Kapitel 17

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Villain

Drei kojotenähnliche Wesen schlichen lauernd auf Arabella zu. Sie  hatte ihr Schwert nicht gezückt, sondern beobachtet die drei bloß. Laut  fauchend näherten sie sich Arabella und bestärkten mich in dem Verdacht,  dass das keine normalen Kojoten waren. Coilin war im Begriff  einzugreifen, doch ich hielt ihn mit einem stummen Kopfschütteln zurück.  Arabella visierte die drei Kojoten an und ihr Gesicht, an dessen bloßen  Anblick ich mich immer noch nicht gewöhnt hatte, wurde zu einer starren  Maske. Ihre Wangen schimmerten wegen der Kälte in einem kühlen Rosa und  in den goldenen Sprenkeln ihren dunkelblauen Augen spiegelte sich der  funkelnde Schnee. 

Als das erste Tier zum Sprung ansetzte und der  Ring um Arabellas Iris dunkler wurde, landete es einen Augenblick  später in einem der Sträucher am Rand der Lichtung. Das Knurren der  anderen beide wurde lauter, bedrohlicher und sie wagen sich in  schlängelnden Bewegungen näher an Arabella ran. Ich hegte nicht eine  Sekunde Zweifel daran, ob sie der Situation gewachsen war. Ein Blinzeln  später waren beide Kojoten spurlos verschwunden, nur ihre  Pfotenabdrücke, die an der Stelle endeten, an der sie eben noch  gestanden hatten, zeugten von ihrer Existenz. 

Ein merkwürdiges Fiepen lenkte meine Aufmerksamkeit auf das kleine Bündel dem Arabella sich jetzt zuwandte. 

„Nicht  anfassen!" Coilin war auf die Lichtung gesprungen, noch bevor ich  reagieren konnte. „Das ist ein Eisbär Junges, die Eltern sind sehr  besitzergreifend."

„Ich sehe, dass das ein Eisbär Junges ist,  Coilin", antwortete sie mit einem Hauch Belustigung in der klaren  Stimme. Coilin drehte sich überrascht über ihre lockere Antwort grinsend  zu mir um. Ich nickte erstaunt und blieb wie Coilin und Arabella in  gebührendem Abstand zu dem Jungen stehen. Der Kleine beobachtete uns  drei mit großen Augen und schräg gelegtem Kopf.  

„Unseren  Legenden nach waren manche von den Eisbären, die hier leben mal Fae mit  der Fähigkeit sich verwandeln zu können. Es heißt einige haben sich dazu  entschieden ihre Tiergestalt dauerhaft anzunehmen und damit ihre  magischen Fähigkeiten und ihr Fae Dasein für immer verloren." Arabella  lauschte Coilin aufmerksam.

„Wann soll das gewesen sein?", fragte  Arabella, hielt den Blick dabei weiter auf das junge Raubtier gerichtet,  dass sie im Gegenzug aus seinen schwarzen Knopfaugen genauso intensiv  zu mustern schien. 

„Vor über tausend Jahren. Das Reich der Fae  war noch vollständig vereint. Der Norden war damals nur spärlich  besiedelt und meistens von denen, die sonst nirgendwo eine Heimat  gefunden haben. Der Norden galt als Zufluchtsort." Coilin war in die  Erinnerung an die Erzählungen seines Vaters vertieft, während ich den  Blick nicht von Arabella abwenden konnte. 

„Was hast du vor?" Sie tat mir nicht den Gefallen meine Frage zu erwidern. 

„Wer  von euch kann die Sprache der Tiere verstehen?", fragte sie  stattdessen. „Im Unterricht hieß es immer fast jeder mächtige Fae könne  mit Tieren kommunizieren. Aber ich glaube nicht, dass ich schon einmal  jemanden mit dieser Fähigkeit getroffen habe. Oder er hat es mir nicht  erzählt." Sie warf mir einen kurzen Seitenblick zu. Aus einem spontanen  Impuls heraus, grinste ich sie achselzuckend an. Daraufhin verdrehte sie  die Augen und ich schmunzelte über diese dramatische Geste, die so gar  nicht zu ihrem üblichen Verhalten passte.

„Wo sind deine Eltern?"  Coilin blieb stehen, wo er war und ging in die Hocke. „Zeigst du es  mir?", versuchte er es nach einem Moment der Stille nochmal. Mit einer  ratlosen Geste erhob er sich wieder. „Scheint nicht zu funktionieren.  Ich habe es ewig nicht mehr gemacht. Vielleicht habe ich diese Fähigkeit  wieder verloren oder ich habe sie mir als Kind nur eingebildet."

Wieder  bemerkte ich einen Hauch Belustigung in ihren Zügen. Dann wurden sie  wieder wachsam und kontrolliert. „Coilin, sind die Eisbären hier in der  Gegend eher Einzelgänger oder leben sie in Gruppen zusammen?" 

„Normalerweise  sind sie Einzelgänger. Nur außerhalb der Paarungszeit und wenn kein  Nahrungsmittelmangel herrscht, schließen sie sich zeitweise zusammen."  Coilin ließ den Kleinen nicht aus den Augen.

„Gut zu wissen. Ohne  in Panik zu verfallen, schaut doch mal nach rechts." Alarmiert fuhren  wir herum. „Ging es noch auffälliger?", zischte Arabella wütend, während  Coilins Augen groß wurden, als er die Eisbären zählte, die aus dem  Unterholz hervor kamen. „Rückzug, Jungs." Arabella stieß mich unsanft  an, als ich keine Andeutungen machte mich zu bewegen. Wir entfernten uns  von dem Jungen, während die großen Eisbären sich auf die Hinterbeine  stellten und somit eine beachtliche Größe annahmen. Sie waren deutlich  größer als hochgewachsenen Fae. Und jeder von ihnen hatte uns anvisiert.  

„Einfach weiter gehen", murmelte Arabella. Wir hatten den Rand  der Lichtung erreicht und die Eisbären in wenigen Schritte ihr Junges.  Selbst dieses verfolgte uns noch immer mit den Augen. 

Den Rest des Weges hatten wir rennend zurückgelegt. Wieder in der Hütte angekommen, wurde die Tür als erstes fest verriegelt. 

„Wieso  hast du uns nicht einfach von dort weggebracht?", fragte ich, während  wir uns die Mänteln auszogen. Kurz bildete ich mir ein Arabellas  Mundwinkel zucken zu sehen, doch als ich mich ihr vollständig zuwandte,  trug sie denselben unbewegten Ausdruck wie immer.

„Ich wollte euch  keine Angst machen, aber meine Magie hat nicht mehr funktioniert,  sobald die Eisbären in unserer Nähe waren." Sie zuckte mit den Schultern  und machte es sich auf einem der breiten Sofas gemütlich. 

„Du  hast es also versucht?", hakte ich ungläubig nach. Sie nickte ohne mich  anzusehen. Coilin hantierte mit den Kesseln herum und kam kurz darauf  mit drei dampfenden Tassen wieder. 

„Ich habe noch nie von  derartigen magischen Blockaden gehört", sagte Coilin. „Ich finde wir  drei sollten uns endlich mal vernünftig unterhalten." 

Ich  stimmte ihm zu, während ich bemerkte, dass Arabellas Finger zitterten,  als sie die mit Tee gefüllte Tasse von Coilin annahm. „Wir haben dich in  den letzten Tagen weder etwas essen, noch etwas trinken gesehen." 

Mit  einem schwungvollen Ruck stellte Arabella die Tasse ab, wobei ein Teil  des heißen Wassers über ihre Finger lief. Sie verschränkte die Hände in  ihrem Schoß und setzte sich aufrecht hin. Mir kam der Gedanken, dass sie  sich wie ein ruheloser Soldat benahm, der kurz vor einer Schlacht  stand. Und in einer gewissen Weise stimmte das ja auch.

Sie atmete  tief ein und aus. „Einverstanden. Lasst uns reden." Coilin nahm ihr  gegenüber auf dem Sofa Platz. Ich entzündete ein Feuer im Kamin und  setzte mich auf den dunkelgrünen Sessel.. 

Schweigen legte sich über uns. Bis Arabella sich räusperte. 

„Na  gut. Ich fange an" Ihre Stimme war so unsicher, wie ich sie noch nie  gehört hatte und ein Teil von mir drängte mich dazu sie beruhigen zu  wollen. Aber erst musste ich wissen, was genau passiert war. Mit meinen  Männern. Mit ihr. Wie hatte sie es geschafft den Bann zu lösen?

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1. Kapitel der Lesenacht ❤️

The Lost PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt