Ein schöner Mann

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Elli - Letzten Endes hatte alles schneller geklappt als ich es mir erhofft hatte. Kaum hatte ich die Unterschrift gesetzt, hatte Unteroffizier Jertz das 11. Alchemiebataillon angerufen, mich dort als neuen Rekruten gemeldet und mir dann eine Fahrkarte nach Werrich in die Hand gedrückt. Die zweistündige Fahrt nach Ketho, wo ich umsteigen musste, führte mich ins stellenweise vom Winter noch unberührte Tal der Thaale.  Die Thaale war der größte Strom unseres Landes, der im Hestermassiv entsprang, die Grenze in unseren Nachbarstaat Inotia überquerte und dort ins Meer floss. Begeistert folgten meine Augen der Strömung, die selbst einem erfahrenen Schwimmer Schwierigkeiten bereitet hätte.

„Kommst wohl aus den Bergen, was?", fragte mich ein Mädchen in meinem Alter, die auf der anderen Seite des Ganges saß. „Niemand sonst wäre so begeistert von ein bisschen Wasser."

Ich setzte ein Lächeln auf. „Schuldig in allen Punkten."

Sie kicherte mädchenhaft. „Wie heißt du?"

„Ich bin Elmar", ich hielt ihr die Hand hin. „Wie heißt du?"

„Katharina", sie lief rot an und erst in diesem Moment wurde mir klar, dass sie mit mir flirtete. Mir wurde ein wenig flau im Magen. Mit Romanzen hatte ich keinerlei Erfahrung und schon gar nicht mit anderen Mädchen. Komm schon, Elli! Das ist deine Möglichkeit, dich in Männlichkeit zu üben!

„Katharina", wiederholte ich ihren Namen. „Das ist wirklich ein schöner Name."

„Danke", sagte sie ohne mich anzusehen.

„Fast so schön wie deine Augen", mir kräuselten sich die Fingernägel als ich diesen Satz sagte. Wie schaffen Jungs das, solchen Quark ständig vom Stapel zu lassen?

Doch Katharina schien mein Spruch zu gefallen. Lächelnd blickte sie auf. „Findest du?"

Um ehrlich zu sein, waren ihre Augen nicht besonders spektakulär. Sie waren braun und leicht fleckig und auch ihre Wimpern waren ziemlich kurz und hatten die gleiche Farbe wie ihr mausbraunes Haar. Eine Schönheit war sie wahrlich nicht.

Elli, was denkst du da?, ertappte ich mich. Sie ist nur ein nettes Mädchen, sei nicht so gemein!

„Aber klar", log ich also. „Du bekommst doch bestimmt dauernd Komplimente dafür."

„Eigentlich... Eigentlich bist du der erste Junge, der das sagt. Die aus meiner Schule haben kein Interesse an so was und spielen lieber Krieg."

„Dann muss ich mich wohl für mein Geschlecht entschuldigen", ich machte eine dramatische Verbeugung. „Wohin fährst du, wenn ich fragen darf?"

Ich durfte fragen. Katharinas Reise ging nach Darnisch im südlichen Teil von Carcan. Ihre Eltern hatten sie zu entfernten Verwandten geschickt, da sie nach den vielen Scharmützeln mit den Staaten im Norden einen baldigen Kriegsausbruch entlang der dortigen Grenzen befürchteten. Aus Angst hatten sie also ihre einzige Tochter in den Zug gesetzt, damit sie sie so weit wie möglich von dort in Sicherheit wussten. Als ich ihr erzählte, dass ich der Armee beitreten wollte, sah sie mich besorgt an.

„Aber ist das nicht gefährlich?"

„Erstmal stecken die mich in die Grundausbildung, da muss ich nicht kämpfen. Und mit ein bisschen Glück bricht der Krieg erst gar nicht aus. Ich hab gehört, die Lage hat sich in den letzten Wochen wieder etwas stabilisiert. Der Risische Kanzler selbst plant sogar einen Besuch in Ketho", informierte ich sie.

„Trotzdem...", sie fummelte nervös an ihrem Rock herum. „Es wäre schade, wenn dir etwas passiert."

Ich war mir fast sicher, dass sie kurz davor war, mich zu ihren Verwandten einzuladen, um mit ihr dort den Rest meines Lebens zu verbringen. Irgendwie war ihre Schwärmerei ja süß und ich fühlte mich auch geschmeichelt, aber auf der anderen Seite war es auf die Dauer ziemlich nervig. Als Junge hätte ich für diese Art von Mädchen wohl nichts übrig gehabt. Ich lachte unwillkürlich auf bei diesem Gedanken und Katharina sah mich verwirrt an. Immerhin weiß ich jetzt etwas über Elmar.

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now