Vorprogrammierter Ärger

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Qen - Wie sich herausstellte, war Ellis Angst vollkommen unbegründet . Der verrückte Professor hatte Aaros kein Messer in die Brust gerammt, sondern ihn lediglich tiefer in sein Laboratorium geführt. Wie er ihn dieser gruseligen Umgebung so ruhig bleiben konnte, erschloss sich mir beim besten Willen nicht. Zwar hielt ich Asmov nicht unbedingt für gefährlich, aber ganz geheuer war der alte Mann mir auch nicht.
Und all diese gruseligen Apparaturen..., ich begutachtete eine seltsame Maschine mit einer Säge und unzähligen Greifarmen. Was zur Hölle macht man damit?
„Also, das ist unser Problem...“, sagte Aaros zu Asmov. „Ich hab mir gedacht, dass wir es vielleicht mit ein bisschen Alchemie beheben können, wenn herkömmliche Therapien nicht funktionieren. Ihm etwas injizieren, wissen Sie?“
„Hmm... Ja... Ja...“, der Professor dachte angestrengt nach. „Ja...“
„Wenn wir seine Zusammensetzung verändern können, so können wir vielleicht auch sein Trauma verschwinden lassen.“
„Clever“, meinte Hauser zu Elli und mir.
„Was meinen Sie?“, wollte sie von ihm wissen. Auch ich konnte ihm nicht so ganz folgen.
„Nun, die Chimären sind alle künstlich geschaffene Wesen. Ihre Zusammensetzung bestimmt ihr Aussehen und ihr Wesen. Wenn man also die Zusammensetzung ändert, so kann man auch ihr Wesen ändern. Ihr Freund will den Spinnhund nicht heilen, er will den Teil von ihm löschen, der traumatisiert ist und ihn so von dieser Last befreien.“
Ich runzelte die Stirn. „Geht das denn?“, in meinen Augen klang das ganze viel zu abenteuerlich.
Man konnte förmlich sehen, wie Hausers Hirn arbeitete. „Theoretisch ist alles möglich. Es ist allerdings eine Sache, eine unfertige Chimäre zu verändern, eine ganz andere jedoch, dies bei einem fertigen Exemplar zu tun. Selbst wenn es gelänge, kann man davon ausgehen, dass die Kreatur kaum mehr die selbe ist, die sie einmal war.“
„Ich hab es doch gesagt...“, murmelte Elli. „Diesem Spinnhund kann man nicht mehr helfen.“
Doch Aaros und Asmov schienen das anders zu sehen. Sie steckten bereits Hals über Kopf in einem Haufen Bücher und tauschten Theorien aus. Angeregt redeten sie in Formeln, Zahlen und Chemikalien und ich verstand kein einziges Wort mehr. Kaum zehn Minuten später brauten sie dann auch schon irgendwelche neonfarbenen Flüssigkeiten in riesigen Kesseln zusammen.
„Ich glaube, hier können wir nichts mehr tun“, meinte der Leutnant und wir nickten.
„Herr Leutnant“, sagte ich als wir uns auf den Rückweg durch die große Höhle machten. „Kann ich Sie etwas fragen?“
Hauser drehte sich zu ihm um. „Aber natürlich.“
„Naja, ich hab mich nur gefragt wie sie die Tiere hier raus bekommen. Ein Panzernashorn passt wohl kaum durch den schmalen Schacht, den wir herunter gekommen sind.“
Er lachte. „Dies wäre in der Tat ein Wunder, das wir nicht vollbringen können. Obwohl eine Schrumpftinktur wirklich keine schlechte Idee wäre. Aber zu Ihrer Frage: Der Weg über den See ist natürlich nicht der einzige Zugang zu den Katakomben. Am anderen Ende haben wir noch eine Rampe, die auch nach oben führt und über die wir die Chimären ganz entspannt verladen können.“
„Das muss aber eine gewaltige Rampe sein“, wandte Elli ein.
„Oh ja. Sie haben die Panzernashörner gesehen, oder? Glauben Sie mir, sie sind bei weitem nicht das Größte, was wir da hoch bekommen haben.“
Wir sollten die Rampe jedoch nicht zu sehen bekommen. Stattdessen ging es für uns den Weg zurück, den wir gekommen waren. Noch einmal wurden wir von der Schönheit des leuchtenden Sees überwältigt, aus dieser Richtung sah er gar noch beeindruckender aus.
„In dem Wasser gibt es kleine Fische“, sagte Hauser wie der beste Fremdenführer. „Wenn Sie die Füße rein halten, knabbern sie Ihnen die Hornhaut ab.“
„Wie praktisch.“
Da er uns nicht anbot, es auszuprobieren und wir auch nicht fragen wollten, stiegen wir langsam wieder die Treppe empor. Zurück an der Oberfläche atmete Elli laut ein und wieder aus.
„Nun denn. Ich würde Ihnen vorschlagen, zu Bett zu gehen. Wenn Professor Asmov erst einmal Gefallen an jemandem gefunden hat, lässt er ihn in der Regel nicht so schnell wieder gehen“, es klang als spreche er aus Erfahrung.
Wir bedankten uns bei ihm für die Hilfe und begaben uns auf den Rückweg.
„Wir wurden eingeladen“, meinte Elli plötzlich aus dem Nichts heraus.
„Was?“
„Von Rayk“, sie warf mir einen vielsagenden Blick zu.
„Aha?“, machte ich, dann: „Oh.“
„Warum hast du mir nicht erzählt, dass er mich besuchen wollte?“
„Ich...“, die Antwort auf diese Fragen wollte gut überlegt sein. „Ich hab's vergessen. Wir hatten so viel um die Ohren, da hab ich einfach nicht mehr dran gedacht.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“ Außerdem kann ich ihn echt nicht leiden, weil er ein ekelhafter Schmierbolzen ist und bestimmt nichts Gutes im Sinn hat.
„Wenn du meinst“, ich konnte nicht sagen, ob sie mir diese Antwort abnahm, jedenfalls ging sie nicht weiter drauf ein. „Er möchte, dass du morgen mit zum Kartenspielen kommst.“
„Morgen?“
„Hast du schon was vor?“
„Nein, nicht wirklich...“, aber am liebsten hätte ich ihn nie wieder gesehen. Andererseits hielt ich es auch für keine gute Idee, Elli mit ihm allein zu lassen. Sicher, sie konnte selbst für sich sorgen, aber ich hatte das Gefühl, dass sie nicht klar urteilen konnte, wenn es um diesen Jungen ging.
„Dann kommst du mit?“
„Ich weiß nicht...“
„Hör zu“, sie sah mich durchdringend an. „Ich glaube, er hat eine Vermutung. Was diese Sache angeht. Meine Sache. Du bist der einzige, dem ich hier vertrauen kann. Du musst mitkommen!“
Ich schluckte. Wenn er wirklich Ellis Geheimnis heraus gefunden hatte und ihr etwas Böses wollte, konnte das für sie übel ausgehen. Ganz sicher waren nicht alle so nachsichtig wie unser ehemaliger Ausbilder. „Na gut. Du kannst auf mich zählen.“
Zum zweiten Mal binnen einer Viertelstunde atmete sie erleichtert auf. „Danke. Das weiß ich zu schätzen.“
„Elli“, sagte ich ernst. „Dieser Kerl bedeutet Ärger. Ich traue ihm keinen Meter.“
„Ist das so?“, ich hätte nicht sagen können, ob sie mir zustimmte. „Bis jetzt hat er auf jeden Fall noch nichts verbrochen.“
„Aber du spürst es doch auch, oder? Du kannst mir nicht sagen, dass du ihm voll und ganz vertraust.“
Sie schwieg einen Augenblick. „Nein, du hast Recht. In einem Moment ist er charmant und nett, im nächsten überheblich und herablassend. Als hätte er zwei Persönlichkeiten oder so. Selbst Klaus hat das erkannt.“
„Klaus?“, fragte ich überrascht.
„Er hat uns beim Kartenspielen gesehen“, Elli zuckte mit den Schultern. „Du bist mein Freund, da ist es nur normal, dass dich mein Wohlergehen interessiert. Er hingegen hatte überhaupt keinen Grund, mich zu warnen.“
„Hm...“, grübelte ich. „Wir werden schon raus finden, was seine wahren Absichten sind.“
„Ja“, meinte Elli. „Aber was wollen wir machen, wenn er wirklich mein Geheimnis kennt?“
Eine berechtigte Frage. Auf die ich beim besten Willen keine Antwort hatte.

Carcan - Die WinterkriegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt