Abschied und Wiederkehr

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Elli - Nach Feldwebel Starks Worten in der Höhle hatte ich nicht erwartet, aus der Armee zu fliegen, aber ich hatte dennoch damit gerechnet, dass irgendwer irgendwelche Andeutungen machen würde. Doch nichts geschah.

Doktor Geisenberger stellte sich als kompetenter und verschwiegener Arzt heraus, der unter seinem weißen Schnauzbart ein schelmisches Lächeln verbarg. „Du erinnerst mich an meine Tochter", gestand er, als wir unter uns waren. „Sie war genauso ein Wildfang."

Er war wirklich nett und ich mochte ihn augenblicklich.

„Wenn du, Gott bewahre, wieder ein Leiden hast, kannst du mich gerne jederzeit aufsuchen."

Ich versprach es ihm und er entließ mich aus seiner Obhut. Ein warmes Krankenbett und eine heiße Suppe hatten meine Unterkühlung erfolgreich bekämpft, auch mein Fieber war schnell runter gegangen. Meine Kopfwunde war weniger schlimm, als der Blutverlust hätte vermuten lassen. Zwar tat mir immer noch der ganze Körper weh, doch ich hatte nicht vor, ewig in dem Lazarett zu verweilen.

Qen holte mich ab und bestand darauf, mich bei der Rückkehr zu unserer Stube zu stützen. „Das ist doch nicht nötig", ich verdrehte die Augen.

„Wenn man zu früh nachlässig wird, verfolgen einen solche Sachen noch eine halbe Ewigkeit."

„Aha", murmelte ich nur und ließ es geschehen. Er war mir gegenüber ein regelrechter Kavalier und das beunruhigte mich.

Was mich jedoch mehr beunruhigte, war Aaros' Zustand. Zwar hatten wir ihn zwei Tage nach unserer Rückkehr dazu bewogen können, etwas zu essen und zu trinken, doch die meiste Zeit starrte er noch immer stumm an die Wand oder die Decke. Ich überlegte, ob ich ihn auch einmal kräftig durchschütteln sollte, wie Qen es getan hatte, entschied mich aber dagegen. Das war nun wirklich nicht mein Stil.

Also blieb mir nichts übrig als zu warten und zu hoffen, dass er sich irgendwann wieder fing. Es ist Aaros, sagte ich mir. Es ist nicht mehr so schwach wie vor drei Monaten, er schafft das.

Als ich schon fast vergessen hatte, dass wir uns ursprünglich mal auf einem Abschlussmarsch befunden hatten, trudelten auch die anderen Trupps ein. Mir graulte es ein bisschen vor Klaus und seinen Leuten, die die Kaserne als erstes erreicht hatten, doch als ich ihm auf dem Gang begegnete, war überaus nett und erkundigte sich nach meinem Befinden.

„Mir geht es gut", sagte ich stumpf. Wir waren schon lange keine Feinde mehr, aber als Freunde hätte ich uns auch nicht bezeichnet.

„Bist du sicher?", er musterte mich. „Du siehst zerstört aus."

Na, herzlichen Dank. „Alles in Ordnung", ich rang mir ein Lächeln ab.

Wir schwiegen.

„Es tut mir Leid um Rito", sagte er nach einer Weile zögerlich. „Nicht nur mir. Uns allen."

„Ja", ich senkte den Kopf. „Danke."

Da uns die Themen ausgegangen waren, nickten wir einander zu und gingen dann wieder unserer Wege.

Der Tag von Ritos Begräbnis kam. Ich fürchtete, es würde die Erinnerungen an jene Nacht erneut in mir entflammen, doch ich war erstaunlich ruhig als wir ihn zu Grabe trugen. Fast als habe ich es schon überwunden.

Erst als ich mich zwang, ein wenig mehr zu fühlen, kamen ein paar Tränen. Doch sie waren nicht echt und ich schämte mich dafür.

Unsere Grundausbildung war nun fast vorbei. Eine letzte Woche blieb uns und die war mit organisatorischen Zeiten vollgestopft. Wir erfuhren, wohin es uns nun verschlug. Etwa die Hälfte von uns sollte in andere Dienststellen versetzt werden, die Hälfte blieb in Werrich. Qen, Aaros und ich waren unter denjenigen, die blieben. Wir sollten alle in die 3. Kompanie versetzt werden, die sich den Kriegsbestien verschrieben hatte. Mir graute es einerseits vor dem Gedanken, mit diesen Monstern weiter zu tun zu haben, andererseits war ich neugierig, welche Kreaturen sie dort züchteten und ausbildeten. Auch freute ich mich, nicht von meinen Freunden getrennt zu werden.

Carcan - Die WinterkriegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt