Kapitel 23

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Für einen Moment zwang ich mich innezuhalten, ruhiger zu werden, nachzudenken. „Ich halte eine Verbindung zu euch beiden aufrecht mit der wir kommunizieren können." Villain und Coilin nickten. Doch Villains gerunzelte Stirn verriet seine Skepsis, ohne dass er sie laut äußern musste.

„Jetzt, wo ich frei bin, kann ich nicht noch einmal tatenlos zusehen. Ich habe zu viel zugelassen, zu viel leid, zu viel Schmerz, zu viel..." Für einen Moment verstrickten sich die Erinnerungen ineinander. „Ihr beide geht kein Risiko ein", forderte ich. Dann verließ ich unsere Deckung und warf einen Verschleierungszauber über mich, der meine Magie verbarg und mich wie jede andere Fae wirken ließ. Ich kontrollierte meinen Herzschlag, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und betrat den Festsaal.

Ich war nicht erstaunt von der aufwendig dekorierte Halle. Säulen aus Marmor waren mit goldenen Ranken versehen, Statuen und Lichter schimmerten heller als die Morgensonne. Goldene Pokale und schimmernde Tabletts auf denen sich allerhand Köstlichkeiten stapelten. Unzählige Fae in ihren funkelnden, freizügigen Gewändern. In ihre Augen schimmerte es golden, einige trugen verschnörkelte Muster auf der Haut oder hatten goldenen Staub in den Haaren.

Ich mischte mich unter die lachenden, lauten Fae und hoffte in ihrer Präsenz unsichtbar zu werden. Die Stimmung war ausgelassen, fröhlicher als ich es je an diesem Hof erlebt hatte. Wie an einem unsichtbaren Faden tastete ich mich behutsam vor und versuchte das ausfindig zu machen, was für die herrschende elektrisierende Spannung verantwortlich war. Wurde aber nicht fündig.

Ich lauschte Gesprächen, ließ mich in männliche Arme ziehen und arbeitete mich dabei immer weiter zum Kopf des Festsaals vor. Die Fae standen hier enger aneinander gedrängt, der Wein lief in Strömen und aus gläsernen Pyramiden floss eine goldgelbe Flüssigkeit. Aus allen Richtung erscholl freudiges Johlen und heiteres Lachen. Ich hatte die Fae an diesem Hof noch nie so gesehen, wie am heutigen Tag. Einige der Bediensteten waren Menschen und auch einige der Fae schienen sich in Begleitung von Menschen zu befinden. Jedoch standen diese so teilnahmslos und mit leerem Blick da, dass sie unmöglich klaren Geistes sein konnten.

Ich erkannte die wahre Natur der Fae die hier anwesend waren, es war so offensichtlich, dass ich mich fragte, wie es mir je hatte entgehen können. Ihre Schönheit war so gegenwärtig, dass sie alles andere zu überstrahlen drohte. Doch ich sah den Machthunger in ihren Augen. Die Langeweile in ihren Zügen, die nach einem blutrünstigen Ereignis trachtete. Die Gier nach Abwechslung, Aufregung und Anerkennung. Ein kühler Schauer rann meinen Körper hinab als mir klar wurde, dass die Menschen mit vielen ihrer Ängsten und Vorurteile gegenüber Fae richtig lagen.

Ich tastete nach der Verbindung zu Coilin und Villain, die sich nah beim Eingang befanden. Inzwischen hatte ich die Hälfte des Saals durchquert. Er erschien mir schon immer endlos lang, aber heute schienen die mit Gold bestückten Wände und die bemalte Decke kein Ende zu nehmen. Die Lichter, die überall an der Decke schimmerten waren zu prächtigen Kronleuchtern geformt. Das dämmrige Licht in den Schatten von hohen Säulen oder einer Statur wog die feiernden Fae in Sicherheit. Sie fühlten sich unbeobachtet, frei ihre Leichtsinnigkeit auszuleben, ihren Vorlieben nachzugeben.

Der Großteil der Gespräche, die ich aufschnappte bestand aus höfischem Geplänkel und anzüglichem Gerede. Doch je näher ich dem Thron kam, desto waghalsiger wurden die Gesprächsthemen. Ich hörte meinen Namen, Spekulationen über das, was heute Nacht geschehen würde und Gerüchte, bei denen ich nur noch die flicht ergreifen wollte.

Es wurde zunehmend schwerer sich einen Weg durch die feiernden Fae zu bahnen und erst als ich vorne angekommen war, verstand ich, wieso. Direkt vor dem Thron, zu den Füßen des Königs stand ein Käfig.

Ich sandte Villain und Coilin ein Bild, während ich darum kämpfte den aufsteigenden Ekel zu unterdrücken. Ich mied den direkten Blick auf den Thron und hielt den Kopf gesenkt. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, wie der König in einem prächtigen Umhang aus weißem Wolfsfell zufrieden auf sein Volk blickte. Sein Gesicht enthielt wie immer eine Spur von Wut, von unterdrücktem Zorn und Ungeduld. Auch jetzt sah man ihm an, dass er nur auf seinen großen Auftritt wartete.

Mir wurde erst in diesem Moment klar, wie angsteinflößend er wirklich war. Was für ein Monster. Ich wusste es, ich hatte es die ganze Zeit gewusst. Doch die Tragweite des Ganzen haute mich dennoch um. Jetzt, wo ich mit klarer Sicht alles sah, was er mir angetan hatte.

Er strahlte Macht aus, sie war nicht greifbar, man spürte sie mehr als das man sie sah. Eine düstere Aura und die schwarzen Runen auf seinen Armen, die unheilverkündend funkelten. Für einen winzigen Moment zweifelte ich und musste all meine Kraft dazu aufwenden, um dem Impuls zurückzuweichen, nicht nachzugeben.

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt