Ein Haufen Mist

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Elli - „Puh, das stinkt!“
Missmutig betrachteten wir die großen Haufen um uns herum. Spinnhundehaufen. Gill stand grinsend vor uns als habe er sich schon eine halbe Ewigkeit auf diesen Moment gefreut. „Nun denn! Ich denke nicht, dass ich dazu noch groß was sagen muss! Hinter dem Haus haben wir einen Misthaufen für den Unrat. Die Kadaverreste werft in die Tonne daneben.“
„Heißt das...“, einer unserer Kameraden schluckte, „wir sollen die Knochen aus der Kacke pulen?“
Praatsche kicherte. „Nett formuliert. Und ja, genau das heißt es.“
„Also! Auf, auf!“, stimmte Gill noch mit ein.
Angewidert schnappten wir uns die Heugabeln. „Wetten, die setzen sich jetzt drüben aufs Sofa und trinken einen Kaffee?“, spekulierte Qen.
„Muss schön sein, Macht zu haben“, Aaros seufzte. Er war erst in den frühen Morgenstunden von seinem Treffen mit Asmov zurückgekehrt und sah ziemlich gerädert aus. Dicke Augenringe hatten in seinem Gesicht Einzug gehalten und er gähnte beinahe alle paar Sekunden. Dass das ansteckend war, erlebten wir am eigenen Leibe, denn bald stimmten auch wir mit ein.
„Ob wir auch mal jemanden herumkommandieren dürfen?“,  fragte ich mich.
„Bestimmt. Wenn wir lange genug dabei sind.“
„Also reden wir in einem Jahr nochmal.“
„Sie hätten uns wenigstens Handschuhe geben können“, jammerte Qen während er einen kleinen Schädel aus einem besonders großen Haufen zog. Er schnitt eine Grimasse. „Wieso ist das nicht verdaut?“
„Die Mägen von Hunden können harte Knochen nicht verdauen“, erklärte Aaros. „Ein normaler Hund wäre wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, den Kopf eines Kaninchens komplett zu verschlucken.“
„Ah“, gab Qen zurück während er den Schädel in einen Eimer warf, den wir uns zum Sammeln der Überreste besorgt hatten. Den Dung verfrachtete er in die Schubkarre, die daneben stand. Ulla, die Spinnhündin, deren Zwinger wir gerade ausmisteten, baumelte an einem Faden von der Decke und beobachtete uns mit ihren gruseligen Augen. Wenn unsere Zeit hier vorbei ist, nahm ich mir vor, will ich definitiv mit irgendwelchen anderen Tieren arbeiten.
Nach und nach durchkämmten wir die Boxen. Die von Krocket stand als letztes auf unserer Liste.
Der Spinnhund lag zunächst relativ entspannt in der hintersten Ecke, doch als er uns erspähte, hievte er sich auf die Beine und knurrte uns böse an. Ich zweifelte keinen Moment daran, dass er einem von uns an die Kehle springen würde, sobald wir die Tür öffneten.
„Gill will doch nicht etwa, dass wir hier auch sauber machen, oder?“, fragte Qen.
So wie Krockets Zwinger aussah, war seit längerem niemand mehr auf diese Idee gekommen.
„Aber wir können ihn doch nicht in seinem Mief ersticken lassen“, warf Aaros ein, dessen Liebe zu der blutrünstigen Chimäre mir nun wirklich zu weit ging.
„Wenn du da rein gehen willst, nur zu“, ich machte eine einladende Geste. Krocket, der diese offenbar als eine Art Provokation sah, stürmte sofort auf uns zu und warf seinen massigen Körper gegen die Gitterstangen. Laut kläffend bäumte er sich vor uns auf, während seine Fangzähne bedrohlich klickten.
„Nein, danke“, beschloss Aaros daraufhin.
Gill und Praatsche ließen uns nach dem Ausmisten die Zellen mit einem Schrubber reinigen und danach mit neuem Stroh ausstatten. Während der gesamten Prozedur kamen sie nur selten aus dem beheizten Büroraum und auch ihre Qualitätskontrolle fiel eher dürftig aus.
„Da wir diese lästigen Pflichten nun erledigt haben“, meinte er als hätte er selbst Hand angelegt, „können wir uns den schönen Dingen des Lebens zuwenden!“
Praatsche kicherte wieder wissend. Dies schien heute seine einzige Aufgabe zu sein.
„Wir haben euch eure eigenen Spinnhunde versprochen. Und hier sind sie nun!“, er blies in eine Pfeife, deren Ton unsere menschlichen Ohren nicht vernehmen konnten, und drei Spinnhunde kamen aus dem Büro gestürmt. Nun, eigentlich waren es wohl eher Spinnhündchen.
Wenn da was Größeres als ein Zwergspitz drin steckt, fress ich einen Mistgabel.
„Darf ich euch unser dynamisches Trio vorstellen? Heinrich, Edelweiß und Jo!“
Die Spinnhunde kläfften fröhlich und sprangen wild auf und ab. Das war ja fast niedlich. Allerdings fühlte ich mich doch ein bisschen verarscht. Unsere beiden Vorgesetzten schienen all das auch seht amüsant zu finden, denn während die Tiere sich auf unsere Waden stürzten, schüttelten sie sich unter johlendem Gelächter. „Ihr wisst doch: Klein anfangen und so!“, kommentierte Gill.
Aaros beugte sich zu Jo herab und tätschelte ihr die kurze Schnauze. „Du bist ja zutraulich.“
Nach und nach ließen auch wir anderen uns erweichen und befassten uns mit den kleinen Tierchen, die uns gar nicht mehr in Ruhe lassen wollten.
„Oha! Kameraden!“, sagte Praatsche nach einiger Zeit mit gespieltem Ernst. „Ihr habt es da mit gefährlichen Kriegsbestien zu tun!“
Nachdem wir unsere neuen Gefährten gebührend begrüßt hatten, lernten wir die Grundsätze über die Führung der Tiere. Jo erwies sich als exzellenter Begleiter und hörte auf alle Befehle, die wir ihr gaben.
Der Tag ging schnell rum und nach einem ausgiebigen Abendbrot zogen wir uns gemeinsam auf die Stube zurück. Aaros gönnte sich ein kurzes Nickerchen und verschwand daraufhin wieder in den Katakomben bei seinem neuen besten Freund. Das war Qen und mit nur ganz recht, denn auch wir hatten uns auf das abendliche Kartenspiel vorzubereiten.
„Ich muss also raten, welche Karte mein Gegner spielt?“, fragte Qen als ich die Regeln erklärte.
Ich nickte. „Du musst dein Gegenüber lesen.“
„Klingt nach einem Kinderspiel“, er zuckte mit den Achseln.
„Nimm das nicht auf die leichte Schulter!“, mahnte ich. „Unser Ziel ist Rayk und der ist ziemlich gewieft.“
„Ja, um darauf nochmal zurückzukommen... Was genau ist unser Ziel?“
„Wir wollen rauskriegen, ob er irgendwas weiß. Darüber, dass ich ein Mädchen bin.“
„Und jetzt sag mir noch, wie wir das anstellen wollen? Wir können ja schlecht hingehen und sagen:   Du, Rayk, wusstest du eigentlich, dass Elmar ein Mädchen ist?
„Naja...“, um ehrlich zu sein, hatte ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht.
Du, Rayk, hast du letztens ein bisschen gespannt?"
„Das ist nicht witzig...“, doch ein bisschen schmunzeln musste ich schon. „Wir lassen uns was einfallen. Glaub mir, das wird schon.“
Diesen letzten Satz wiederholte ich in meinem Kopf wie ein Mantra bis wir uns schließlich auf den Weg zur Freizeithalle machten.

Carcan - Die WinterkriegeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt