Eine undankbare Aufgabe

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Elli - Zum Glück war der Weg zur Kleiderkammer nicht allzu weit. Sie befand sich noch in der Kaserne und glich mehr einem großen Lagerhaus als einem der anderen Backsteinbauten. Wir kamen wieder an den Käfigen vorbei, in denen die Kriegsbestien gehalten wurden. Ihr Geschrei war ohrenbetäubend und ich fragte mich, was es wohl für Kreaturen waren, die man dort auf engstem Raum einpferchten? Ich hatte schon gehört, dass sie die seltsamsten und grausamsten Wesen mit Alchemie erschaffen konnten und es ungeheuer schwer war, sie zu zähmen.

Plötzlich wackelte der Käfig bedrohlich und etwas knallte gegen das Gitter. Ich erblickte einen Rüssel und... Flügel? Dann war das Monster wieder verschwunden. Das musst du dir eingebildet haben, sagte ich mir. Ein Elefantenvogel? Das ist zu bizarr. Ich wandte mich an meine Kameraden, doch die schienen nichts bemerkt zu haben.

„Rekrut! Augen geradeaus!", brüllte der Feldwebel und meine Kriegsbestienstudie war vorerst beendet.

Wir erreichten die Kleiderkammer alle in einem relativ guten Gesundheitszustand. Auch Aaros wirkte relativ fit dafür, dass er gestern Abend an seinem Limit gewesen war.

„Stellt euch in alphabetischer Reihenfolge auf!", befahl unser Führer und wir taten wie geheißen. Aaros landete ganz vorne, Rito direkt hinter ihm gefolgt von Klaus, unserem neuen besten Freund. Qen war ganz hinten und ich nur zwei Plätze weiter vorne. Eigentlich hatte ich nicht allzu viel für seine Einsamer-Wolf-Mentalität übrig, aber nachdem er sich vorhin für uns eingesetzt hatte, war er im Ansehen bei mir gestiegen. Keine Ahnung, was ich gemacht hätte, wäre er nicht dazwischen gegangen. Ich hatte am eigenen Leib erfahren müssen, dass Klaus mir bei Weitem überlegen war und wie mein Stubenkamerad angedeutet hatte, hätte er mich in einem richtigen Kampf zerquetscht wie eine Wanze. Das ist dieser verdammte Mädchenkörper..., sinnierte ich. Wenn ich ein echter Kerl wäre, dann hätte ich mehr Kraft.

Doch es brachte nichts, sich darüber zu beklagen. Ich musste einfach stärker werden, dann brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.

Jemand schubste mich von hinten. Ich blickte auf und genau in die Augen von dem Jungen, der Klaus vorhin zurückgehalten hatte. Ich glaubte, sein Name war Fitz Schwartz. „Es geht weiter", er deutete auf die Schlange.

„Oh", sagte ich. „Ich war in Gedanken."

„Hab ich gemerkt", er deutete auf mein Auge. „Tut es noch weh?"

Ich tastete den dicken blauen Fleck ab und zuckte zusammen. „Nein, kein bisschen."

„Du bist ein schlechter Lügner", er grinste. „Ich bin Fitz. Tut mir Leid, dass wir uns vorhin so daneben benommen haben. Besonders Klaus. Er kann manchmal etwas aufbrausend sein und will sich immer beweisen, doch eigentlich ist er ein guter Kerl."

Das nahm ich ihm kaum ab.

„Naja", korrigierte sich Fitz. „Zumindest ist er ganz okay."

Fitz war nicht so stämmig wie sein Kumpel, doch noch immer kräftiger als die meisten anderen Jungen hier. Er trug sein rotes Haar raspelkurz und ließ sich einen überraschend fülligen Bart stehen.

Ich fing Qens Blick auf, der sagte: „Wie kannst du dich nur mit dem Feind einlassen?"

Im Gegenzug streckte ich ihm die Zunge raus und schloss die Lücke zwischen mir und meinem Vordermann.

Wir empfingen jeder zwei steingraue Uniformen für den Tagesdienst, ein Koppelsystem mit Munitions- und Mehrzwecktaschen, ein paar Stiefel, einen Tornister mit Schlafsack, Zeltplane, Essgeschirr und Regenponcho, sowie die typische Carcanische Pickelhaube mit den beiden goldenen Zwillingslöwen. Ein Mann nahm noch unsere Maße für die Paradeuniform. Für einen Moment sah ich schon das Ende meiner Soldatenkarriere vor mir, doch er legte nur desinteressiert das Maßband um meine Brust, meine Taille und meine Hüfte, stellte noch fest, dass ich einen Meter achtundsiebzig groß war und scheuchte mich dann wieder weg. Erleichtert atmete ich auf.

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now