Kapitel 53

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Die Hexe, die vor mich trat, war mit Sicherheit eine der Ältesten hier. Doch aussehen tat sie als wäre sie fünfundzwanzig und nicht fünfhundert. Ihre hellen goldgelben Augen musterten mich prüfend. Außer ihr waren nur zwei andere Hexen in der Höhle. „Ich brauche Euren Rat", platzte es aus mir heraus, als mir das Starren zu sehr auf die Nerven ging. 

Die Hexen lachten nur. „Und du bietest uns etwas als Gegenleistung an?" Ich nickte. Helena hatte mir eine Kugel gegeben, die wie meine Perlen auch magisch waren. Ihre Magie bestand aber nicht daraus Erinnerungen zu speichern.

„Und was möchtest du von uns wissen, Prinzessin?" Ich hatte mir schon gedacht, dass die Hexen wissen würden, wer ich bin, deshalb legte ich nur den Kopf schief. Auf den Lippen ein halbes Lächeln. „In meinem Land gibt es ein Problem. Ich weiß, dass ich es beseitigen kann." 

„Aber", unterbrach mich die Hexe, „du weißt nicht, ob das, was schon geschehen ist, dadurch ungeschehen wird?" Wieder nickte ich.

„Dazu kommt noch"; fuhr die Hexe fort, „dass du zwar zu wissen glaubst, den Kampf gewinnen zu können, doch nicht weißt, wie. Auf welche Art du kämpfen musst, was du zu opfern bereit sein müsstest" Belustigung sprach aus ihren Zügen als sie meine Verwirrung sah. „Du empfindest sie doch, oder? Diese Gewissheit ihn zu besiegen."

„Ja", antwortete ich. Doch ich weiß nicht wie,wiederholte ich ihre Worte gedanklich. Zwischen den Hexen wurde ein Blick ausgetauscht. Dann wandte sie sich wieder mir zu. „Das Wasser fault, Bäume verlieren ihren Halt, Blumen die Kraft zu blühen, das lebendige Gebirge wandert immer weiter nach Alhambrien. Mehr noch..."

„Es versucht zu fliehen", entfuhr es mir und die Hexe nickt bestätigend. 

„Der König zerrt schon lange von der Magie des Landes. Welcher Zauber das bewirken konnte ist ungewiss. Das Land wurde schwächer. Jahrelang hat man es nur daran gemerkt, dass der Regen ausblieb. Nun ist er weiter gegangen. Er muss viel Magie gebraucht haben, wenn es den Flusselfen nicht mehr möglich ist, dass Wasser rein zu halten. Die Magie, die er benutzt hat, ist unwiderruflich verloren. Um das Land zu heilen, braucht es diese Magie aber wieder."

Ich verstand. Wir hatten ein riesiges Problem, das nicht nur daraus bestand einen durchgedrehten König zu stürzen. Nein, wir müssen noch genug Magie auftreiben, um das Land von dem Schaden zu heilen, den er angerichtet hatte.

„Jetzt teile uns mit, Prinzessin, was ist es was Ihr für uns habt?" Aus der ledernen Umhängetasche holte ich das Stoffbündel und entblößte die Kugel. Die Stille in der Höhle war plötzlich zum Zerreißen gespannt. „Woher habt ihr die?", zischte eine der beiden Hexen, die nun auf uns zukamen. 

„Wieso ist das wichtig?", fragte ich und musste mich anstrengen um mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. 

„Diese Hexenkugel wurde uns vor Jahrzehnten gestohlen. Sie jetzt als Geschenk wiederzubringen ist eine Unverschämtheit", polterte sie und ihre Stimme passte nicht mehr ganz zu ihrem jungen Äußeren. Sie wurde kratziger, schwoll an, hallte in der Leere der Gänge wieder.

„Du wirst es uns nicht sagen, oder?" Ich schaute in die goldgelben Augen und wägte ab. 

Es war unwahrscheinlich, dass Helena gewusst hatte, was sie mir da mitgegeben hat. Sie jetzt zu nennen, könnte Folgen mit sich bringen, die ich nicht zu tragen bereit bin. „Nein", erwiderte ich.

„Wir nehmen die Kugel wieder in unseren Besitz, aber sie gilt nicht als Gegenleistung für unser Wissen. Was bietest du uns noch an?"

Ich überlegte fieberhaft, aber ich hatte nichts dabei, was ich auch nur annähernd in Betracht ziehen konnte. „Ich begleite dich raus." Die Hexe, deren Stimme noch immer nicht wieder zu ihrem Äußeren passte, betrachtete mich mit einem viel zu süßen Lächeln. Sie malte sich wahrscheinlich schon aus, wie sie mich als Snack verspeisen konnte.

„Ich biete euch eine ausgleichende Schuld an." Damit hatte ich die Aufmerksamkeit der Hexen wieder. „Ihr habt etwas bei mir gut und wenn es in meiner Macht steht, werde ich tun, worum ihr mich bittet." 

Goldgelbe Augen funkelten mich zufrieden an. „Einverstanden." Und ich konnte nur hoffen, dass ich dieses Versprechen später nicht bitter bereuen würde.

„Du hast eine Frage, die wir dir beantworten werden, so gut es uns möglich ist." 

Jetzt hieß es bloß keinen Fehler machen. Auf die Formulierung achten, kein Spielraum lassen, handle mit Bedacht, summten Stimmen in meinem Kopf. „Ihr habt gesagt die Magie ist unwiderruflich verloren gegangen." Die Miene der Hexe verriet keine Regung.

„Aber vermutlich gibt es eine Möglichkeit die Magie wieder herzustellen." Immer noch keine Regung. Ein Zucken um den Mundwinkel maximal, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich es mir eingebildet hatte war höher, als die Tatsache, dass es wirklich da gewesen ist. „Was wisst ihr, über eine andere Möglichkeit das Land wieder zu heilen? Erzählt mir alles."

Anerkennung huschte über den Zug der Hexe, dann beugte sie zustimmend den Kopf. Die beiden anderen Hexen schienen äußerst zufrieden zu sein. „Alles, was wir wissen, ist folgendes." Ihre Stimmen veränderten sich, als sie zu singen begannen, vereinten sich, schwollen an, brachten die Höhle zum Zittern, den Himmel zum Verdunkeln.

Ein Land, dass seine Macht verliert,
ihrer beraubt und ihrer betrogen,
kann nur gerettet werden von den Alten,
die das Land beherrschten,
lange bevor der Krieg ausbrach 
und das Land in Stücke riss.
Die Macht, freigesetzt durch ihre Rückkehr,
wird das Land heilen, alle dunklen Spuren beseitigen.
Vergessene Mächte erwachen, vollbringen das Unmögliche,
doch der Preis wird gezahlt, 
Blut wird fließen, das Land begießen, 
die Sonne weinen, der Himmel strahlen, die Erde glühen.
Die Alten sind die Rettung, ohne Ihre Rückkehr,
ist das Land dem Untergang geweiht.

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Na, wer wagt sich an einen Interpretationsversuch?♥

The Lost PrincessWhere stories live. Discover now