Wir vermissen sie, wenn sie nicht da ist und wir krachen zu Boden, wenn sie uns verletzt und enttäuscht. Wir leben mit konstanter Angst, diese Person zu verlieren oder interpretieren Kleinigkeiten, die diese Person tut, bis tief ins Detail... Wie damals in Italien, als Noè mich darum gebeten hatte, mit ihr zu kochen und nach meinem Nein, die Augen verdreht hatte. Scheiße Alter, ich war danach an die Decke gegangen und hatte mich wie ein kompletter Vollidiot verhalten... 

Ich schloss den Tab und begann zu tippen: Können Menschen mit BPS über ihre Lieblingsperson hinwegkommen? Keine Ahnung, was ich erwartete, aber alles, was ich fand, war; mit der richtigen Unterstützung und Strategie war es definitiv möglich. Strategie? Das hörte sich so dumm an... 

Ich schlug Lex' Laptop zu und schaute auf in den Fernseher, der von Ivy kontrolliert wurde. Sie knabberte an Crackern. «Was hat denn der Laptop gemacht, dass du den so zuknallst?», fragte sie leise auflachend und schaute rüber zu mir. Ich saß in der anderen Ecke des Sofas. «Mir nicht die richtige Antwort gegeben.» 

«Was hast'e gegoogelt?» «Die 12 Symptome von Borderline...» Sie legte die Cracker weg. «Die haben für kurze Zeit auch mal gedacht, dass ich es haben könnte. Aber hab' nur 3 von diesen 12 Dingern. Lucky me...» «Fick dich», verdrehte ich nur die Augen und legte den Laptop auf das kleine Kaffeetischen vor uns. 

«Wie viele hast du?» «Genug.» Ivy rutschte zu mir rüber und lehnte sich grinsend an mich ran. «Sag. 5?» «Keine Ahnung, das wechselt immer, aber 10 von denen kommen mir schon fett bekannt vor.» Ivy zog scharf Luft ein und ließ sich wieder zurück ins Sofakissen fallen. «Schon krass, was mit unserem Hirn passiert, wenn man es traumatisiert.» 

Ich nickte nur und zückte nach meinem Handy. Weil es Routine war, suchte ich direkt Noès Chat. Keine neuen Nachrichten. Sie ließ mich also wirklich in Ruhe. Ich meine, ich hatte sie darum gebeten, aber es zerriss mich innerlich, sie nicht neben mir zu haben. Aber das, was passiert war, hatte mir genau bestätigt, dass ich kaum jemandem trauen konnte, ohne schlussendlich doch hintergangen oder zumindest verletzt zu werden. 

Könnte Noè mich vielleicht auch einfach nur für ihren Wunsch, in die Welt der Psychologie einzutauchen, benutzt haben? Nein, oder? Das war zu krank. So weit würde sie doch niemals gehen und ich tauchte hier bloß einfach nur tiefer in meine Paranoia ein. 

Es war nicht normal für mich, hier im Heim bei den anderen zu chillen, doch allein oben im Zimmer ging's nicht mehr. Ich konnte nicht mehr allein sein, ohne im Selbsthass zu ertrinken, mich und meine Entscheidungen zu hinterfragen und auf dumme Ideen zu kommen. Was tat ich also? Ich mischte mich unter die Leute. Bis eben war ich mit Ivys Betreuungsperson, Karin im Garten gewesen und hatte ihr beim Jäten zugesehen. 

«Hast dich von Noè getrennt, oder?» «Jup...» «Schade. Find' sie echt'ne coole Socke. Ich muss mich echt mal noch bei ihr entschuldigen für vorgestern. Hab' sie ja richtig mies angemacht und sie ist so lieb geblieben.» Ich hob meinen Blick an und sah Ivy in die Augen. Ich deutete auf die Kratzer in meinem Gesicht und hob eine Augenbraue an. «Und ich? Krieg' ich keine Entschuldigung?» 

Sie begann zu grinsen und lehnte sich an meiner Schulter an. Wir verstanden uns eigentlich echt gut, wenn da nicht unsere Krankheiten wären, welche uns manchmal das zivile Leben erschwerten. «Du weißt doch, dass ich es nie so meine. Plus, du hast mich auch verletzt.» Sie zeigte auf den Bluterguss unter ihrem Kehlkopf. Selbstschuld. «Passt schon», winkte ich dann ab. 

Ich hatte kein Bock mehr auf Ivy und wo Lex, war wusste ich gerade nicht, weshalb ich nach oben in mein Zimmer ging und dort Roxys Geschirr holen ging. Es war zwar schon etwas später, aber ein kleiner Spaziergang würde uns beiden nicht schaden. Ich konnte ihre Pfoten über den Boden fetzen hören und zog ihr unten im Flur das Zeug an. Ihre Rute schwang wild hin und her und knockte beinahe den Schirmständer um. 

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