Gruppe 1

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Aaros - Das Tröten, das uns aus viel zu früh aus dem Schlaf riss, war lauter als alles, was ich je gehört hatte. Selbst die Stimme des Bärenfeldwebels stank dagegen ab.

Schlaftrunken kam ich auf die Beine.

„Ihr habt zwanzig Minuten, zum Waschen und Anziehen!", brüllte Obergefreiter Erich über den Gang.

„Zwanzig Minuten...?", murmelte Elmar, der sich aus seiner Decke schälte. Seine Haare standen wild in alle Richtungen ab.

Auch über uns bewegte ich etwas. Ich blickte hoch und sah Rito und Qen, die sich gerade aufrappelten. Komisch, mir war so, als wäre Rito gerade über meinen Kopf gesegelt...

„Is' was?", grummelte Qen. Er war wohl ein Morgenmuffel.

„Wo sind die Waschräume?", fragte Elmar und ich erinnerte mich, dass wir gestern gar nicht mehr dazu gekommen waren, danach zu suchen.

„Ah!", meldete sich Rito. „Die sind... da... den Gang runter."

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Auf unserer Etage waren mit uns etwa dreißig Jugendliche untergebracht, die alle in die gleiche Richtung strömten.

„Für mehr als eine Katzenwäsche ist wohl keine Zeit", stellte Elmar fest als wir den Waschraum erreichten. Hier standen fünf Waschschüsseln aus Blech, alle bereits in Benutzung. Es hieß also warten. Doch die Jungs, die sich grade sorgfältig ihren Rücken schrubbten, machten keine Anstalten, sich zu beeilen.

„Die machen extra langsam", bemerkte ein anderer Rekrut. „Damit keiner von uns mehr drankommt."

„Das kann doch nicht angehen", sagte Elmar und machte einen Schritt auf die Jungen zu.

„Musst du wieder den Moralapostel spielen?", fragte Qen verächtlich.

„Willst du dich etwa nicht waschen? Ich renn' nicht den ganzen Tag dreckig durch die Gegend", er packte einen der Schüssellagerer bei der Schulter. „Glaubt ihr nicht, ihr solltet langsam mal Platz machen?"

„Häh?", der Kerl blickte auf. Er war kein dürrer Sechzehnjähriger, so viel stand fest. Dieser Typ sah aus, als könne er mit den bloßen Händen Schädel zerdrücken. Seiner schiefen Nase nach zu urteilen, hatte er auch schon die ein oder andere Schlägerei hinter sich. Er bäumte sich vor Elmar auf. Sie waren etwa gleich groß, aber Trümmernase sah um ein vielfaches bedrohlicher aus. „Was willst du denn?"

„Ich will, dass du mit deinen Kollegen hier die Schüsseln freigibst. Wir wollen uns auch waschen", antwortete er, ohne zurückzuweichen.

„Gott, dieser Typ will verprügelt werden, oder?", flüsterte Qen.

Elmars Vorschlag erntete lautes Gelächter. „Ach so, wollt ihr das?! Schön für euch! Sucht euch doch einen anderen Waschraum! Wer zuerst kommt, malt zuerst!"

„Es gibt nur den einen, das wisst ihr."

„Dann habt ihr wohl Pech", der Hüne zuckte mit den Schultern. „Aber das macht nichts. Euren Versagergestank werdet ihr mit Wasser eh nicht los."

Der Typ war ein typischer Bully. Es hatte keinen Sinn, sich mit ihm anzulegen, sicher konnte Elmar das auch erkennen. Ich hatte noch eine halbvolle Wasserflasche auf unserer Stube, die würde für heute genügen.

„Unser Märchenprinz wird das nicht so sehen", raunte Qen, der wohl meine Gedanken gelesen hatte.

„Was meinst du?", fragte ich.

„Das wir wohl gleich eine Schlägerei an den Backen haben", grinste er. „Dein Kumpel ist leider ein echter Gutmensch..."

Ich sah rüber zu Elmar. Er funkelte den Hünen böse an, so wie er es gestern bei Qen getan hatte. Ich erinnerte mich an dessen Worte, dass Elmar absichtlich auf die Provokationen einging, um einen Streit zu entfachen. War da etwas dran? Eigentlich hatte ich ihn eher als friedliche Person eingeschätzt.

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now