«Plus, es schadet nicht, ein paar auf Lager zu haben. Hast du gestern doch auch gesagt. Und zusätzlich habe ich einfach nach einer Packung gegriffen, weil ich nicht wusste, was ich mit meinen Händen hatte anfangen sollen. Sonst hätte ich dem Arschloch noch im Supermarkt die Fresse eingeschlagen.» 

Ich setzte mich auf und streckte meine Hände nach Darios in den Hosentaschen verstauten Hände aus. «Du musst dich nicht herausreden. Ich verstehe schon», zog ich ihn auf. Darauf ging er aber nicht mehr wirklich ein, denn er erinnerte sich an etwas ganz Anderes, als er den eben gekauften Koffer anschaute. 

«Wann gehst du?» «In knappen 8 Wochen.» Er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und blickte gedankenversunken aus meinem Fenster. «Find' ich scheiße.» Ich wollte etwas sagen, doch er korrigierte seine Aussage. «Also, es ist mega geil für dich, aber halt-, ja, ich will, dass du bei mir bleibst. Ich weiß nicht, ob ich das ohne dich schaffen kann hier in Marblehead.» 

Mir entfloh ein Seufzen, weil ich – auch wenn ich es nicht gerne zugab – dieselbe Angst pflegte. Klar, war Dario stark genug und er brauchte mich nicht, um das hier auf die Reihe zu kriegen, doch seine Zweifel waren berechtigt. Ich half ihm schon sehr viel. 

Manchmal brauchte er einen Anstoß in die richtige Richtung und dieser bekam er meistens von mir und das direkt mitten in den Arsch. Ansonsten kamen sie nicht wirklich an und er nahm sie dann nicht ernst. 

Es gab Tage, da musste man ihm seine Medikamente beinahe den Rachen herunterdrücken, weil er sie nicht mehr nehmen wollte. Dann gab es diese Momente, wo er die Mauern hochzog und sich komplett verzog. Es gab Stunden, da musste man ihn dazu überreden, keinen Joint zu bauen oder Tabletten zu schnupfen und es gab Minuten und Sekunden, da kam der alte Dario zum Vorschein, der uns alle ans Semikolon-Tattoo in seinem Nacken erinnerte. 

Es war konstant. Er musste konstant an sich arbeiten und manchmal hatte er halt keinen Bock mehr dazu. Das war ja auch vollkommen verständlich. «Du kannst das schon.» Seinen Mund verziehend, wandte er sich wieder von mir ab und entzog sich meinen Händen. «Das sagst du immer. Das hast du immer gesagt, auch am selben Tag, wo ich in Tropea nach einem Messer gegriffen habe oder im Wohnheim in meinem Zimmer fast ausgeblutet bin...» 

Man, hierauf hatte ich gerade keine Lust. «Ja, aber du hast es doch geschafft. Ich hatte recht. Du stehst schließlich noch da.» Er wusste, dass ich recht hatte. Schließlich konterte er nicht wie gewohnt. «Gio ist weg, meine Mutter chillt es in Tropea und mein Vater ist auch irgendwo in Italien. Und jetzt gehst auch noch du...» Er rieb sich seine Augen und schüttelte den Kopf. «Vicky geht auch... Alle gehen und verlassen dieses Loch, nur ich darf nicht.» 

Ich rackerte mich aus meinem Bett und stellte mich vor meinen Freund, der widerwillig nieder in meine Augen schaute. Er wusste, dass ich nicht lockerlassen würde, bis er es tat. «Alles hat seine Zeit, Dario. Du wirst auch gehen dürfen, nur verstehst du wohl selbst, wieso mein Dad und Kelly das noch nicht für gutheißen.» 

Er nicke nur und wich meiner Hand aus, die nach seiner Wange langen wollte. «Hab' einfach Angst, dass ich es nicht hinkriege.» «Und das ist okay. Hörst du? Es ist vollkommen okay und verdammt nochmal auch menschlich.» Ich versuchte schwach zu lächeln und schlang meine Arme um seinen Bauch, damit ich mein Ohr gegen sein Herz legen und meinem Ein und Alles lauschen konnte. 

«Alles okay, ihr zwei?» Dad lugte vorsichtig durch meine Tür und trug einen besorgten Blick, weil Darios abweisender Ausdruck zeigte, dass irgendwas wiedermal nicht stimmte. «Wir reden gerade über meine Abreise in 8 Wochen...» Mein Vater nickte wissend und ich konnte ihm ansehen, wie er eine Reaktion in Darios Gesicht zu suchen versuchte. 

Dad und ich hatten auch schon Stunden darüber geredet und diskutiert, weil ich meinen Freund nicht zurücklassen wollte. Es war schließlich seine größte Angst, alleine zurückzubleiben. «Passt dir nicht, oder?» Ich ließ Dario los, als er sich seufzend an meinen Vater wandte und seine Arme auf der Brust verschränkte. «Habe nicht wirklich eine andere Wahl als es zu akzeptieren, oder nicht?» 

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