Schüler und Meister

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Aaros - Erschöpfung machte sich in meinem Körper breit. Ich hatte die letzten Nächte nur wenig geschlafen und dies schien nun meine Strafe für die schändliche Behandlung zu sein. Ich sah den Professor an, der fröhlich summend über einer Apparatur hing. Wie konnte der alte Mann noch so frisch sein?
Unsere Zeit war fast abgelaufen, morgen sollte Krocket getötet werden.
Bedächtig mischte ich die Tinktur, so wie Asmov es mir aufgetragen hatte. Ich war mir nicht ganz sicher, was genau sich alles in der klebrigen Masse befand, aber gemahlene Knochen und Zähne waren ein Bestandteil davon.
„Ist das fertig?“, ich erschrak als Asmov plötzlich neben mir auftauchte.
„Ehm...“, stammelte ich. „Fast.“
Er schnaubte. „Schneller, schneller. Sonst wird es schlecht.“
„Jawohl“, sagte ich und widmete mich wieder der Tinktur. Ich konnte den prüfenden Blick des Professors spüren, der mir mit wachem Auge über die Schulter sah.
„Weißt du, der kleine Marius hat genauso angefangen wie du. Neugierig, idealistisch, strebsam. Dann ist er gegangen und Offizier geworden. Als er wiederkam, war er verändert. Neurotisch, fantasielos, nichts war mehr gut genug für ihn. Sie haben ihn verdorben, ich konnte ihn nicht mehr benutzen. Nicht, dass er mich gelassen hätte. Er glaubt, das Geheimnis des Lebens ergründet zu haben, der dumme Bengel.“
„Das Geheimnis des Lebens?“, fragte ich. Spielten die Alchemisten denn nicht schon längst mit dem Leben?
Asmovs Mundwinkel zuckten. „Das Geheimnis menschlichen Lebens.“
Mir stockte der Atem. „Sie meinen Homunkuli?“
„Shhhh“, machte er und legte mir den Finger auf die Lippen. „Sag dieses Wort nicht zu laut, jemand könnte dich hören.“
Ich senkte meine Stimme. „Ich dachte, kein Mann sollte je einen Homunkulus erschaffen. Es geht gegen Gott.“
„Vieles geht gegen Gott, Junge.“
„Sie selbst haben gesagt, dass die Kreation von menschlichem Leben uns über ihn erheben würde.“
„Ja, das habe ich. Und ich stehe dazu. Und ich bin auch immer noch der Meinung, dass wir diese Macht nicht kontrollieren könnten.“
„Aber...“, ich hielt inne. „Die Carcanische Armee arbeitet daran, künstliche Menschen zu erschaffen?“
Asmovs Lachen war hohl und kalt. „Nein, nein! Das würden die sich nie trauen! Viel zu gottesfürchtig, dieses Pack! Aber Hauser... Hauser hat keine Angst. Siehst du, er hält sich bereits für einen Gott.“
Ich hatte zwar nicht allzu viel Zeit mit dem jungen Leutnant verbracht, aber bisher hatte ich die manische Seite, die Asmov beschrieb noch nicht an ihm gesehen. Übertrieb der alte Mann? War er als erfahrener Wissenschaftler einfach neidisch, dass sie dem Emporkömmling Hauser die Verantwortung für die Grotte übertragen hatten und projizierte nun etwas in den Mann, das vollkommen an den Haaren herbeigezogen war? Immerhin galt Asmov als verrückt. Und ich konnte bestätigen, dass er sich bisher weitaus seltsamer verhalten hatte als Marius Hauser.
„Warum sagen Sie das?“, hakte ich dennoch weiter nach.
„Weil ich ihn kenne natürlich“, der alte Mann beugte sich vor. „Ich habe die Hässlichkeit in ihm gesehen.“
„Also... ich finde ihn respektabel“, sagte ich diplomatisch. Selbst vor einer Koryphäe der Wissenschaft konnte ich nicht schlecht über einen Vorgesetzten sprechen, wenn uns jemand belauschte, war ich in großen Schwierigkeiten.
Asmov musterte mich und drehte sich dann enttäuscht weg. „Du bist wohl noch nicht bereit...“
Es schmerzte mich, seine Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Dennoch wollte ich dieses Thema nicht diskutieren. Nicht jetzt. Ich vollendete die Tinktur und reichte sie Asmov. Seine Miene hellte sich sichtlich auf als er das Schälchen in den Händen hielt und all die Vorbehalte mir gegenüber schienen bereits vergessen. „Ja! Ja! Meisterhaft!“, freute er sich wie ein kleines Kind.
Er kippte die Tinktur in einen großen Kolben, in dem bereits eine dunkle Flüssigkeit vor sich hin blubberte. Es zischte und schäumte und wäre beinahe übergelaufen, hätte Asmov nicht rasch einen Deckel auf die Öffnung gelegt.
„Was zur Hölle ist das?“
„Ein echtes Teufelszeug“, der Professor starrte gebannt auf sein Machwerk.
„Ist das für Krocket?“
„Für wen?“
„Für den Spinnhund, den wir vor dem Tod bewahren wollen.“
„Ah!“, krächzte er. „Ah! Ja! Ja! Bring das Biest doch bitte her. Damit wir ihm den Kopf aufreißen können.“
„Was?“, war das wieder einer seiner kranken Scherze?
Doch Asmovs Ausdruck blieb ernst. „Du willst im Hirn des Wesens rumpfuschen und scheust davor zurück, seine Schädeldecke zu öffnen? Junge, du musst dein Herz schwärzen, wenn du als Alchemist eine Zukunft haben willst.“
Seltsamerweise schmeichelten mir seine Worte. Wenn einer der brillantesten Alchemisten der Welt der Meinung war, dass man selbst auch zu dieser Zunft gehören könnte, machte es einem doch Hoffnung. Hoffe nicht zu viel, Aaros Batista. Du hast die Oberschule abgebrochen, um zur Armee zugehen, erinnerst du dich? Wie willst du ohne Abschluss studieren?
Doch dies war ein anderes Problem für eine andere Zeit. Ich machte mich auf zum Kompaniegebäude. Beim diensthabenden Wachsoldaten informierte ich mich, wo sich Gills Stube befand und klopfte an seiner Tür. Es war schon kurz vor elf und ich hoffte, dass er noch nicht schlief. Meine Befürchtung war unbegründet, der Stabsunteroffizier öffnete sofort, ein Buch in seiner Hand. „Ah“, machte er. „Herr Batista.“
„Asmov glaubt, ein Heilmittel für Krocket zu haben. Ich soll ihn zu ihm bringen, damit er ihm helfen kann“, sagte ich ohne Umschweife.
„Hm“, schnaubte Gill und nahm sich seine Jacke. „Das klingt doch nach einem guten Grund, nochmal die Stube zu verlassen.“
Er warf Die Tränen der ewigen Prinzessin auf sein Bett und folgte mir nach draußen. Wir begaben uns zu den Zwingern und Gill holte den gepolsterten Ganzkörperanzug aus dem Schrank. „Normalerweise würde ich dich das Ding anziehen lassen und mir nicht selbst die Hände schmutzig machen, aber im Anbetracht der Lage...“
In Windeseile hatte er den Anzug angezogen und betrat mit einer Betäubungsspritze in der Hand Krockets Box. Der Spinnhund sprang auf, doch Gill war geübt und es dauerte nur wenige Sekunden, da lag die Chimäre bewusstlos am Boden. Wir holten eine Schubkarre und verluden Krocket, dann schoben wir ihn zur Rampe, die in die Katakomben führte.
„Ich hasse diesen Ort“, murmelte Gill und betrachtete einen Gargoyle, der mit herausgestreckter Zunge böse auf ihn herabblickte.
In den Katakomben herrschte noch reger Betrieb. Die Rastlosen unter den Wissenschaftlern steckten bis zu den Hälsen in Arbeit und schienen es nicht sehr bemerkenswert zu finden, dass wir mit einer Schubkarre durch ihr Labor rollten.
Asmov hatte bereits alles vorbereitet, ein Lächeln huschte über sein Gesicht als er uns erspähte. „Ah, du hast einen Assistenten mitgebracht! Gut, gut! Er sieht stark aus! Kann er einen Schädel spalten?“
„Bitte?“, Gill sah mich entsetzt an.
Ich zuckte mit den Schultern. „Manchmal muss man für den Erfolg Opfer bringen.“
„Vielleicht hätte ich lieber mit Prinzessin Teresa im Bett bleiben sollen“, meinte er und hob den Spinnhund auf den Labortisch. Ich konnte ihn verstehen. Die riesige Knochensäge war auch mir nicht sehr geheuer.

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⏰ Last updated: Dec 22, 2016 ⏰

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Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now