Kapitel 26

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Als ich wieder zu mir kam, war das erste, was ich wahrnahm, ein absurd hohes Piepen in meinem Ohr. Als nächstes bemerkte ich meinen pochenden Kopf, der den Eindruck erweckte, als wäre eine ganze Herde andalesischer Stallions über mich drüber galoppiert. Dann kam mein dröhnender Herzschlag. Und dann die Erinnerung.

Ich versuchte Villain oder Coilin zu erreichen, doch die Verbindung war unterbrochen. „Bitte seid nicht tot. Seid nicht tot", flüsterte ich, während ich mich mühsam aufrappelte. Ich stand unsicher auf meinen Beinen, aber sie hielten mich. Ich drehte mich einmal und erkannte den Ort um mich herum kaum wieder.

Der Festsaal, der eben noch mit Lichtern geschmückt, goldenen Ornamenten verziert und mit dem Lachen von Fae erfüllt war, stank nach Ruß und Asche. Die Mitte des Saals, da wo ich die Lichter Feuer habe fangen lassen, war der Marmorboden von verbrannten Überresten bedeckt. Staub wirbelte durch die Luft. Ansonsten war die ganze Halle wie leergefegt. Kein Villain, kein Coilin, kein König.

Ich ging meine Möglichkeiten durch, die alles in allem mehr als begrenzt waren und kam zu dem Schluss, dass es keinen Ausweg mehr gab. Mein Vater würde irgendwo auf mich warten und ich hatte keine andere Wahl als direkt in seine Falle zu tappen.

Noch einmal versuchte ich Coilin und Villain zu erreichen, dann machte ich mich auf dem Weg. Lief durch die Gänge des Schlosses, dass mal mein Zuhause und dann mein Gefängnis gewesen war. Wie bei meinem Geburtstag damals begegnete ich niemandem. Alles war wie ausgestorben. Der beißende Geruch nach Verbranntem hatte sich in meiner Nase festgesetzt und begleitete mich, als ich das Schloss verließ und einem Gefühl nach, den Weg zu den Stallungen einschlug. Er weiß, dass er mich nirgendwo mehr verletzten könnte, als an diesem Ort. Meinem Rückzugsort, dem Ort, an dem ich mich geborgen und sicher gefühlt hatte.

Ich war allein, als ich den schmalen Pfad betrat. Meine schweren Stiefel hinterließen keine Abdrücke, kein Geräusch. Mein schwarzer Umhang wehte in der kühlen Brise, im Einklang mit den Blättern der Bäume und dem Rauschen des Windes. Ich flocht meine langen Haare zu einem Zopf, damit sie mich nicht stören konnten. Eine eigentümliche Ruhe erfasste mich, als ich den Blick zum Himmel erhob. Die Sichel des Halbmondes leuchtete in einem gleißenden Licht und warf einen milchigen Schimmer auf meine Umgebung. Die Sterne funkelten am Nachthimmel wie vertraute Gefährten. Ich hatte fast vergessen, wie trösten ihr Anblick auf mich wirkte. Er hatte mir schon oft Mut geschenkt. Zum meinem Erstaunen dachte ich an die Nacht in der Arena zurück. Denn als der Mond am Himmelszelt den höchsten Punkt erreicht hatte, wusste ich dass der Tag der Sommersonnenwende begann. Er hat mir Hoffnung geschenkt, als es niemand anderen gab, der das gekonnt hätte.

Nur noch wenige Schritte trennten mich von der Lichtung, als ich noch einmal innehielt. Ich schloss die Augen, prüfte meine Messer und tastete nach dem Griff meines Schwertes. Für einen Moment erlaubte ich mir zu lauschen. Die Geräusche des Waldes wahrzunehmen. Den Ruf verschiedener Tiere, das Knacken von Zweigen, das Plätschern eines Baches. Ich genoss den kühlen Nachtwind auf meiner Haut, in meinen Haare und atmete tief durch.

Sobald ich die Lichtung betrat, wusste ich, dass mein Gefühl mich nicht getrogen hatte. Sie waren hier. Ähnlich wie im Saal wehrte sich mein ganzer Körper dagegen weiterzulaufen, wohl wissend, dass Er sich hier befinden würde. Dass ich ihm mit jedem Schritt näher kam. Alle meine Instinkte rieten mir davon ab, doch ich zwang mich weiterzugehen.

Zuerst sah ich das weiße Wolfsfell im Mondlicht aufblitzen, dann trat mein Vater hinter der Ruine hervor.

„Habe ich nicht einen passenden Ort gewählt?", lobte er sich. „Ich wusste, du würdest uns finden." Hinter ihm traten mehrere Wächter aus dem Schatten. Jeder von ihnen hatte eine der Halbfae bei sich und hielt ihnen eine Klinge an den Hals. „Mach dir um die kleinen Prinzen keine Sorge. Sie sind auch hier. Sozusagen als mein Pfand."

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now