Nur Soldaten

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Qen - Wie kann man nur so dumm sein?

Wie hatte ich all die Monate mit Elli auf engstem Raum gelebt und nicht gemerkt, was sie unter ihrer Kleidung versteckte? Als sie in dieser Nacht nackt vor mir gelegen hatte, hatte ich es nicht wahrhaben wollen, doch nun konnte ich sie mir gar nicht mehr als Mann vorstellen. Ihre weichen Gesichtszüge, nicht mal der Ansatz von Bartwuchs, ihre geschwungene Figur und überhaupt ihre ganze Art, die mir immer so gezwungen vorgekommen war. Es war doch so offensichtlich!

Aber hier in unserer kleinen Höhle hatte ich zum ersten Mal gemerkt, wie schwach sie wirklich war. Schwach und doch stark.

„Wann hat Aaros Hilfe gerufen?", fragte Elli, die nun nicht mehr ganz so blass war wie noch vor zwei Stunden als ich sie aus dem Schnee gezogen hatte.

„Sie müssten bald hier sein", behauptete ich. Ohne meine Jacke war mir selbst am Feuer ganz schön kalt und ich wollte einfach weg von hier.

„Hat er die Signalpistole abgefeuert?"

Ich nickte. „Mach dir keine Sorgen."

„Woher wollen die überhaupt wissen, ob das unsere Pistole war? Was, wenn sie die Spinnhunde gar nicht auf uns sondern auf eine andere Gruppe ansetzen?", sie klang wirklich ängstlich. Hat sie schon immer so weinerlich geklungen?

„Wahrscheinlich haben sie uns verschiedenfarbige Patronen gegeben. Oder da war ein Duftstoff drin oder so", ich spekulierte nur. Und hoffte. „Aber unsere Ausbilder machen das sicher nicht zum ersten Mal. Die wissen, was sie tun."

„Da hast du sicher Recht...", sie reckte den Hals. „Sag mal, bilde ich mir das ein oder wird es hier kälter?"

Sie bildete es sich nicht ein. Langsam aber sicher ging unser Feuer zur Neige. Die paar Stöcke, die ich hier gefunden hatte, waren aufgebraucht und brannten nun runter. Ich schätzte, dass wir nach zwanzig Minuten wieder der eisigen Luft des Hestermassivs ausgesetzt waren. „Wenn es uns zu kalt wird, können wir uns immer noch aneinander kuscheln", scherzte ich. Was sagst du denn da? Das klingt ja wie die billigste Anmache der Welt!

Zum Glück ignorierte sie meinen Kommentar. „Wo bleibt Aaros eigentlich? Müsste er nicht mittlerweile hier sein?"

„Das hat mich auch schon stutzig gemacht. Vielleicht ist er unten in der Schlucht und findet uns einfach nicht."

„Willst du nicht mal nachsehen? Nicht, dass ihm auch was zugestoßen ist."

„Ich kann dich hier nicht alleine lassen!", protestierte ich.

„Was soll mir denn passieren? Die Höhle ist gut geschützt und das Feuer brennt noch eine Weile. Wir wollen doch nicht, dass Aaros auch noch was zustößt, oder?"

Ich seufzte. Elmar oder Elli, der Dickschädel war immer noch da. „Na gut", willigte ich schließlich ein. „Aber nur fünf Minuten! Dann bin ich sofort wieder da!"

Ich trat durch den schmalen Eingang und wurde von dem starken Wind beinahe weggeweht. Ohne meine Jacke kroch mir die Kälte sofort in Mark und Bein. So sehr ich Ellis fürsorgliche Seite auch verstehen konnte, so wenig wollte ich mit meiner leichten Kleidung hier draußen sein. Also mach besser schnell!

Ich schlitterte den Hang herunter. „Aaros!", brüllte ich so laut ich konnte gegen den Wind an. „Aaros, wir sind hier oben!"

Ich erreichte den Fuß der Lawine. Kaum hundert Meter von hier langen die Leichen von Rito und dem Landstreicher, die noch immer halb im Schnee vergraben waren. In meiner Hast, Elli zu retten, hatte ich mich gar nicht mehr um sie gekümmert. Wenn Aaros allerdings Ritos Leiche entdeckt hatte, war er vielleicht so schockiert, dass er sich nicht mehr vom Fleck bewegen konnte.

Carcan - Die WinterkriegeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant