Kapitel 1

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Villain

Ich betrat das Schloss bereits mit einem schlechten Gefühl. Zum unzähligen Mal prüfte ich die Klingen meiner Messer. Cy amüsierte sich bereits prächtig und ein Seitenblick auf ihn verriet, dass das noch immer der Fall war. Erst als wir die hohen Schlossmauern passierten, wuchs auch seine Anspannung. Sein Blick wurde aufmerksamer, wachsamer. Meine Magie regte sich, als wir durch einen Schutzzauber nach dem anderen geführt wurden. Nach einer Weile war Cys Blick ungläubig. Bisher sind es schon zwölf. Seine Stimme in meinem Kopf zu hören war schon lange nicht mehr merkwürdig. Im Gegenteil. In Situationen wie dieser war es überaus hilfreich auf diese Art kommunizieren zu können.

Auf dem Weg zum Thronsaal schlossen sich uns immer mehr Wächter an. Als die eisernen Türen geöffnet wurden, lagen plötzlich die Blicke von hunderten von Fae auf uns. Die Stimmung auf dem Fest war aufgeladen. Die anwesenden Fae musterten uns mit einer Mischung aus Neugier, Angst und Vorsicht. Sie alle gehörten zu den mächtigsten Geschöpfen dieses Landes und trotzdem erschienen sie in diesem Saal nahezu unbedeutend.

Mein Blick wanderte den Gang entlang bis zum Thron. Die letzten hundert Schritte zu gehen war schwer. Ich sah sie im Augenwinkel, wie sie reglos neben ihm saß. Ihr Thron wirkte nichtssagend neben dem meterhohen Thron des Königs, der aus anthrazitfarbenem Stein bestand. Vor ihrem Gesicht hing ein blickdichter schwarzer Schleier, der ihr bis über das Kinn fiel. Sie trug ein Kleid, das dunkel schimmerte und ihre Haut noch heller wirken ließ. Ihre Knochen stachen scharf hervor und selbst ihre unbedeckten Arme wirkten ungesund dünn.

Für einen kurzen Moment wurde mein Herz schwer. Cy verbeugte sich leicht und ich deutete ebenfalls ein höfliches Nicken an. Der König hatte seine Aufmerksamkeit nun von seiner Tochter auf uns verlagert. Sein Blick war stechend und der Ausdruck in seinem Gesicht strotzte vor Überlegenheit.

„Räumt den Saal." Er sprach in normaler Lautstärke, doch selbst die Fae im hintersten Winkel des Saals folgten seiner Anweisung. Es raschelte und ohne Flüstern oder Murren leerte sich der Saal innerhalb von wenigen Augenblicken. „Ihr seht nicht so aus, als hättet ihr gute Neuigkeiten zu berichten?" Seine Stimme bahnte sich einen Weg direkt durch unseren Schutzzauber in unseren Kopf hinein. Ich musste mich davon abhalten ihn abzuschütteln, denn ihn zu provozieren wäre in der gegenwärtigen Lage alles andere als hilfreich.

„Wir haben schlechte Neuigkeiten von der anderen Seite des tückischen Meers", begann Cy. Er verschränkte die Arme vor der Brust und hielt dem Blick des Königs stand. „Und?", fragte dieser gelangweilt.

„Aktuell lassen diese daraufschließen, dass wir einzelnd keine Chance auf einen Sieg haben." Unsere Informationen über die Kriegsvorbereitungen in Arubien ließen keine anderen Schlussfolgerungen mehr zu. Wir waren zum Handeln gezwungen.

„Was lässt euch darauf schließen", spuckte der dunkle König aus, „dass meine Macht dem nicht gewachsen sei?" Sein höhnisches Grinsen wanderte von Cy zu mir.

„Wir haben uns beraten und waren uns einig, dass ihr möglichst wenig Verluste erleiden wollt." Es fiel mir schwer meinen Zorn zurück zu halten bei so viel Ignoranz und Bosheit, aber ich bemühte mich. Dem spöttischen Ausdruck auf dem Gesicht des Königs zu folge, war ihm meine Wut dennoch bewusst.

„Ich helfe euch nicht. Falls Vaughns Armeen es bis zu mir schaffen, wird ihr Weg hier enden." Klar und deutlich und genau das, was wir vermutet hatten. „Seit Jahrhunderten arbeitet euresgleichen an einer friedlichen Übereinkunft um das Reich der Fae wieder zu vereinen." Er schnaubte angewidert. „Das einzige, was ihr mir geben könntet, ist Alhambrien. Wenn dein Vater mir sein Land überlassen würde, wäre ich bereit zu helfen. Sonst nicht." Wut und Ungeduld bestimmten seine Stimme und die erdrückende Magie, die sich um uns herum formte unterstrich seine Worte mehr als deutlich.

„Villain, richte Aurelion das aus." Verächtliche Genugtuung legte sich um seine Züge, als Cy versuchte sich aus den Griffen der Magie zu befreien. Unsere Schilder waren aktiv, aber sie würden nicht halten, wenn er es darauf anlegen würde sie zu zerstören.

„Ah, wisst ihr was? Kommt nächsten Monat zu den Feierlichkeiten, die zu Ehren der Sommersonnenwende abgehalten werden. Ich habe eine Überraschung für meine Tochter vorbereitet. Euch würde sie gewiss euch gefallen. Vielleicht finde ich bis dahin eine Lösung, die uns gleichermaßen gefällt." Sein Schmunzeln verriet mir, dass das sicher nicht der Fall sein wird. Mit einem kurzen Nicken verabschiedeten wir uns. Cys Verbeugung fiel noch knapper aus, als die erste. Wir verließen spürbar erleichtert den Saal und hörten noch die dröhnende und eindeutig spöttische Stimme des Königs. Man konnte nicht verstehen, was er sagte, dafür hörten wir ihre Antwort.

„Ja, Vater. Das war erbärmlich. Wieso wart Ihr so großzügig sie einzuladen?" Arabellas Stimme ließ alles Blut in mir erfrieren. Sie klang so kalt, so hohl, so ohne Gefühl, dass Cy mir einen erschrockenen Blick zuwarf. Seine Antwort hörten wir nicht, doch dann perlte ihr Lachen durch den Saal, so laut, als würde sie direkt neben uns stehen. Es klang so bösartig, dass ich erschauderte. Von dieser Entwicklung wird wirklich niemand begeistert sein.

Der König von Alhambrien war geschockt, als wir ihm die aktuelle Lage im Hof von Alejandra beschrieben. Auf dem Weg durch das Land ist uns so viel Armut und Leid entgegen geschlagen, dass ich mich über jeden gewundert hatte, der uns ein Lächeln oder ein freundliches Wort schenkte. Das Land litt seit Jahren unter dem geringen Niederschlag, der es den einfachen Fae schwierig machte, zu überleben. „Wahrscheinlich hoffen sie darauf, dass wir ins Land einfallen und sie befreien", erklärte mein Vater, als ich ihn von meinen Gedanken erzählte. Cy rieb sich über die Stirn. „Wie kann es sein, dass er so viel mächtiger ist als wir? Ich verstehe das nicht. Dieses Gefühl im Thronsaal. Es war so...erschreckend." Er strich sich seine braunen Haare hinter die spitzen Ohren und schüttelte den Kopf, um den Gedanken an dieses Gefühl loszuwerden.

„Wenn wir das nur wüssten." Mein Vater ließ seinen Blick über die anderen Versammelten gleiten. „Wir müssen es herausfinden. Genauso wie wir heraus finden müssen, was es mit diesen willkürlichen Angriffen auf sich hat. Wie kann es sein, dass wir nach jahrelangem Suchen immer noch nichts gefunden haben?" Erschöpfung machte sich auf seinen Zügen breit. König Aurelion war alt, selbst für einen Fae. Er sah immer noch gut aus, gesund. Aber sein Haar war grau und seine Macht sank stetig. Meine Mutter betrat das Zimmer und hinter ihr einige Dienerinnen, die Kelche und Häppchen auf dem Tisch abstellten. Sie sah unsere Ratlosigkeit und lächelte traurig. Wir wussten alle, dass wir nicht stark genug waren. Bei einem Angriff würden wir verlieren. Von unseren besten Kriegern war niemand mehr übrig. Einer nach dem anderen war spurlos verschwunden. Unsere Hoffnung bestand nur noch daraus, zu glauben, dass sie tot  und nicht zu unseren Feinden übergelaufen sind. Denn wäre das der Fall, würden wir nicht mal den Hauch einer Chance für einen ehrlichenKampf bekommen.

Nur eine Sache war uns allen klar, wir würden kämpfen, wenn wir dazu gezwungen waren. Und wenn wir untergehen, tun wir das mit erhobenem Schwert.

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Erste Eindrücke über Arabellas Vater?

Was lest ihr gerade außerhalb von Wattpad? Ich habe gestern den zweiten Teil von Cassardim beendet und kann die Reihe sehr sehr sehr empfehlen!♥

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now