Kapitel 50

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Der Regenbogen Palast war schon immer schön gewesen. Er hatte immer gestrahlt, voller Wärme und Licht. Neu war die Macht und der Stolz, der aus jedem Kunstwerk aus jedem gepolsterten Sessel und jeder geschmückten Waffe sprach.

Unzählige Kronleuchter hingen von den hohen Decken, viele der Wände waren aus Glas und ließen die goldenen Sonnenstrahlen ins Innere des Gebäudes dringen. Helena führte mich durch verschiedene Torbögen und Türen bis wir in einem Zimmer ankamen, das nach einem privaten Büro aussah. Die Bücherregale reichten bis unter die Decke und einige waren nur mithilfe von Leitern erreichbar.

Als sich die Türen schlossen und die Leibgarde draußen blieb, atmete ich durch. „Ich brauche deine Hilfe, Tante." Ohne große Umschweife erzählte ich ihr von meinem Plan. Ich würde jedes Reich besuchen, jeden Herrscher und jede Herrscherin und ihnen meine Geschichte erzählen.

Ich würde ihnen klar machen, wie gefährlich der dunkle König war. Geeint würden wir gegen ihn ankommen und gewinnen. Wir wären so in der Übermacht, dass wir nur mit wenigen Verlusten rechnen müssten. Mein Platz wäre an der Spitze. Ich würde ihm zum Duell auffordern und gewinnen. Seine Krieger würden schnell ausgeschaltet sein. Der Rest seiner Armee würde überlaufen, sobald ihr dunkler König gefallen war.

Während wir aus Porzelantassen, die mit goldenen Blumen verziert waren, tranken, erklärte ich ihr alles. Ihr Blick war und blieb skeptisch. „Wir haben nicht die Schiffe um eine Armee dieser Größe über das Meer zu schaffen. Die meisten Fae hier erkennen die Bedrohung nicht. Es gibt keinen Krieg, keine Toten. Sie sind nicht bereit in einen Krieg zu ziehen, den es noch gar nicht gibt."

Ich war fassungslos. Ich ergriff ihre Hand und überschwemmte sie mit einigen meiner Erinnerungen. Keine der ganz schlimmen, aber dennoch die, die Übelkeit in mir aufsteigen ließen. Sie presste die Augen zusammen und ich beobachtete, das Zucken um ihre Mundwinkel herum. „Du musst mit zu der Versammlung kommen."

„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Dafür ist keine Zeit. Ich muss zurück auf die andere Seite. Ich muss mit der Königin von Andalesien sprechen. Ich spüre, dass die Zeit kaum ausreicht. Es geht etwas in Alejandra vor." Ein Schauer lief über meinen Rücken.

„Seit ich auf dem Weg zu dir bin haben meine Alpträume sich verändert. Sie drehen sich nicht mehr um die Vergangenheit, um das was schon geschehen ist. Es geht um das, was gerade passiert. Das, was noch passieren wird. Um ein Gefühl, das bedrohlicher ist, als alles was ich erlebt habe. Die Zeit verrinnt schneller als Wasser in der Sandwüste. Wenn wir nicht handeln wird es zu spät sein."

Helenas Blick ruhte aufmerksam auf mir. „Du musst zu einer Traumdeuterin. Sie leben oben im Gebirge, nah an den Klippen." Ich hob abwehrend die Hände. „Arabella, was bringt uns eine Armee, wenn wir die Gefahr nicht kennen? Wie sollen wir gewinnen, wenn uns unbekannt ist, gegen was wir antreten?"

„Ich bin noch nie einer Hexe begegnet."

Helena lachte. „Wetten, doch?" Einige von ihnen leben als Menschen unter uns und die stärkeren tarnen sich als Fae. Die wenigsten von ihnen beschäftigen sich mit der Kunst des Krieges oder der Täuschung. Sie sagen die Zukunft voraus, heilen oder deuten Träume. Über die Jahrhunderte haben sich ihre Fähigkeiten verändert."

„Woher weißt du das alles? Selbst in der Bibliothek von Calea habe ich nur sehr wenig über die Hexen erfahren."

Meine Tante grinste vergnügt. „Deine Urgroßmutter", antwortete sie, gespannt auf meine Reaktion. Die allerdings erst mal auf sich warten ließ, so perplex war ich. Sie kicherte leise. „Sie war eine Hexe. Hast du etwas darüber gelesen, dass Hexen ihre Fähigkeit nur an ihre erstgeborenen weitergeben?" Ich schüttelte den Kopf.

„Tja, dem ist so. Sie war ein Hybrid. Der mütterliche Teil von ihr war eine Hexe, der väterliche ein Fae. Sie entsprach in allen Kriterien einer Fae, nur hatte sie zusätzlich einige Kräfte, die sie als Fae nicht besitzen dürfte. Sie gab ihre Hexenkraft an ihre älteste Tochter weiter. Das war zu Zeiten des großen Kriegs. Ihre zweite Tochter, deine Großmutter erbte nur den Fae Teil. Als die Hexen noch fest in ihren Zirkeln gelebt haben, war es nur denen mit königlicher Abstammung möglich, mehrere Töchter und sogar Söhne mit Hexenkraft zu gebären. Es ist also nicht verwunderlich, dass unsere Mutter keine besaß."

Ein Seufzen drang aus meiner Kehle. „Ich wünschte sie würde noch leben." Helena wusste sofort, wen ich meinte und nahm meine Hand. Mit ihr wäre das alles so viel einfacher durchzustehen.

„Ich auch." Sie stand auf. „Es ist nicht viel, was ich dir geben kann, aber das hier möchte ich dir schenken." Sie ging zu ihrem Schreibtisch und öffnete mithilfe ihrer Magie das Schloss einer kleinen hölzernen Schatulle. In dieser Schatulle lagen verschiedene gläserne Perlen auf rotem, seidigen Stoff gebettet.

„Was ist das?" Ich spürte die Magie, die von dieser Schatulle ausging, als warmes Kribbeln in meinem Fingern.

„Erinnerungsperlen. Deine Mutter hat sie mir geschickt. Kurz vor ihrem Tod. Sie versorgen sich selbst mit Magie und solange sie nicht bewusst zerstört werden, ist die Erinnerungen in ihnen sicher aufgehoben."

Mein Herz pochte lautstark und meine Finger zitterten protestierend als ich behutsam über die Perlen strich. Sie fühlten sich kalt an, glatt. Doch unter meiner Berührung war es als würden sie zum Leben erwachen. In ihrem Inneren erwachte ein goldener Funke, meine Fingerspitze verharrte über der Perle, die langsam begann Wärme auszustrahlen.

„Es ist als würde sie dich erkennen, oder?" Helena lächelte über meinen fragenden Ausdruck. „Sie erkennt dich tatsächlich. Aus den Erinnerungen, die sie gespeichert hat." Die goldenen Fäden in der Perle breiteten sich aus, begannen zu leuchten. „Schau sie dir nachher in Ruhe an."

Sanft schloss sie die Schatulle und legte sie mir in den Schoß. Ich war völlig überwältigt und überrumpelt von diesem unerwarteten Geschenk. Mit einem tiefen Atemzug richtete ich mich wieder auf. „Vielen Dank. Du ahnst ja nicht..." Ich stockte. „Wie viel mir das bedeutet", beendete ich den Satz.

Sie lächelte und drückte meine Hand. „Lass dich zu deinen Gemächern bringen. Wir reden nachher weiter. Ruh dich vorerst aus."

„Nein", wehrte ich vehement ab. „Ich reite heute noch weiter." Sie wollte mir widersprechen, sah aber meine entschlossene Miene und entschied sich dagegen.

„Folgst du meinem Rat?" Ich wägte ab, wie viel Zeit mich eine Reise in die Gebirge kosten würde. „Ich muss mit jemandem reden, dann entscheide ich." Sie nickte und nach einem kurzen Lächeln verließ ich den Raum.

Ich schnürte meinen Umhang fester, als ich durch die Gänge des Schlosses lief. Das Gewicht der hölzernen Schatulle wärmend in meiner Hand.

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Auf welche Neuerscheinungen freut ihr euch dieses Jahr am meisten?

Bei mir sind es Cassardim 3, das Reich der sieben Höfe: Silbernes Feuer, Blue und alles von Emma Scott oder L.J. Shen♥

Und bei den Serien auf jeden Fall Haus des Geldes!! Ich bin sooo gespannt ♥

The Lost PrincessOù les histoires vivent. Découvrez maintenant