Der verrückte Professor

64 16 0
                                    

Elli - Da stand ich nun also in einer unterirdischen Tropfsteinhöhle, die mir ganz und gar nicht geheuer war, vor einem Mann, der, bei allem Wohlwollen, nicht mehr ganz richtig im Kopf war.

Sein graues Haar war wild, lang und struppig, sein Bart hatte keine nennenswerte Form. Die Kleider, die er am Leib trug, waren zerschlissen und so oft geflickt, dass man den eigentlichen Stoff nicht mehr erkennen konnte. Aber es war nicht nur sein Aussehen, dass einen bitteren Nachgeschmack hinterließ.

„Zwischen den Augen und dann ins Hirn. Ja, ja, ja, genau so...", murmelte er, während er über eine Ratte gebeugt an einem Tisch stand. „Man muss es ihnen austreiben, muss sie missionieren. Muss sie nützlich machen. Sonst müssen sie sterben."

Qens erstauntes Gesicht verriet mir, dass ich dieses Verhalten nicht als einzige seltsam fand.

„Professor", meinte Hauser mit seinem üblichen Lächeln, das mich an das von Rayk erinnerte. Überheblich aber dennoch charmant, als könne ihnen nichts etwas anhaben. „Ich habe Ihnen Besuch mitgebracht."

Ich unterdrückte ein Schnauben. Ein verrückter Professor. Was für ein Klischee.

„Professor!", sagte Hauser lauter als dieser nicht reagierte.

„Hah!", machte er schließlich. „Sie werden mich nicht abhalten! Ich weiß, was ich tue!"

„Ehm, Herr Leutnant...?", begann Aaros.

„Ruhe!", sagte Hauser scharf ohne die Augen vom Professor zu nehmen. „Stören Sie mich nicht. Professor, ich bin es. Marius. Ihr bester Schüler, erinnern Sie sich?"

Erstmals fuhr der Mann zu uns herum und schien uns wirklich zu registrieren. „Ah, Marius! Mein Junge!", erkannte er unseren Führer. „Wie schön, dich zu sehen."

„Die Freunde ist ganz meinerseits", doch sein Lächeln war gekünstelt. Die beiden schienen zwar in den Katakomben zu arbeiten, doch zumindest seitens des Leutnants war da keine Freundschaft zu erkennen. Ob Hauser ihn nicht leiden kann, weil er begabter ist als er selbst?

„Professor, darf ich Ihnen ein paar junge Männer vorstellen? Das sind die Gefreiten Batista, Pelter und Shendong", er deutete nacheinander auf uns. „Kameraden, das ist Professor Sergej Asmov, das Hirn hinter den Chimären."

„Das kann nicht sein!", rief Aaros. „Der Sergej Asmov?! Der Autor von Chimären und Homunkuli?"

„Genau der", kam die Antwort.

„Pah.", machte Asmov. „Dieser Groschenroman! Damals war ich jung und dumm. Hab die Möglichkeiten nicht gesehen, die die Alchemie uns bietet. Doch jetzt bin ich alt und ich kann alles sehen. Alle meine Sünden, meine Fehler. Dieses Buch sollte verbrannt werden, es ist eine Lüge."

„Da ist aber jemand eigen, was sein Werk angeht", meinte Qen unter vorgehaltener Hand.

„Das kannst du laut sagen", gab ich zurück.

„Herr Professor!", meinte Aaros zu Asmov. „Ich habe Chimären und Homunkuli förmlich verschlungen! Es war sehr aufschlussreich und ich habe viel daraus gelernt! Wenn Sie also sagen, dass all das nur ein Fehler war, sagen sie auch gleichzeitig, dass all meine Stunden vergeudet waren."

Asmov blinzelte. „Wer ist dieser Junge, Marius?", fragte er Hauser, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte und nun lässig an der Höhlenwand lehnte.

„Das sagte ich doch. Gefreiter Batista. Einer unserer Soldaten."

„Nein", machte Asmov und ging ein paar Schritte auf Aaros zu. „Das ist kein Soldat. Er weiß es nur noch nicht. Weil ihr es ihm verschweigt."

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now