Freunde und Kameraden

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Qen - Ich empfing mein Laken, eine raue Wolldecke, zwei Handtücher und ein labbriges Kissen und kämpfte mich vor zum Schwarzen Brett, um die Stubenbelegung einzusehen. So wie es aussah, waren drei andere Jungen mit mir auf einem Zimmer. Die Namen sagten mir nichts, doch ich hatte bisher auch mit kaum jemandem gesprochen. Ich erklomm die Stufen in den ersten Stock und stieß die Tür zu meiner Stube auf. Als ich sah, wer dort auf mich wartete, hätte ich sie am liebsten sofort wieder zugeknallt: Der Bibliothekar und der Märchenprinz waren gerade dabei ihre Betten zu beziehen und natürlich wieder am Quatschen. Können die denn gar nicht ihre Klappe halten?

„Oh", sagte der Bibliothekar als er mich erblickte. „Da ist unser dritter Stubengenosse!"

Auch der Märchenprinz wandte sich mir zu und grinste breit. „Hey!"

„Hi...", antwortete ich zögerlich.

„Ich bin Aaros, das da ist Elmar", sagte der Bibliothekar und schüttelte meine Hand. Er war etwa so groß wie ich, wog aber bestimmt die Hälfte. Ich hätte ihn mit einem Arm hochheben können. Wenn ich mich recht erinnerte, war er als einer der letzten durch das Tor gestolpert. Was für ein Schwächling. Auch seinen Freund erkannte ich wieder. Wer könnte so ein Gesicht schon vergessen? Er war auch nicht pünktlich gewesen, doch ich konnte mich noch entsinnen, dass er zwei andere Kerle auf seinem Rücken hatte als er vor uns kollabiert war. Immerhin einer, der nicht bei der geringsten Anstrengung schon abnippelte.

Auf der schmalen Stube standen zwei Etagenbetten. Da Elmar und Aaros sich schon die beiden unteren Etagen gekrallt hatten, warf ich mein Zeug auf die Matratze über dem Märchenprinzen. „Wenn's reicht ist?"

Elmars Lächeln schwand und sein Blick verengte sich. „Klar... Kamerad."

„Mein Name ist Qen", teilte ich ihm mit. Ich starrte ihm direkt in die tiefblauen Augen und er starrte zurück.

„Leute...", mischte sich Aaros ein. „Benehmt euch."

Ich hatte nicht vor, mit irgendjemandem hier Streit anzufangen, also kletterte ich die Leiter hoch und beschäftigte mich mit meinem Bettlaken. So peinlich es auch klang, bisher hatte sich meine Mutter immer um solche Dinge gekümmert. Meine Mutter..., dachte ich wehmütig. Ob es ihr wohl gut geht so ganz allein? Sie macht sich bestimmt furchtbare Sorgen. Morgen muss ich mich erkundigen, ob ich hier Briefe losschicken kann.

„Wenn du willst, kann ich dir helfen", bot der Märchenprinz an, der mit seinem eigenen Bett bereits fertig war.

„Ich brauch deine Hilfe nicht", fuhr ich ihn an.

Er verschränkte die Arme. „Du musst nicht gleich so giftig sein, ich hab dir gar nichts getan."

„Dann lass mich einfach in Ruhe", ich wandte mich von ihm ab. Blöder Idiot! Glaubt wohl, nur weil er besser aussieht als ich, kann er mich belehren.

„Ich lass dich nicht in Ruhe", sagte er ruhig. Scheinbar wollte er Krieg.

„Elmar, es hat keinen Sinn", wollte Aaros den aufkeimenden Streit schlichten.

„Doch, es hat einen Sinn. Der Typ hat kein Benehmen und das geht mir gewaltig gegen den Strich", erklärte Elmar ihm.

„Was willst du machen?", mischte ich mich auch wieder ein. „Mir eine reinhauen?"

„Das wäre vielleicht eine Idee", gab er zurück. Ich musterte ihn. Körperlich war ich ihm überlegen, da war ich mir relativ sicher. Aber vielleicht hatte er irgendwelche besonderen Fähigkeiten, man konnte nie wissen.

„Hör zu", lenkte ich also ein. Ganz gleich wie sie ausgehen würde, eine Schlägerei direkt am ersten Abend machte sich sicher nicht gut. Elmar hatte dabei außer einem Tadel nicht viel zu fürchten, aber mir drohte der Knast. „Geht mir nicht auf die Nerven und wir werden uns gut verstehen. Ich will einfach nur mein Ding machen und diese zwei Jahre durchstehen."

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now