Kapitel 16

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Villain

Es entwickelte sich alles, genau in die entgegengesetzte Richtung von dem was ich angenommen und gehofft hatte. Anstatt das Arabella mit uns sprach und wir gemeinsam Pläne schmiedeten, schottete sie sich zunehmend ab. Weder mit Coilin, noch mit mir hatte sie seit ihrer Ankunft ein vernünftiges Gespräch geführt. Sie war total verändert, verhielt sich ganz anders als vorher, aber war dennoch genauso distanziert. Wenn sie nicht sigar noch unnahbarer war als vorher.

Gemeinsam mit Coilin versuchten wir einen Plan zu schmieden, der für alle Beteiligten erfolgsversprechend war - für alle außer dem dunklen König selbstverständlich. Jeden Morgen sah ich Arabella dabei zu, wie sie sich den übergroßen Mantel überzog, den sie bei der Kleidung in der Hütte gefunden hatte und diese dann verließ. Von meinem Platz am Fenster konnte ich ihrer Silhouette mit dem Blick folgen, bis sie in den Tiefen des Waldes verschwunden war. Das einzige was sie immer bei sich trug, war ein Schwert. Weder etwas zu essen noch etwas zu trinken.

„Vielleicht sollten wir meinen Vater einweihen", unterbrach Coilin meine Gedanken. 

„Du denkst er würde uns helfen? Auch wenn das für ihn einen Krieg bedeuten würde, bei dem er nichts zu gewinnen hat?", antwortete ich skeptisch. 

„Ausgeschlossen ist es nicht." Doch ich hörte Coilin an, dass er sich keineswegs sicher war, wie sein Vater reagieren würde, wenn er wüsste, dass Arabella nicht tot und sein Sohn an diesem Täuschungsmanöver beteiligt war.

„Wie sieht unsere Alternative aus? Warten bis Arabella ihre Gedanken mit uns teilt?", beantwortete Coilin seine eigene Frage. „Ich befürchte, dass kann noch dauern. Ich habe noch nie jemanden so in sich gekehrt erlebt und ich bin im nördlichsten Teil der Welt aufgewachsen, wo Krieger sich monatelang zurückziehen, um abgeschottet im Eis leben zu können." Ein niedergeschlagenes Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Ich weiß, dass sie zu viele Geheimnisse hat. Wir müssen unseren eigenen Plan machen. Wir müssen damit rechnen, dass sich ihr Verhalten nicht ändern wird. Dass es uns nicht möglich ist, sie davon zu überzeugen, dass wir auf ihrer Seite sind."

„Ist die Unterstützung der anderen Königreiche denn wirklich keine Option? Vaughn ist ein unglaublich mächtiger Krieger, er soll sogar über mehr Magie verfügen als sein Vater. Und Helena ist schließlich ihre Tante." 

Meine Augenbrauen schossen bei Coilins Worten in die Höhe. „Es ist ausgeschlossen, dass Vaughn uns helfen würde. Allein wegen dem Verdacht, dass..." Ich unterbrach mich. Der Gedanke, der mir gerade gekommen war, sorgte dafür, dass ich für einen Moment die Fassung verlor.

„Was für ein Verdacht?" Coilin entging mein Stocken nicht. Es machte nicht den Eindruck als wäre er bereit, das Gesagte einfach so stehen zu lassen. Nach einem abwägenden Blick räusperte ich mich. „Allein weil die Möglichkeit besteht, dass Arabella für die Ermordung seiner Familie verantwortlich ist. Es waren bloß Gerüchte, doch nach Allem, was jetzt passiert ist. Es ist ausgeschlossen, dass er uns hilft. Es könnte sein, dass sie es wirklich war. Das würde bedeuten, dass sie noch mächtigere Feinde als den dunklen König hat und das wäre..."

„Ihr Ende?" Coilin warf die Hände in die Luft. Entsetzen spiegelte sich auf seinen Zügen wieder und auch ich seufzte hoffnungslos. „Wie sollen wir da heil wieder raus kommen? Wenn bekannt wird, dass wir uns hier mit ihr aufhalten, wäre unser gesamtes Volk in Gefahr. Wir können uns nicht weiter hier verstecken. Wir müssen etwas tun." 

Ich stimmte ihm nickend zu. Die Dringlichkeit in seiner Stimme sprang wie ein Lauffeuer auf mich über. „Wir müssen mit ihr sprechen. Wir dürfen keine Zeit verlieren."

Zu Fuß stapften wir durch den hohen Schnee. Arabellas Spuren waren kaum noch zu erkennen, nur mithilfe von Coilins Magie gelang es uns, ihr zu folgen.

Von den Ästen der himmelhohen Bäume hingen handgroße gefrorene Wassertropfen und vereiste Wasserbäche verzierten die Baumkronen. Selbst Coilin, der in diesem Land aufgewachsen war, betrachtete seine Umgebung ehrfürchtig. In der sonst absoluten Stille waren nur die vereisten Nadeln der großen Bäume zu hören, die klingend wie ein Windspiel aneinander schlugen. 

Ich lauschte aufmerksam und folgte Coilin lautlos durch den Wald. Er hatte mich angewiesen so leise wie möglich zu sein, weil in diesem Wald Wesen leben sollen, die besser hören können als Fae und nicht viel von Besuchern hielten. 

Dem märchenhaften Eindruck des Waldes wird vollkommen entsprochen, als der Wald den Blick auf eine Lichtung freigab, in der die Sonne den Schnee zum Glänzen brachte. Alles funkelte in einer unnatürlich strahlenden Helligkeit. Als sich unsere empfindlichen Fae Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, bot sich uns ein unvergessliches Bild.

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now