Das Spiel der Offiziere

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Aaros - Mein alter Freund war zurück. Seine gelben Augen blitzten aufmerksam und seine Schnurrhaare zuckten. Er hockte auf einem Felsen und musterte mich von oben herab.

„Was willst du von mir?", fragte ich den Löwen, der natürlich nicht antwortete. „Warum verfolgst du mich?"

Wir befanden uns in den Bergen und es war tief im Winter. Der Wind heulte laut und trug meine Worte weit hinaus in die Welt. Meine Haare wehten wild und ich hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Mein Freund hingegen war kein bisschen beeindruckt von dem stürmischen Wetter.

„Wenn du mir nur sagen würdest, was du von mir willst...", es war ein leises Flehen. Als ich dem Löwen in jener verhängnisvollen Nacht zum ersten Mal begegnet war, verfolgte er mich. Es musste etwas bedeuten, dessen war ich mir inzwischen sicher, doch ich verstand seine Sprache nicht. Die Sprache des stummen Starrens. Noch ein paar Sekunden, dann dreht er sich wieder um und geht, prophezeite ich. Inzwischen war mir dieses Prozedere nur allzu gut bekannt.

„Hör zu, ich verstehe deine subtilen Andeutungen nicht. Mach irgendwas! Mal mit deiner Kralle in den Schnee oder so. Gib mir nur ein Zeichen!"

Aber es kam, wie es kommen musste. Der Löwe erhob sich mit enttäuschtem Blick, wandte sich von mir ab und verschwand in den Schatten. Wie immer konnte ich ihm nicht folgen.

Der Schnee war verschwunden, der Wind auch. Ich lag auf meiner Pritsche, auf meinem Bauch ruhte Chimären und Homunkuli. Es war dunkel draußen, kurz nach Mitternacht, wie meine Uhr anzeigte. Ich legte das Buch beiseite und setzte mich auf. Bildete ich es mir nur ein, oder wurden diese Träume immer realer? Nein, das konnte nicht sein. Vielleicht hatten sie Bedeutung, doch es waren noch immer bloß Träume.

Ich brauche einen Schluck Wasser, beschloss ich. Schlaftrunken griff ich unter mein Bett, wo ich immer eine Flasche aufbewahrte. Gierig gönnte ich mir die Erfrischung und benässte anschließend noch mein Gesicht. Als ich die Flasche wegstellen wollte, bemerkte ich, dass Elmars Bett leer war. Zunächst nahm ich einfach an, dass er zur Toilette gegangen war, doch dann sah ich, dass sein Bettzeug unberührt war. Ganz bestimmt hatte niemand dort geschlafen.

„Seltsam", murmelte ich.

Ich schlüpfte in meine Stiefel und zog einen Wollpullover über, dann verließ ich unsere Stube. Auf dem Gang war es stockfinster, doch nach zahlreichen Nachtalarmen konnte ich mich inzwischen auch im Dunkeln hier gut zurechtfinden. Ich orientiere mich an der Wand entlang Richtung Treppe, als ich einen Lichtschein sah, der unter einem Türspalt hindurch drang. Ich lauschte. Ja, das waren Stimmen.

„Okay, okay! Noch eine Runde!", das war Fitz Schwarz aus unserer Gruppe.

„Du wirst sowieso wieder verlieren", ein tiefes Lachen. Klaus!

Ich zögerte nicht lange und klopfte an der Tür. Ihr Gemurmel verstummte augenblicklich. „Herein", sagte Klaus schließlich.

Ich öffnete die Tür und wurde von dichtem Rauch begrüßt. Auf der Stube verteilt waren zahlreiche Bier- und Schnapsflaschen, Spielkarten lagen verstreut auf dem Boden und inmitten des Chaos befanden sich Klaus und seine Freunde. Eine tragbare Öllampe flimmerte in der Ecke.

„Hey", ich hob zögerlich die Hand.

„Aaros", bemerkte Fitz. „Was treibt dich hierher?"

„Ich, ähm... Ich hab Licht gesehen."

„Und?", fragte Klaus genervt.

„Naja...", eigentlich eine gute Frage. Wieso hatte ich überhaupt geklopft?

„Kein Grund, zickig zu werden!", Fitz klopfte Klaus lachend auf die Schulter. Der ehemalige Tyrann ließ es grummelnd über sich ergehen. „Wir feiern nur eine kleine Abschiedsfete, wo es uns danach doch in alle Winde verstreut."

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now