Kapitel 62

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Das war nicht gut. Ganz und gar nicht. Jetzt bereute ich es, mich im Kampf nicht vollkommen verausgabt zu haben.

„Bella!" Arya holte mich ein, als ich mit Les an der Seite aus dem Sichtfeld der anderen stapfte und hackte sich bei mir unter. „Das war doch nicht so schlimm. Ich habe die aufgeladenen Blicke zwischen euch beiden am ersten Tag hier bemerkt. Es ist also kein wirkliches Geheimnis. Er hat das doch nur gesagt, um dich aus der Reserve zu locken."

Ich seufzte und schüttelte ihren Arm ab. Ich war so voller Spannung und Adrenalin, dass ich gar nicht wusste, wohin damit.

„Das macht es doch nur noch schlimmer", ärgerte ich mich.

„Macht was noch schlimmer?", fragte sie.

Ich wedelte mit den Armen. „Die ganze Situation. Du weißt nicht, was er..:" Ich blieb so plötzlich stehen, dass Arya misstrauisch wurde. Ich wollte nicht, dass sie schlecht von ihm dachte. Ich wollte nicht, dass sie wusste, was er mir angetan hat. Sie sollte ihn nicht hassen. Diese Gedanken bedeuteten nichts gutes. Mehr noch. Sie waren äußerst besorgniserregend. Nahezu beängstigend.

Jemanden in seinen Geist zu lassen, war unter normalen Umständen ausschließlich den überlassen, die die Magie des Geistes als heilende Praktik ausübten. Es war ein so intensiver Erlebnis, das auf Vertrauen basierte und es gab sonst nur einen einzigen Fall, indem es Brauch war den anderen in seinen Geist zu lassen. Der Liebeshochzeit zwischen zwei Fae.

Ich brauchte ein Ventil für meine Wut. Und das dringend. Ich hielt Ausschau nach Oraziel oder Rouven, selbst Heela würde mir reichen. Ich brauchte einen Kampf, bevor die Magie unkontrolliert aus mir herausbrach.

„Was hast du denn eigentlich im Wald gemacht?" Arya griff wieder nach meinem Arm und zog mich durch die Flure in meine Gemächer und ich erwiderte den sanften Druck ihrer Hand. Sie hatte genau die richtige Frage gestellt. Ich erinnerte mich an die Blüten, die glänzenden Flügel der Waldfeen und das Gefühl, dass mich dabei durchströmte. Ich wurde augenblicklich ruhiger. Die Magie zog sich von ganz allein wieder zurück und ich atmete auf.

Sobald ich die Türen öffnete, verlor ich das Bewusstsein. Das letzte, was ich sah, war etwas weißes auf meinem Bett.

Ich träumte. Ein großes Reich wurde gespalten. Graue Wolken schoben sich vor die Sonne. Misstrauen wurde gesät. Fae, die ihre Arbeit niederlegten. Fae, die von ihrer Familie nicht mehr wieder erkannt worden. Mächtige Schwingen, die den Himmel weiter verdunkelten.

Ich sah schwarze Runen auf weißer Haut, brodelnde Vulkanen und Berge, die auf der Flucht waren. Schwarze Adern, die sich über die Landschaft zogen und alles was sie berührten zerfallen ließen. Blüten wurden zu Staub, Bäume verloren ihre Lebenskraft, Steine zerbröselten.

Verschiedene Stimmen dröhnten durch meinen Kopf, doch es war nicht so wie ich es kannte. Es war anders, anders als alles, was ich erlebt hatte. Eine Gruppe Fae mitten im Wald. Blaue Magie knisterte in verschiedenen Schattierungen um jeden einzelnen von ihnen. Sie waren zu sechst. Ich versuchte zu hören, was sie sagten, doch da waren noch andere Stimmen. Aufgeregt und laut. Ich blendete sie aus.

„Wir können es nicht weiter ignorieren. Er wird zu gefährlich", sprach eine Fae mit blonden langen Haaren und stahlblauen Augen. Ihr Ton war eindringlich und ihre Haltung unnachgiebig.

„Wir haben einen Schwur geleistet. Wir dürfen nicht eingreifen. Für uns gibt es nur diesen einen Zeitpunkt, der unsere Rückkehr erlaubt." Der dunkelhaarige Sprecher hatte scharf geschnittene Züge und seine Arme vor der Brust verschränkt.

„Was ist, wenn es nie zu diesem Punkt kommt? Niemand weiß, ob sie wirklich noch lebt. Dass sie all diese Jahrhunderte überlebt hat ist unwahrscheinlich. Man könnte sagen unmöglich." Wieder die blonde Fae. Die anderen sahen nachdenklich von einem zum anderen.

„Niemand weiß von unserer Delegation. Wir dürfen es nicht riskieren. Weder unsere Leben, noch unsere Mission. Wenn wir scheitern, ist alles verloren." Der dunkelhaarige Fae erntete zustimmende Blicke.

„Wenn sie verlieren, weil wir ihnen nicht helfen, gibt es unsere Mission nicht mehr. Dann gibt es nichts mehr, was wir retten können."

Mein Kopf tat weh, als ich die Augen öffnete. Vaughn war mir so nah, dass ich zurückweichen wollte. Doch das ging nicht. Ich lag in meinem Bett. Arya, Villain, Oraziel und Mina standen um mich herum. „Was ist...", begann ich. Doch dann fiel mein Blick auf eines der Sofa. „Osmium!" Der Schneeleopard war gewachsen. Er nahm das gesamte Sofa ein. Seine goldgelben Augen sahen mich eindringlich an. Er legte den Kopf schief und beobachtete, wie mich die Erkenntnis traf.

„Du hast mich das sehen lassen?" Mit einem Satz war ich aus dem Bett gesprungen und neben ihm auf die Knie gegangen. Er legte den Kopf auf seinen Pfoten ab und sah mich an, als würde er sagen wollen: „Meine Arbeit ist getan. Jetzt seid ihr dran." Er schnurrte kurz und schnupperte an meinen Haaren. Ein kurzes Knurren folgte, was wahrscheinlich eine Reaktion auf den schwefeligen Gestank der Nigroms war, der sich überall an meinem Körper befinden musste.

„Ich habe Folgendes gesehen." Ich drehte mich zurück zu den anderen. Dann berichtete ich alles. Es gab nur einen einzigen Aspekt, über den ich nicht sprach. Ein Gefühl, das mich einfach nicht losließ. Bei der blonden Fae habe ich eine Art Vertrautheit gespürt, die ich mir einfach nicht erklären konnte. Als hätte ich sie schon mal gesehen. Auf einem Bild oder einer fremden Erinnerung.

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Ich habe jetzt die erste Woche in der Grundschule hinter mir und bin echt happy, da gelandet zu sein! Wie war eure Woche?♥

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt