Knast oder Krieg

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Qen - Langsam erwachte ich aus meiner Ohnmacht. Ich hatte höllische Kopfschmerzen und in meinem Mund schmeckte ich Blut. Ächzend versuchte ich mich aufzurappeln, jedoch nur mit mäßigem Erfolg, da meine Hände auf dem Rücken gefesselt waren.

Ach ja, erinnerte ich mich. Sie haben mich geschnappt.

Innerlich verfluchte ich meine Dummheit, der Frau auf den Leim gegangen zu sein. Dabei hatte ich doch gleich gesehen, dass sie in Harland überhaupt nichts verloren hatte, natürlich musste es eine Falle sein. Ich hatte schon von anderen Kleinkriminellen gehört, die mit solchen Methoden eingebuchtet wurden, aber ich hatte mich immer für klüger gehalten. Wie es schien, wurde ich soeben eines Besseren belehrt.

Mühsam wälzte ich mich auf die Seite, um den Raum um mich zu inspizieren. Wie ich vermutet hatte, war ich in einer Gefängniszelle. Ich lag auf einer schmalen Pritsche ohne Decke oder Kissen. Ansonsten gab es in dem Raum lediglich ein Loch im Boden für die Notdurft und einen Hocker mit einer Ausgabe der Heiligen Schrift. Ich verdrehte die Augen, ich würde ganz bestimmt kein besserer Mensch werden, nur wenn ich ein paar alte Geschichten studierte.

Bevor ich jedoch überhaupt die Möglichkeit bekam, meine Taten zu reflektieren, öffnete sich mit einem lauten Quietschen die Zellentür und die Frau mit den schwarzen Locken, die sich als Lockvogel hergegeben hatte, trat ein. Im Gegensatz zu ihrem Auftritt in Harland war sie nun nicht mehr in das teure Kleid gehüllt, sondern trug die Uniform der Stadtwache.

„Na, sind wir wieder wach?", fragte sie mit einem spöttischen Lächeln. „Haben wir uns auch gut erholt?"

„Danke der Nachfrage, ja, die Betten hier sind sehr bequem", gab ich ebenfalls mit einem Lächeln zurück.

Die Frau schnaubte. „Man merkt dir an, wo du aufgewachsen bist, Junge."

Und dann verpasste sie mir einen Hieb mit ihrem Schlagstock in den Magen.

„Das müssen wir dir austreiben, sonst verkommst du noch und wirst zum Abschaum der Gesellschaft! Und mit dem Austreiben fängt man besser früher an als später."

Mein ganzer Körper krümmte sich und ich spuckte Galle. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich zwang mich, zu ihr aufzusehen und ihr nicht die Genugtuung zu geben, mir tatsächlich eine Lektion erteilt zu haben.

„Dieser Blick. Dieser aufmüpfige Blick einer kleinen Ratte, die nichts kann außer von der arbeitenden Bevölkerung stehlen. Sag, Junge, hast du in deinem Leben irgendwas selbst auf die Beine gestellt?"

„So einiges", antwortete ich. „Und wenn meine Bande mich erst mal hier raus geholt hat, bin ich vielleicht der Grund, warum Sie Ihren Job los sind."

Wie zu erwarten, brachte mir das einen weiteren Schlag ein.

„Wenn du deine Zunge nicht bald zügelst, muss ich sie dir wohl abschneiden."

„Wussten Sie nicht, dass wir in Jiay verlorene Gliedmaßen mit dunklen Ritualen nachwachsen lassen können? Wir sind Meister der Menschenopferung."

„Witzig, aber langsam bin ich gelangweilt", sie zog mein Blasrohr aus ihrer Jackentasche und hielt es mir vor die Nase. „Du wolltest also eine hilflose Frau einfach so ausrauben..."

„Sie sind ja wohl alles andere als hilflos", merkte ich an.

„Stimmt", sie wedelte ein wenig mit ihrem Schlagstock. „Aber wie hättest du das wissen können? Und so muss ich grundsätzlich vom Schlechten in dir ausgehen, so Leid es mir tut."

Ich stieß ein Lachen aus. „Ich bezweifle, dass Ihnen hier irgendwas Leid tut."

„In deinem Fall hast du da Recht. Ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen, nur weil ich einen Kleinkriminellen von Kethos Straßen geholt habe. Wahrscheinlich wärst du innerhalb der nächsten Jahre sowieso dort verreckt, aber so bleibt dir immerhin eine Wahl."

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now