Reden... Mir fehlten die Worte, JJ. Ich hatte keine Ahnung, was los war. Ich wusste nicht, wie ich dieses Gefühl beschreiben konnte. «Ich-», fing ich an, doch ich winkte dann nur ab und stand auf. Auf dem Weg zum Badezimmer wuchsen die Worte auf meiner Zunge an. Ich denke, ich hatte sie gefunden, doch ich war mir nicht sicher, ob ich eine Antwort wollte. 

«Was, wenn ich draußen nichts auf die Reihe kriege? Ich wäre allein schon hier drinnen ein Wrack und Monster, wenn du oder Bianca mich nicht die ganze Zeit anspornen würden.» Mein Betreuer seufzte und verschränkte die Arme auf der Brust. 

«Du wirst zu Hause gut klarkommen, Dario. Wir helfen dir hier drinnen ab und zu auf die Sprünge, aber tun tust du alles freiwillig. Ich kenn' dich erst 7 Wochen, doch ich bin mir sicher, wenn du etwas nicht willst, würdest du es nicht tun. Du hast große, wirklich verdammt große Fortschritte gemacht und vor allem: Du bist nüchtern. Und jetzt kannst du Schritt für Schritt, Tag für Tag darauf aufbauen und deinen Weg finden.» Klar, waren das liebe Worte und alles, doch ich brachte nur einen unbeeindruckten Blick zustande und legte den Kopf schief. «Süß...» 

JJ lachte auf und schob mich weiter ins Bad. «Du hast draußen deine Schwester, deine Freundin und noch so viele andere Leute, die da sind, wenn du sie brauchst.» Ja, Noè hatte ich nur noch so lange, bis sie nächstes Jahr aufs College ging. 

Ich würde den Abschluss nicht mehr mit ihr zusammen schaffen. Um ehrlich zu sein, wusste ich gar nicht mal mehr, ob ich ihn überhaupt schaffte oder machen sollte. Vielleicht wäre es besser, wenn ich mit einem Teilzeitjob oder so anfangen würde. Mich beschäftigen und so... 

Bianca und ich hatten schon darüber geredet und es ergab irgendwie Sinn. Ich brauchte etwas zum Machen. Ich musste mein Hirn beschäftigen. Das half mir, nicht in diese Spirale meiner dunklen und traurigen Gedanken zu geraten. 

Das Besprechungszimmer von Bianca würde ich zwar keineswegs vermissen. Okay, vielleicht den Stuhl am Fenster, aber ansonsten? Meh, nichts. JJ lief mit mir zusammen zum Meeting und drinnen wartete eine angeregte und inmitten eines Gesprächs verwickelte Bianca, die mit Lex redete. 

Warte, Lex? Ich stockte etwas und blieb bei der Tür stehen. «Hey, Dario. Was läuft?» Er stand auf und kam erfreut auf mich zu. Sein Klopfen auf meine Schulter und seine Feststellung, dass es mittlerweile mehr zum Greifen gab, wenn man sie anrührte, nahm ich kaum wahr. 

Er war hier? Tatsächlich? Würden wir jetzt also wirklich über meine Entlassung sprechen? Sie wollte mich wirklich rauslassen? Ich meine,- wirklich? Also... War ich denn echt stabil genug? «Bin okay», murmelte ich dann nur als Bianca mich zu meinem Stuhl dirigierte und freundlich lächelte. 

«So! Ready, Dario?» Ich nickte nur und sah ihr abwartend entgegen. Irgendwie musste da noch ein Aber kommen, doch ich wusste nicht, wo es sich versteckte. «Also, wir hier als Team haben bereits vorgestern einen Austausch gehabt und wir sind auf den Entschluss gekommen, Dario, dass du die Kraft und vor allem den Willen dazu hast, es nun wieder zu Hause, sprich, bei Lex im Wohnheim zu versuchen.» Dieser nickte beeindruckt und sah kurz zu mir rüber, doch ich mied seinen Blick. 

Wo war das Aber? Wieso kam es nicht? In meinem Leben gab es immer ein Aber. «Du bist vor knapp 8 Wochen zu uns gekommen, um dich deiner Sucht zu stellen, doch du hast so viel mehr erreicht.» Bianca begann stolz zu grinsen und legte dann ihre Notizen weg. 

Sie blickte mir direkt in meine Augen. «Du hast anerkannt, wie wichtig es ist, sich selbst zu stärken. Du hast gelernt, deine Gedanken und Gefühle mit anderen zu teilen und du schaffst es mittlerweile, einen ruhigen, eher stabilen Tag zu gestalten.» Lex verschränkte die Arme und seufzte. Er wartete auch auf das Aber, oder? 

«Du konntest in deiner Zeit hier mit den Leuten, die dir in der Vergangenheit wehgetan haben oder dich verlassen haben, reden und stehst nun besser zu einem Wiedersehen oder einem zivilen Austausch. Du konntest deine Essstörung bekämpfen und weißt inzwischen noch besser mit ihr umzugehen. Du-,» Lex unterbrach sie. «Okay, wo ist das Aber?» 

Bianca wurde etwas stutzig und sie zog die Augenbrauen zusammen. «Kein Aber. Wir sind wirklich der Meinung, dass Dario das super meistern wird, draußen. Klar besteht immer die Möglichkeit, dass man einen Schritt zurück macht, aber das ist keineswegs schlimm. Du bist ja ein Champion darin, wieder nach vorn zu schreiten.» 

Irgendwie war mir das alles unangenehm. «Wirklich kein Aber?», musste ich einfach nachfragen. «Nein, Dario. Du hast dein Ziel erreicht und bist sogar noch darüber hinaus geschritten. Ich bin sehr stolz auf dich. Und das nicht nur als Psychologin und Betreuerin, sondern auch als Bekannte und Freundin. Du bist ein toller Junge und ich bin mir sicher, du wirst deinen Weg machen.» 

Ich konnte echt verdammt vieles, aber mit solchen Worten kam ich nicht klar. Ich wandte meinen Blick ab und schaute verlegen aus dem Fenster. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre dies ein super Ende für dieses Gespräch gewesen, doch leider mussten wir eben doch noch über meine Medikamente sprechen und ich bekam sogar einen Plan mit den Treffen darauf, die ich besuchen musste. Geil, man musste sogar Protokoll führen und man bekam Münzen, wenn man alle besuchte... Wie schön... 

«Ich würde dir gerne noch empfehlen, vielleicht ein paar Sitzungen für den Missbrauch zu machen, Dario. Das konnten wir dir hier drinnen nicht anbieten, aber es würde sicherlich nicht schaden und dir sogar bei den Wahnvorstellungen und Alpträumen helfen.» 

Und noch geiler! Die Alte haute eiskalt vor Lex raus, dass ich missbraucht wurde. Der Dude hatte dies doch gar nicht gewusst. Ich sank entspannt in meine Rückenlehne und schnippte verspielt mit dem Finger. «Du nennst es, ich hab's erlebt. Jetzt muss ich nur noch einmal angeschossen oder -gestochen werden und ich kann die ganze verfickte Liste abhaken.» 

Mein Wohnheim-Betreuer wollte nicht lachen, doch er verlor gnadenlos. «Man Dario, ey... Über sowas macht man eigentlich keine Witze.» «Ja, man macht einiges nicht... Aber getan wird es trotzdem.» Und die ganze Welt wusste, dass ich recht hatte. 

Also... Die ließen mich wirklich wieder raus, huh? Was hieß das für mich? Musste ich wieder zur Schule? Durfte ich überhaupt die Wohngruppe verlassen? Durfte ich bei Gio oder Noè pennen? Hatte ich dann endlich wieder kompletten Freiraum? Wäre nice...

 Die ließen mich wirklich wieder raus, huh? Was hieß das für mich? Musste ich wieder zur Schule? Durfte ich überhaupt die Wohngruppe verlassen? Durfte ich bei Gio oder Noè pennen? Hatte ich dann endlich wieder kompletten Freiraum? Wäre nice

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Denkt ihr, er kriegt das draußen auch hin? Und was für ein Teilzeitjob könntet ihr euch bei ihm vorstellen?

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