«Sorry, ich krieg' immer eine Sau-Laune, wenn mein Geburtstag naht. Wie geht es dir?» Er schaute auf mich herab und hatte den Kopf etwas schief gelegt. «Ja, ich habe etwas Stress in der Schule, aber es ist machbar.» «Wenn du Hilfe brauchst, kann ich dir gerne helfen. Also bei Spanisch und so.» 

«Und Musik?» Er hob eine Augenbraue an und sah mich warnend an. «Bei Musik braucht man doch keine Hilfe», winkte er ab und setzte sich dann geschaffen auf einen Stein. Erst jetzt fiel mir das Pflaster auf seiner Wange auf. Ich hatte es vorhin gar nicht bemerkt. Er trug wieder eine Nasensonde, was mir persönlich sagte, dass es mit der Essstörung wieder bergab ging. 

«Es ist nicht viel, aber-» Ich zückte das ganz kleine Geschenk und hielt es ihm unbeholfen hin. Er musterte mich und schaute dann runter auf den kleinen Briefumschlag, den ich mit seinem Namen beschriftet hatte. «Du weißt, dass das nicht nötig gewesen wäre.» Es war nur ein Murmeln, doch ich ließ mir nichts sagen. «Nimm es.» 

Widerwillig und schlapp langte er danach und machte ihn schweigend auf. Während er das tat, fiel mir auf, wie trüb sein Blick war und wie lustlos er schien. Hatte er überhaupt hierherkommen und mich sehen wollen? Aber... Ich meine, Dario würde doch niemals kommen, wenn er keinen Bock hätte, oder? «Es ist nichts Krasses und es tut mir leid, wenn's nicht cool ist, aber ich dachte, an dem hättest du noch am ehesten Freude.» 

Dario holte mehrere Tattoo-Gutscheine raus und lächelte sanft, «Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht mit dem.» «Nicht gut?» «Doch. Doch, find's nice. Wollte eh wieder mal ein paar machen lassen, aber Kohle habe ich ja keine.» Ich musste schwach grinsen und lehnte mich an seiner Schulter an, als er es wieder einpackte. 

Er neigte sich zu mir runter und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. «Dankeschön.» Ich wurde so nervös, dass man hätte glauben können, ich hätte Dario noch nie von so nahe gesehen oder spüren können. «Weißt du schon, was du dir stechen lassen möchtest?» Er schüttelte den Kopf und fummelte wieder nach einer Kippe. 

Es war nicht mein Job, ihn davor zu stoppen, doch meine Reflexe sprangen ein. «Du hattest doch eben eine.» Er sah auf, durch sein Haar hindurch, in meine Augen und verdrehte sie dann leicht. «Nicht du auch noch, Noè.» «Sorry... Ich meine es ja nur gut.» Er ging nicht mehr wirklich auf mich ein und zündete, trotz meines vorwurfsvollen Blickes, eine neue Zigarette an und atmete den Rauch entspannt aus. 

«Bist du auf neuen Medikamenten?» Da. Die erste richtige Reaktion in seinem Gesicht, Er zog die Augenbrauen zusammen und ich konnte seinen mittlerweile wieder sehr kantigen Kiefer malmen sehen. Dario hatte wieder an Gewicht verloren. Sogar seine Wangenknochen warfen schwache Schatten... Und das am Abend, in der halben Dunkelheit. 

«Wieso meinst du?» «Weil du sehr lahm scheinst.» Er zuckte nur mit den Schultern. «Kelly hat mir einen kleinen Cocktail zusammenstellen lassen, ja.» Ein Cocktail... «Was für die Alpträume, was für die Depressionen, Stressattacken, Aggressionsproblemen...» «Also...» 

«Nein, es sind nur zwei Tabletten am Tag. Sie machen mich etwas stumpf, huh?» Er sah mich entschuldigend an. «Das ist nicht schlimm. Wenn's dir hilft, ist das doch vollkommen okay.» Ich blieb vorsichtig, weil ich mir selbst nicht zu viel Sorgen machen wollte. 

Ich hatte mir vorgenommen, nicht mehr Darios Ärztin, Therapeutin und Ernährungsberaterin zu sein. Ich war einfach nur noch seine Freundi- eine Freundin von ihm und fertig. Ich war für ihn da, wenn er mich brauchte. 

«Warum hast du Roxy nicht mitgenommen?» «Weil ich sie schlecht aus dem Fenster werfen kann.» Diese Vorstellung ließ mich auflachen, doch es stimmte schon. «Du darfst also noch nicht allein raus?» Er rieb sich die Augen und zuckte leicht zusammen. «Noch nicht ganz, nein.» 

PainkillerWhere stories live. Discover now