Kapitel 28

136 19 6
                                    

Ich fühlte mich wie gefressen und wieder ausgespuckt. Jeder einzelner meiner Muskeln schmerzte, als wäre er gerissen und dabei wieder zusammen zu wachsen. Mein Kopf dröhnte, obwohl er weich lag. Ich würde alles dafür geben, um noch einmal in den Schlaf zurückfinden zu können.

Dann drang ein fremder Geruch an meine Nase. Er roch nicht schlecht, aber dennoch so ungewohnt und maskulin, dass ich irritiert dem Atem anhielt. Dann sprang ich auf, nur um mich augenblicklich zusammenzukrümmen und vor Schmerz zu keuchen. Ich verharrte in dieser Position bis der Schmerz wieder abklang und richtete mich dann ganz langsam auf. 

Ich befand mich in einem geräumigem Zimmer. Das riesige Himmelbett war mit dunkelroten Samtvorhängen geschmückt und als ich den Blick hob sah ich, dass die Decke mit bunten Blüten bemalt war. Das Zimmer hatte eine runde Form und vor einem der Fenster war eine breite Nische eingelassen. In den dunklen Möbeln waren beim genaueren hinsehen goldene Ornamente und dunkelgrüne Verzierungen zu finden. 

Ich drehte mich einmal um mich selbst und blieb wie angewurzelt stehen. 

Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Fae hatte es sich in einem der breiten Sessel bequem gemacht. Seine hellgrünen unergründlichen Augen durchbohrten mich förmlich. Selbst für einen Fae besaß er eine unglaublich intensive und strahlende Art von Schönheit. Er hatte einen markanten Kiefer, der hart aufeinander gepresst war und seine gebogenen Brauen trugen dasselbe tiefe schwarz wie sein Haar. 

Was mich irritierte war der Hass, die Abneigung, mit der er mich bedachte.

„Fertig, Prinzessin?", unterbrach er meine Gedanken und platzierte seine Arme auf den Lehnen des Sessels. Ich war mir des leichten Nachtgewands bewusst, dass ich trug und seinem abfälligem Blick zu Folge, er ebenfalls. Trotzdem weigerte sich etwas in mir, mir die Blöße zu geben und mir etwas über zuziehen. 

Ich wandte mich von ihm ab, als die Erinnerungen begannen über mich herein zu brechen. Er stand plötzlich vor mir, hob mein Kinn und zwang mich somit ihn anzusehen. Ich hatte keine Kraft, um mich gegen seine Energie zu wehren und ließ es einfach geschehen. Ich sah das Schwert meines Vaters, das auf mich nieder raste. Und den Moment, in dem plötzlich alles aufhörte sich zu bewegen. Als alles einfror. Villain, der nicht mehr näher kam. Der König, dessen Spitze nicht tiefer in meinen Körper drang.

„Wunderst du dich auch, dass er dich einfach hat gehen lassen?" Vaughn runzelte amüsiert die Stirn und verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. Ich zuckte die Schultern, während ich innerlich bebte. 

„Du hast dich gegen ihn gestellt. Warum?" Seine Stimme hätte rau und samtig sein können, aber seine Worte bestanden nur aus Kälte und Verachtung.. Sein Blick war schneidend, während er mich prüfend musterte und jeden Teil meines Körpers betrachtete. Ich blieb stumm, reckte das Kinn und setzte mich mit verschränkten Beinen auf die Kante des Bettes. Ich sperrte meine Gefühle weg. Er würde nichts davon jemals zu sehen bekommen.

„Weißt du, dass es heißt, du seist nicht seine Tochter, sondern seine Hure?" Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste schief, als ich nicht reagierte. „Sinn würde es ergeben. Du hast jahrelang um seine Anerkennung gebuhlt. Sie dir erkämpft ohne auch nur den kleinsten Hauch von Mitgefühl oder Gnade zu zeigen. Er musste wahrscheinlich nur daran denken, wen er gerne tot sehen würde und schon warst du da um die Person und seine ganze Familie umzubringen.Wie ging es dann weiter? Bist du danach noch mit Blut besudelt zu ihm gegangen und hast ihm von den erfreulichen Nachrichten berichtet?" 

Ich biss die Zähne zusammen bis ich Blut schmeckte. Mit jedem seiner Worte verkrampfte ich mich weiter, fiel innerlich zusammen, doch blieb nach außen völlig regungslos. Immer wieder erinnerte ich mich selbst darin, dass ich meinen Geist und vor allem meine Erinnerung vor ihm verschlossen halten musste.

Ich zuckte nicht zusammen, als seine Magie drohend an meiner Kehle kratzte und grob über die Wunde fuhr, die die Klinge an meinem Oberkörper hinterlassen hatte. 

Mit einem wütenden Schnauben verließ er das Zimmer durch eine Tür, die mit der Wand zu verschmelzen schien. 

Die erhoffte Erleichterung blieb aus. Ich lauschte seinen sich entfernenden Schritten und sobald sie verklangen waren, sprang ich auf und öffnet die andere Tür. Mit zwei Sätzen sprang ich die steinerne Treppe hinab und gelangte zu meiner unglaublichen Erleichterung in einen Baderaum. Ich würgte und Tränen traten mir in die Augen. Ich verharrte zitternd auf dem kalten, dunklen Steinboden und wartete bis ich wieder Luft bekam und mir nicht mehr schwarz vor Augen war. Ich rollte mich zusammen und blieb einfach liegen. Versuchte an nichts zu denken. Vor allem nicht an die Tatsache, dass ich im Schloss des Königs war, dessen Schwestern ich vor wenigen Monden kaltblütig umgebracht hatte.

Die Sonne ging auf als ich das nächste Mal zu mir kam. Der gesamte Raum war von orange rotem Licht durchflutet. Ich nahm die gläsernen Fenster wahr, die eine Hälfte des runden Badezimmers umschlossen und den Blick auf eine unendlich schöne Berglandschaft freigaben. Ich befand mich so hoch oben, dass ich nicht erkennen konnte, was am Boden vor sich ging. Klare Schneeflocken rieselten herab und wurden von den Strahlen der Sonne in buntes Licht getaucht.

Ich ließ warmes Wasser in das Becken fließen und setzte mich an den Rand. Ein eisiger Schauer ergriff Besitz von mir, als das Wasser plötzlich kalt wurde. Ich ließ mich trotzdem ins Wasser gleiten und akzeptierte die beißende Kälte. Ich versuchte gar nicht erst an dem Hahn herum zu drehen. Ich wusste genau, dass es kein Zufall war, dass das Badewasser kalt war und ich nahm es hin. Ich blieb im Wasser bis ich meine Beine kaum noch spürte. Die Temperatur des Wassers glich einem Eisbad und meine Haut begann an einzelnen Stellen blau anzulaufen. 

Das taube Gefühl wurde verdrängt als das Wasser sich plötzlich erwärmte. Ich konnte mir ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen und tauchte mein Gesicht unter Wasser. Ich genoss das prickelnde Gefühl des warmen Wassers auf meiner kalten Haut und beobachtete die Strahlen der Sonne, wie sich durch den Raum wanderten.

Er kam immer wieder. Der Schmerz war ein Bestandteil seiner Besuche, ebenso wie die Stunden im Baderaum danach. Seine Präsenz war beängstigend, seine Augen schimmerten unberechenbar und glänzten gefährlich. Und ich war ihm ausgeliefert, ohne eine Idee, wie ich mich aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Oder ob ich es überhaupt wollte.

____________

Was haltet ihr von Vaughn?❤️

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now