Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

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Aaros - Nach einer abendlichen Sportstunde auf dem Flur, bei der ich mich nochmal richtig verausgabte, wurden wir auf unsere Stuben entlassen. Durchgeschwitzt und erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen.

„Mir tut alles weh!", beklagte sich Rito. „Seit wann hat man im Po Muskeln?"

„Schon immer", bemerkte Qen in seiner bissigen Art. „Hast du nie die Arschbacken zusammengekniffen?"

Ritos Gesicht wurde blank, was bedeutete, dass er über Qens Worte nachdachte. Wirklich ein merkwürdiger Junge, aber irgendwie putzig. Man konnte nicht anders als einen Beschützerinstinkt ihm gegenüber zu entwickeln.

„Ob wir hier wohl irgendwo ein richtiges Bad nehmen können?", ich schälte mich aus meinen verschwitzten Klamotten. „Ich meine, diese Waschschüsseln reichen kaum für das Gesicht."

„Ich hab dahinten einen See gesehen", teilte mir Qen mit.

„Klingt nach einer großartigen Idee. Abgesehen davon, dass ich dabei wohl erfrieren würde."

Er zuckte mit den Schultern. „Musst du dir mehr Fett anfressen."

Ich ignorierte ihn und seine wahnwitzigen Vorschläge und wandte mich an Elmar, der vielleicht etwas handfesteres beitragen konnte. „Mich musst du nicht angucken", sagte er. „Ich weiß genauso viel wie du."

Ich seufzte. Die Aussicht, ohne ein Bad ins Bett zu gehen, war keine besonders freudige.

„Wenn du so scharf drauf bist, such dir einfach ein öffentliches Bad in der Stadt", schlug Qen vor.

„Oder du machst es wie alle anderen und nimmst dir einen Waschlappen", war Elmars Beitrag.

Ich resignierte. Die drei waren scheinbar in anderen Verhältnissen aufgewachsen, wo Körperhygiene nicht an erster Stelle stand. In unserem schmucken Häuschen gab es sogar eine kleine Wanne, die mit einem Kohleofen beheizt werden konnte. Wie mein Vater und meine Mutter auch, genoss ich nur zu gern ein ausgiebiges Bad.

„Wir können gleich alle zusammen gehen", sagte Rito.

„Da bin ich raus", winkte Elmar ab. „Ich hab noch ein paar Fragen zu meinem unfreiwilligen Gruppendienst. Ich geh dann später alleine."

„Hast du was zu verbergen?", witzelte Qen. „Fischschuppen oder so?"

„In deinen Träumen", Elmar verdrehte die Augen.

Er verabschiedete sich von uns und wir schlenderten gut gelaunt zu unserer wohlverdienten Katzenwäsche.

In der letzten Stunde vor dem Zapfenstreich, holte uns alle das Heimweh ein. Ich zog mein Briefpapier aus der Tasche und setzte den Füllfederhalter an, den ich von meinem Vater zum sechzehnten Geburtstag bekommen hatte.

Liebe Mutter, lieber Vater, begann ich. Die beiden würden sich sicher über ein Lebenszeichen von mir freuen, vor allem wenn ich ihnen schilderte, dass ich mich hier bisher richtig wohl fühlte. Nun, ich war kaum einen Tag in der Kaserne als konnte sich meine Einstellung noch ganz schnell ändern, aber für den Moment konnte ich nicht klagen.

Meine Kameraden waren auch gerade mit ihren Briefen beschäftigt. Es war irgendwie ein gutes Gefühl zu sehen, dass sie genauso fühlten wie ich und das Verlangen hatten, sich ihren Familien mitzuteilen.

„Ehm, Aari?", Ritos Haarschopf lugte über seine Bettkante, dann folgte der Rest seines Kopfes. „Kannst du... kannst du mir helfen?"

„Helfen? Wobei?"

„Ich...", er bedeute mir, näher zu kommen. Ich legte mein Ohr an seine Lippen. „Ich kann nicht so gut schreiben."

„Oh", entfuhr es mir. Das hatte ich nicht erwartet. Ich war mir sicher, dass Kaiser Adalbert vor etwa zehn Jahren eine Reform durchgesetzt hatte, die allen Kindern eine mindestens sechsjährige Schulbildung zusagte. Auch Rito unterlag dieser Regelung und müsste eigentlich in der Lage sein, einen simplen Brief zu schreiben. „Bist du nicht zur Schule gegangen?", fragte ich interessiert.

Carcan - Die WinterkriegeWhere stories live. Discover now