Kapitel 21

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Ich hatte damit gerechnet, dass die beiden sich als ebenbürtig erweisen würden und lag damit nicht falsch. Jedoch hatte ich bei beiden  sowohl den magischen Aspekt, als auch den rein kämpferischen unterschätzt.

Sie waren um Längen besser als ich vermutet hatte. Villains Kampfweise unterschied sich deutlich von allem, was ich bisher gesehen hatte. Sie verband verschiedene Arten und Kampftechniken und diese Vielfalt machte es unmöglich seine nächsten Züge voraus zu ahnen.

Coilins Kampfstil ähnelte nur zu einem geringen Teil der seines Bruders. Die Grundlagen waren dieselben, aber dort wo es Torin an Schnelligkeit und Feinheiten gemangelt hatte, überwogen die Fähigkeiten  seines jüngeren Bruders die seinen um Längen. 

Zum ersten Mal seit wir in dieser Hütte waren überkam mich ein Gefühl der Zuversicht.  Mit diesen großartigen Kriegern könnte ich es vielleicht schaffen.  Eventuell, mit einem wirklich guten Plan, hätten wir eine echte Chance.

Schweiß und Anstrengung lag auf den Gesichtern der beiden Fae, als ich entschied dem Ganzen etwas zusätzliche Spannung zu verleihen. Ich ließ  etwas Magie in den Boden zu ihren Füßen fließen und taste mich behutsam  vor. Ich flocht feste Schleifen aus Schnee und legte sie nur wenige Schritte von Villains Füßen ab. In Coilins Nähe formte ich den Schnee zu spiegelglattem Eis.

Erst als die beiden bemerkten, dass sich etwas zu ihren Füßen verändert hatte, wurde es wirklich interessant. Beide verloren den Takt und etwas von der Geschwindigkeit in der sie sich bewegten. Die Schlinge zog sich um Villains Fuß zusammen und Coilin hatte Mühe sein Gleichgewicht zu behalten. Ich bemerkte in meiner Schadenfreude jedoch nicht, wie sich eine Art Schneemonster hinter mir bildete und über meinen Kopf hinaus wuchs. Ich bemerkte die eisige Kälte erst als der Schnee über mir zusammenbrach und mich unter sich begrub.

Nach  einem kurzen Schock schleuderte ich den Schnee von mir. Konnte mir  jedoch ein Grinsen nicht verkneifen. „Das hättet ihr euch besser überlegen sollen", drohte ich und zog ein Schutzschild hoch. Ich ließ die Schlaufe um  Villains Band nach oben wandern, so dass er mit verschränkte Armen in der Luft baumelte und formte das Eis unter Coilin zu einem Berg, auf dessen Spitze er stand. „Irgendwelche letzten Worte, Jungs?" 

Beide schauten überrascht und etwas panisch aus ihrer jeweiligen Situation heraus. Ein leises Lachen löste sich aus meiner Kehle, als ich Villains Schlaufe löste, während er sich genau über Coilin befand. Er landete auf dem Boden und geriet augenblicklich ins Rutschen. Er verlor den Halt vollständig und schlitterte den Berg herab, dicht gefolgt von Coilin. Selbst die hohen Bäume hinter der Hütte schienen das Schauspiel zu beobachten und bogen sich im Wind. Ich war so zufrieden mit mir, dass ich zu spät bemerkte, dass Villain seine Richtung geändert hatte und direkt auf mich zusteuerte. Coilin löste meinen Schutzzauber im dem  Moment auf, als Villain mich erreichte und mich mit sich riss. Diese Teufel.

Als  wir uns gerade von dem Schock und dem Sturz erholt hatten, krachte  Coilin mit voller Kraft in uns rein und fegte uns erneut von den Beinen.  

„Was zur...", entfuhr es mir in einem untypisch schrillen Ton. Wir nahmen an Geschwindigkeit zu und rasten unkontrolliert weiter.  „Wieso endet diese Abfahrt nicht?", kreischte ich und versuchte mir einen Überblick zu verschaffen. Coilin und Villain lachten laut und schienen die Rutschpartie eindeutig zu sehr zu genießen. 

„Okay."  Atemlos und schlitternd hielten wir endlich an und konnten aufstehen.  „Das war... nicht schlecht." Ich wollte den amüsierten Zug, der sich um meine Mundwinkel gelegt hatte, unterdrücken, doch Villains Zwinkern sagte mir, dass es dafür bereits zu spät war. Mit einem Kopfschütteln trat ich den Rückweg zur Hütte an.

Die Nachwirkung der stürmischen  Rutschfahrt war ein kribbelndes Gefühl in meinem Bauch, was meine  Schritte ganz leicht werden ließ und die Dunkelheit in mir in den  verborgensten Winkel zurückdrängte.

Um mich herum glitzerte alles,  überdeckt von einer Schicht des strahlend weißen Schnees, der im Laufe der vergangenen Nacht gefallen war. Ich hatte Mühe die Freude nicht überhand gewinnen zu lassen und nicht weiter darüber nachzudenken, wie viel Spaß  das gerade gemacht hatte. Ich zwang mich an meine Mission zu denken, und was passieren würde, wenn ich scheiterte.

Erst als sich der Tag dem Ende neigte, stieß ich wieder zu den beiden Fae. Coilin und Villain waren in eine Diskussion darüber vertieft, welche Wesen aus den mythischen Legenden sie wieder herauf beschwören würden, wenn sie könnten. Sie waren so in Gedanken und in ihre Argumente verstrickt, dass  sie mich nicht bemerkten, als ich mich an die Wand lehnte.

„Schneeleoparden wurden doch erst vor wenigen Jahrhunderten das letzte Mal gesehen. Es ist gut möglich, dass sie sich einfach nur zurück gezogen haben um nicht  mit euch abhängen zu müssen. Ich meine, übelnehmen könnte man es ihnen  nicht." 

Daraufhin lachte Coilin laut auf. „Sagt einer dessen größter Wunsch als Junge wahrscheinlich eine persönliche Fee oder ein  kugeliges Häschen war." Nun brach auch Villain in lautes Gelächter aus.

Ich rührte mich erst, als sich die beiden etwas beruhigt haben. 

„Hey Belle", begrüßte Villain mich mit vor Erheiterung glänzenden Augen. Die sanfte Vertrautheit in seiner Stimme jagte einen warmen Schauer über meinen Rücken. „Was glaubst du, was war mein liebstes Tier als ich ein Kind war?",  fragte er mich und ließ mich dabei nicht aus den Augen. 

„Keine Frage. Es waren mit Sicherheit andalesische Stallions." Ich lächelte und ließ mich in die weichen Polster fallen. Mit einem triumphierendem  Tja-da-hast-du-es-Blick lehnte Villain sich zurück. 

Coilin zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Dann war es eben dein zweitliebster Kindheitswunsch." Villain zuckte mit den Schultern, während die beiden Fae sich angrinsten.

The Lost PrincessOù les histoires vivent. Découvrez maintenant