Kapitel 54

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Als ich Vaughns Schloss betrat, spürte ich die ausgelassene Stimmung fast augenblicklich. Rauch lag in der Luft, genauso wenig greifbar wie diese flirrende Spannung. Weibliche und männliche Fae huschten flüsternd und lachend an mir vorbei. Jeder und jede, die mir begegnete war nur leicht bekleidet, mit etwas Stoff, um einen kleinen Teil des Körpers zu verhüllen.

Ohne es wirklich zu wollen, faszinierte mich die Stimmung, die Leichtigkeit der Anwesenden und der Duft der Mondfrucht. Ich setzte meinen Weg fort und schritt immer weiter durch die Gänge. Die Lautstärke nahm zu, der berauschende Geruch und die Freizügigkeit der Fae ebenso. Einige waren an der Wand oder in steinernen Nischen in eindeutigen Positionen vorzufinden, andere lächelten mich einfach nur glücklich an.

Die Versuchung meine Mission einfach kurz zu vergessen, nur für diese Nacht, war enorm. Mit jedem Schritt drängender. Nur eine Nacht. Eine Nacht eine normale, junge Fae sein. Das Bedürfnis  kam so plötzlich und war dennoch so stark, so real, dass ich nicht gegen ankam. Ich lehnte mich an eine der steinernen Säulen und sog den Rauch bewusst ein, ließ es einfach geschehen. Es dauerte nur Sekunden, bis er sich um meine Sinne legte. Meine Gedanken zum Schweigen brachte, sie in den Hintergrund schob.

Als eine Hand über meinen Arm strich und eine andere, weibliche über mein Haar, hieß ich die Berührung willkommen. Die schöne dunkelhaarige Fae trat vor mich, musterte mich neugierig und wohlwollend. Die Hand ihres Begleiters wanderte über meine Taille, als sie mir näher kam. Sanft schob er mich in ihre Arme. Ihre hellbraunen Augen blitzten erfreut, als ich mich gegen sie sinken ließ. Aus dem Augenwinkel sah ich wie der männliche Fae aus dem Schatten hervortrat um seine Arme vollständig um mich zu legen. Seine Haare waren blond und seine helle Augen schimmerten berauscht vor Lust.

Sie hob mein Kinn und legte ihre Lippen weich auf meine. Gleichzeitig erkundeten seine Hände meinen Körper. Mit einem wohligen Seufzen küsste sie mich leidenschaftlicher. Mein Herz raste von dem Empfindungen, die auf mich einprasselten. So viele Reize, so viele Berührungen, mehr Nebel, der sich um meine Sinne schmiegte, sodass mir fast schwindelig wurde.

Aber ich wollte den Kuss auf keinen Fall unterbrechen. Seine Hand lag plötzlich auf meinem nackten Bauch, ihre Hand strich über meine Brüste. Jetzt war ich es die seufzte. „Komm mit." Die Fae löste sich von mir und nahm meine Hand. Er ließ seinen Arm an meiner Taille liegen, während wir auf einen der runden Torbogen zusteuerten, der auf einen großen Balkon führte.

Ausnahmsweise hatte ich keinen Blick für die Aussicht, nicht einmal die sternenklare Nacht und das leuchtende Himmelszelt konnten meine Aufmerksamkeit fesseln. „Ich bin Ophelia", wisperte die Fae, während sie begann meinen Hals zu küssen. Ich ließ mich gegen die Balustrade sinken. „Und ich bin Mainnor." Der Fae zwinkerte mir zu, während ich den Bewegungen seiner Hand folgte, die sich auf Ophelias Bauch legte und dann tiefer wanderte.

Wieder legte sie ihre Lippen auf meine. Ich  fühlte ihre Hände auf meinem Körper, spürte wie mein Umhang zu Boden glitt und mein Hemd weiter nach oben geschoben wurde. Sie löste den Kuss und ging vor mir auf die Knie. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, trat Mainnor vor mich, legte seine Hand an meinen Hinterkopf und die andere auf die freie Haut auf meine Rippen, bevor er mir das Hemd über den Kopf zog. Ophelia küsste meinen Bauch, streichelte zärtlich meine Haut und ich beugte mich Mainnor entgegen.

Dann veränderte sich etwas. Die wenigen anderen Fae die auf demselben Balkon standen, flüchteten alle gleichzeitig und auch Mainnor und Ophelia hielten in ihrer Bewegung inne. „Was ist...?", fragte ich gerade, als ein mir vertrauter Umriss in dem Torbogen zum Vorschein kam.

Vaughn wedelte mit der Hand und Ophelia und Mainnor ließen von mir ab und verschwanden ohne zu zögern im Inneren des Schlosses. Ich war immer noch wie erstarrt und ließ Vaughn nicht aus den Augen. Er mich genauso wenig. Sein Blick lag auf mir. Ruhig, fast abwartend, doch als sich der Nebel lichtete flirrten seine Augen regelrecht vor Intensität.

Ich wusste, dass er darauf wartete, dass es mir peinlich und unangenehm war in so einer Situation erwischt worden zu sein. Und genau deshalb wollte ich mir die Blöße nicht geben. Ich blieb nach hinten gelehnt an der Balustrade stehen, meine Haare wehten in der kühlen Brise und die Spitzenwäsche um meine Brüste spannte plötzlich.

„So etwas gehört sich nicht für eine Prinzessin", tadelte Vaughn mich schließlich und sein Blick lag auf der nackten Haut, die immer noch entblößt war. „Außer du hattest vor diesen niederen Fae zu heiraten, was ich doch stark bezweifle. Also Prinzessin, was habt ihr Euch dabei gedacht?"

„Nichts", antwortete ich atemlos und hob nun doch mein Hemd vom Boden auf. „Habt ihr nicht Angst um Eure Ehre, wenn ihr Teil derartige Szenen seid?" Damit verblüffte er mich derart, dass es ihm nicht entgehen konnte. 

„Inwiefern beschmutze ich den meine Ehre?" Wenn ich an seine Liebhaberinnen dachte, die wahrscheinlich aus seinem halben Hofstaat bestanden, kam mir dieses Gespräch nur noch absurder vor. Doch dann klingelte etwas in mir. 

„Du glaubst, ich habe bisher mit niemandem geschlafen?", fragte ich und kann die Bitterkeit in meiner Stimme nicht unterdrücken. Üblich war es bei unverheirateten Prinzessinnen, ja, aber nur wenn dem Vater etwas an der Ehre seiner Tochter lag. „Du irrst dich", teilte ich ihm mit und wandte mich von ihm ab. 

Es blieb so lange still, dass ich erleichtert ausatmete, weil ich mich in Sicherheit wähnte. Doch dann stand Vaughn plötzlich genau neben mir und sah mich mit glühenden Augen an. „Du willst mir sagen, dein Vater hat dich auch in dieser Hinsicht benutzt?" Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich die verkrampften Hände und den lodernden Blick als Zeichen von Zuneigung erkennen können. Aber ich wusste, dass es ihm nur darum ging, was der dunkle König tat, nicht um mich im speziellen. Wie weit er bereit war zu gehen.

Ich zuckte mit den Schultern, unbeteiligt, und auch damit er mir nicht ansah, wie sehr ich mich schämte. „Hat er dir weh getan?" 7

Mein Atem stockte wieder. Lustig, dass er dachte, dass es nur einer war. „Jeder von ihnen auf seine Art", antwortete ich und ging. Ich musste diesem Gespräch entfliehen. Dringend.

„Arabella, das Fest war zu Ehren deiner Rückkehr geplant. Doch du hast dich verspätet und wir mussten ohne dich anfangen. Deine Leibspeisen wurden aufgetragen, alles von gebratenem Hasen, zu frisch erlegten Vögeln oder geschmortem Wild." Ich wusste nicht, wie mir geschah, doch als er mit seiner Aufzählung endete, war mir einfach nur schlecht. Ich rannte zurück an die Balustrade und übergab mich. Tränen liefen über mein Gesicht. Ekel, Zorn, Scham. 

Alles vereinte sich in mir und es dauerte bis ich wieder normal atmen konnte. Als ich mich umdrehte war Vaughn verschwunden und ich seufzte erleichtert. Ich ließ mich zu Boden gleiten, winkelte die Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Ein Hand umklammerte mit eisernem Griff das andere Handgelenk. Noch so eine Eigenart, die ich mir angewöhnt hatte. Ich verharrte eng umschlungen, zu einem kleinen Knäuel verworren.

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now