Kapitel 67

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„Bella!" Arya umarmte mich stürmisch und grinste mich übermütig an. „Worauf hast du Lust? Wollen wir den Berg erklimmen, den Wald unsicher machen oder vielleicht das Schloss erkunden? Ich weiß noch, wie viel Spaß wir damals hatten. Wenn dein Vater und seine Berater nicht im Schloss waren und wir die Geheimgänge ausgekundschaftet haben!" Die Worte sprudelten aus ihr heraus wie reines Wasser aus einer frischen Quelle.

Ich sah die Frage in ihren Augen, als sie plötzlich unsicher wurde, ob sie das hätte sagen sollen, doch ich beruhigte sie schnell. „Das Schloss erkunden klingt toll. Wie in alten Zeiten." Ich lächelte sie an. „In welchem Teil bist du untergebracht?", fragte ich und sie steuerte auf einen steinernen Torbogen zu.

„Im Hauptteil des Schlosses? Ich fasse es nicht. Da lebe ich im Turm ja, wie im Exil", beschwerte ich mich schmollend.

Arya lachte. „Erzähl mir nicht, du würdest es nicht genießen etwas Abseits vom Trubel zu sein und deine Ruhe zu haben!"

Ich blieb stumm, stimmte ihr aber insgeheim zu. Es war ungewohnt jemanden bei mir zu haben, der mich kannte. Wirklich kannte. Jemanden mit dem ich Jahre verbracht hatte und nicht nur wenige Tage.

„Ich hoffe, wir stoßen auf geheime Verstecke, uralte Legenden und mystische Laboratorien" jubelte Arya und rieb sich die Hände. Ich ließ mich von ihrer Energie anstecken und spürte, wie sich kindliche Leichtigkeit in mir ausbreitete, als wir durch die Gänge liefen. Immer weiter nach unten. Der Gedanke, wo der Weg mich das letzte Mal hinführte, als ich in diesem Schloss immer weiter nach unten ging, verdrängte ich.

Arya erzählte von ihrem Leben, von alten gemeinsam Erinnerungen und störte sich nicht daran, dass ich mehr zuhörte als sagte.

„Erinnerst du dich an das erste Mal bei dem du die Stallions rausgelassen hast? Ich hatte so Angst und du überhaupt nicht. Du warst einfach zuversichtlich. Als hättest du gewusst, dass sie zurückkommen."

Sie schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich daran, wie magisch mir dieser Moment vorkam. In meiner Erinnerung standen wir unter einem mitternachtsblauen Himmel, gesprenkelt von tausenden goldenen Sternen. Dein Ruf hallte noch durch die waldige Luft als das Donnern der Hufe den Boden zum Beben gebracht hat. Sie waren so schnell wieder da, dass wir beide nur mit riesigen Augen zuguckten, wie sie wie selbstverständlich durch das Tor in ihre Boxen schritten. Nur Les hat kurz vor uns Halt gemacht und seine Stirn an deiner Hand gerieben."

Durch ihre Erzählung hatte ich meine verlorene Erinnerung wieder erlangt. Ich roch wieder die Luft, die noch vom vorherigen Regen erzählte. Ich sah das Himmelszelt, dass sich in seiner unendlichen Weite über uns spannte und die Herde, wie sie auf uns zugaloppierte.

„Sein Fell hat gefunkelt, wie der Nachthimmel selbst."

„Ja, wie ich sagte. Es war absolut magisch. Manchmal glaube ich, dass an der Legende über sie viel mehr dran ist, als es den Anschein erweckt."

Ich lächelte. Ja, das glaubte ich auch.

„Oh, schau mal. Soll diese Halle Gegenstand unserer ersten Erkundung sein?" Wir betraten den Raum, der auf den zweiten Blick gar nicht mehr so groß wirkte. Arya begann zu husten und im Kegel des Lichts, das wir entzündeten, flogen unzählige, aufgeschreckte Staubkörner durch die Luft.

„Sieht irgendwie zu verlassen aus, um zum Schloss zu gehören", murmelte ich.

„Wo meinst du ist es eher einzuordnen? Geheimes Versteck, uralte Legende oder mystisches Laboratorium?"

„Ich glaube, für das hier brauchen wir noch eine andere Ordnung. Verstaubt und vergessen?", lachte ich und tastete über ein dunkles Stofftuch.

„Lass es uns anheben. Vorsichtig, sonst ersticke ich an dem Staub, den wir aufwirbeln." Wir wanden uns ab, während wir das große Tuch anhoben und bekamen dennoch beide einen Hustenanfall, noch bevor wir das Tuch auf den Boden legten. Mit tränenden Augen warteten wir ab, bis sich der Staub legte.

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now