deswegen hatte sie es auch Tabea gesagt, oder? Weil sie es herauslassen musste?

Und mit mir hätte sie nicht darüber reden können? Wahrscheinlich nicht, oder? Ich war kein guter Gesprächspartner. «Verstehe, danke.» Kelly begleitete mich bis zur Tür und legte eine Hand auf meine Schulter. «Viel Erfolg heute, okay?» Ich nickte, «Bis Freitag.»

Ich sag's euch, würde ich noch rauchen, hätte ich mir auf meinem Weg zurück in die Wohngruppe sicher eine ganze Packung reingezogen, ich war so nervös.

Meine Hände zitterten und ich stoppte abrupt in meinen Schritten, als ich sah, dass Mom bereits da war und sich mit Lex unterhielt. Roxy lag vor ihr auf ihren Schuhen und rollte sich wie eine Raupe hin und her.

Roxy war zwar speziell, doch sie machte das nicht bei jedem. Entweder war ihr zu Tode langweilig oder sie verwechselte Mom mit Giorgia. Obwohl, so dumm war der Köter nun auch wieder nicht. Hoffte ich, zumindest.

Ich war mir nicht sicher, ob Lex und Mom sich schon mal gesehen hatten oder nicht, doch sie schienen sich gut zu verstehen.

Ich stand immer noch wie ein Volltrottel vor dem Haus und schaute zur Haustür hoch. Vielleicht sollte ich noch eine Runde spazieren gehen? Ich könnte so tun, als hätte ich das heute vergessen und Riley schreiben. Die hätte sicher nichts dagegen, den Nachmittag mit mir zu verbringen.

PainkillerWhere stories live. Discover now