Er setzte sich auf und legte mein Kissen zur Seite. «Genauso sehr hat es dich eigentlich nichts zu interessieren, ob ich mit nach New York komme, oder nicht.» «Ja, warum fragst du mich denn nach meiner Meinung, wenn du mir jetzt wieder so kommst?! Man, Dario, das alles ist sau kompliziert!» Er zuckte etwas zurück, doch versuchte es sich nicht anmerken lassen. 

«Klar, hat mich das alles gar nichts zu interessieren und du hast die eigene Verantwortung über dich selbst, aber fuck ey, wenn etwas passiert, kommt eh wieder jeder zu mir gerannt; wusstest du davon, Noè? Wieso hast du nichts gesagt, Noè? Wieso ist das passiert? Hat Dario nichts gesagt?» Ich zeigte auf mich. 

«Die rennen alle zu mir, wenn du nicht mehr kooperativ bist und wenn dann noch etwas in New York passieren würde, würde ich unter Feuer stehen! Plus, du bedeutest mir alles. Du bist mein Ein und Alles, klar, mache ich mich teilweise verantwortlich für dein Wohlbefinden. Genauso, wie du bei mir.» Mein Puls war erhöht und mir die Augen reibend, wandte ich mich an mein Fenster. Dario blieb still. 

Ich konnte in der Reflexion der Scheibe sehen, wie er über meine Worte nachdachte und versuchte, mich zu verstehen. «Eigentlich, also...» Ich drehte mich wieder zu ihm um. «Natürlich würdest du es in New York hinkriegen. Nur stelle ich mir die Frage, ob ich es auch tun würde. Mit dir, meine ich.» 

Und so lieb ich es auch gemeint hatte, meinem Gegenüber war das volle Kanne in den falschen Hals geraten. Sein Blick wurde schärfer und er schluckte alles, was er gerade sagen wollte, nur mit Mühe runter. «Du weißt, dass ich es nicht so meine, wie du es gerade verstehst. Ich habe Angst und will nichts mehr falsch machen. Eben genau, weil du jetzt auf einem super Weg zur Besserung bist.» 

Er schwieg, was ich als meine Chance, ihm genauer zu schildern, wie ich das Ganze sah, ergriff. «Und ich werde in New York nur am Lernen und Büffeln sein. Weißt du, wie langweilig und einsam das für dich dort wird, wenn ich kaum da bin? Hier hast du noch die anderen von der Wohngruppe und so.» «Hab's schon verstanden. Weiß es selbst ja auch.» 

Er rieb sich die Hände und dann den rechten Unterarm. Ich kannte die Stelle. Die senkrechte Narbe, die alle anderen in den Schatten warf. «Es gibt ja auch noch FaceTime und so. Und schreiben können wir durchgehend. Plus, wir können einander besuchen.» Er nickte nur, als ich mich zu ihm aufs Bett setzte und nach seinen kühlen Händen langte. 

«Aber lass doch jetzt einfach die nächsten 8 Wochen genießen. Ich bin noch da und ich meine, hallo, 8 Wochen Ferien und nur wir zwei.» Er nickte nur wieder und versuchte zu verstecken, wie sich sein Gesicht schmerzerfüllt verzog. Das Pflaster auf seinem Daumen von gestern Abend fiel fast wieder ab und ich nahm es ihm gedankenversunken weg und warf es in meinen Mülleimer unter meinem Schreibtisch. 

Lios Handy begann zu vibrieren. Es war sein Wecker, der ihn an seine Medikamente erinnern sollte. Ich schaltete ihn für ihn aus und sah zu, wie Dario in seiner Jackentasche nach seinen Tabletten suchte. Herausnehmen tat er eine beinahe leere Dose und mir fiel wieder ein, dass er morgen dringend in die Apotheke musste. 

Er nahm sie ohne Wasser und schmiss die leere Dose von meinem Bett aus in den Mülleimer. Ich könnte schwören, dass er normalerweise mehrere Tabletten nehmen musste. «Was ist mit de-» «Sind seit vorgestern alle. Hol' mir morgen alles.» Aber war das denn okay? 

Und wieso hatte er von den Antidepressiven noch mehr übrig gehabt? «Noè, schau mich nicht so an. Ich hab' die Antidepri manchmal vergessen, weshalb ich noch zwei übrig hatte.» Solange er keinen Unterschied verspürte, fand ich das nicht schlimm, aber ja... Leider kannte ich mich halt mit Psychopharmaka nicht wirklich aus. 

«Mach dir doch wenigstens die Mühe und schau, dass keine Lücken zwischen den Einnahmen entstehen. Das kann bös enden, Dario.» Er winkte ab. «Von mir aus können wir morgen früh vor der Arbeit die zusammen holen gehen», gab er dann ins Kissen murmelnd nach und während ich mir Dario so anschaute, wurde mir klar, wie viel wir diskutierten und redeten, obwohl wir uns eigentlich auch wieder mal nur entspannen könnten oder so. 

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