Panorama

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Elli - Trupp für Trupp wurden wir am Straßenrand ausgesetzt.

Die Kompanie hatte sich extra einen Lastkraftwagen besorgt, um alle Rekruten möglichst weit von der Kaserne entfernt rauszuschmeißen. Zusammen mit zwanzig Jungs und deren kompletten Marschausrüstungen kauerte ich hinten auf der Ladefläche, während wir über die holprigen Landstraßen bretterten.

Mädchen riechen besser, stellte ich zum wiederholten Male fest. Ob ich auch so müffel wie die?

Es war mir inzwischen fast unmöglich, mich in der Woche zum Waschen raus zu schleichen und dass noch niemandem mein seltsames Waschverhalten aufgefallen war, war allein der Tatsache geschuldet, dass wir einfach viel zu viel um die Ohren hatten, um auf solche Dinge zu achten.

Aber bald sollte es leichter werden. Wenn ich nach der Grundausbildung erst einmal in einer richtigen Einheit war, hatte ich viel mehr Freiraum und Selbstkontrolle und mein Versteckspiel würde sich erheblich erleichtern. Also nicht schlappmachen, Elmar!

Der Laster hielt und die Plane wurde kurz angehoben. Obergefreiter Erich streckte den Kopf rein. „Der Trupp Gerlach steigt jetzt aus."

Klaus und sein Tross kamen auf die Beine und schoben sich durch die Menschenmasse.

„Macht's gut, Leute!", sagte er zu uns. „Mal sehen, wer von uns zuerst ankommt! Wenn ihr es denn überhaupt schafft!"

Er lachte laut auf und Sanguin und Tobias stimmten mit ein. Fitz verdrehte die Augen. „Dass er es aber auch immer übertreiben muss", murmelte er und sprang von der Ladefläche.

„Viel Glück euch!", wünschte Rito ihnen noch, bevor Erich uns wieder die Sicht nach draußen versperrte.

Nach ein paar Minuten tuckerten wir weiter. Nach und nach wurden auch die anderen Trupps losgeschickt bis schließlich nur noch wir am Ende übrig blieben. Als der Obergefreite uns dann nach draußen entließ, war es schon mittags und die Sonne stand hoch am Himmel. Der helle Schnee brannte in den Augen und ich musste sie zukneifen um sie wieder ans Licht zu gewöhnen.

„Nun, da wären wir. Wo genau wir sind, müssen Sie natürlich noch herausfinden, aber dafür haben Sie ja Ihre Karte und Ihren Kompass. Seien Sie achtsam. Die letzten Tage ist es bedeutend wärmer geworden, die Schneeschmelze steht schon vor der Tür."

„Stimmt", fiel mir auf. Der Winter war fast vorbei, bald war es Zeit für den Frühling mit all seiner blumigen Pracht. „Wir werden aufpassen."

„Sehr gut. Wenn doch etwas passiert, feuern Sie einfach die Signalpistole ab, dann kommen wir Sie suchen."

Ich fasste an das Holster mit der Pistole, das an meinem Gürtel befestigt war. Hoffentlich brauchen wir die nicht.

„Ab jetzt haben Sie genau zweiundsiebzig Stunden, um zur Kaserne zurückzukehren und sich bei uns in der Kompanie zu melden. Viel Glück."

Erich kletterte wieder in den Lastkraftwagen und schmiss den Motor an. Dann verschwand er hinter der nächsten Kuppe und wir waren alleine in der Wildnis. Ich inspizierte die Umgebung. Wir standen auf einer schneebedeckten Ebene, die von Bäumen umgeben war, so dass man nicht besonders weit gucken konnte. Einzig ein paar kleinere Bergkuppen stachen hinter den Baumwipfeln hervor.

„Uuuah!", rief Rito begeistert. „Das ist also das Hestermassiv!"

Ich musste unfreiwillig lachen. „Wohl kaum. Das sind bloß die Ausläufer davon. Das Hestermassiv ist viel höher."

Meine drei Kameraden sahen mich ungläubig an. Ich hatte ganz vergessen, dass sie alle aus den südlicheren Gefilden von Carcan stammten, die zwar auch teilweise bergig waren, aber nicht so sehr wie der Norden. Natürlich waren sie von dem Bisschen schon beeindruckt.

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now