Ein schöner Mann

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Meine neue Bekanntschaft wollte mich gar nicht gehen lassen als wir schließlich in Ketho einrollten und ich konnte nur mit dem Versprechen, ihr aus Werrich Briefe zu schreiben, von ihr loskommen. Schluchzend brachte ich sie also zum Zug gen Süden und begab mich dann zu Gleis Vier, wo ich in einer halben Stunde meinen Anschluss erwartete. Ich grübelte, ob es wohl für Mädchen normal war, sich so schnell zu verlieben. Ich hatte schon mein Leben lang geschuftet und nicht selten genauso harte Arbeiten verrichtet wie die Jungen bei uns im Dorf und mich nie in einen von ihnen verguckt. Das mochte auch daran liegen, dass sie sich selten wuschen und auch sonst nicht sehr ansehnlich waren, trotzdem schien es mir übertrieben, sofort einem Wildfremden zu verfallen.

Ich quetschte mich zu einigen anderen Leuten auf eine Bank am Bahnsteig. Sie musterten mich mit großen Augen und ich fragte mich langsam ernsthaft, ob ich etwas an mir hatte, denn ich wurde schon den ganzen Tag angestarrt. An meiner Verkleidung konnte es nicht liegen, die hatte sich bereits als wasserdicht herausgestellt. „Ist was?", fragte ich also einfach mal.

Die meisten schüttelten den Kopf und sahen woanders hin, nur ein langer schmaler Typ mit fuchsfarbenem Haar und Seesack starrte weiter. Ich legte die Stirn in Falten und den Kopf schief. Wenn er was zu sagen hatte, sollte er das gefälligst tun.

Nach ein paar Sekunden schaffte er es dann auch, seinen Mund zu öffnen. „Tut mir Leid, ich wollte nicht glotzen."

„Dann lass es", antwortete ich barsch, bereute es jedoch sofort. Ich wollte Elmar nicht zu einem unsympathischen Kerl verkommen lassen. Ich legte eine entschuldigende Miene auf. „Tschuldigung... Ich bin nur ein wenig nervös."

„Ja, ich auch", lachte er.

„Wohin geht's?", wollte ich wissen. Elmar sollte ein guter und offener junger Mann sein.

„Nach Werrich", er hielt die Zugfahrkarte hoch. „Ich hab mich verpflichtet."

Ich sprang auf. „Zu den Alchemisten?"

„Ja...", er stockte. „Du auch?"

Ich nickte und zeigte ihm auch meine Fahrkarte. „Ich bin schon den ganzen Tag unterwegs, endlich treffe ich mal jemanden, der das gleiche Ziel hat."

„Geht mir genauso. Ich bin Aaros", stellte er sich vor.

„Elmar", sagte ich. Jetzt wo ich direkt vor ihm stand, sah ich erst, wie groß und dürr er wirklich war. Er überragte mich bestimmt um fünfzehn Zentimeter und ich musste mich ganz schön strecken, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. Wie Katharina auch hatte er braune Augen, doch seine strahlten irgendwie. Seine Nase war lang und schmal und passte zu seinem restlichen langen und schmalen Körper. Sein Haar war kurz und elegant nach hinten gegelt. In seinen recht vornehmen Kleidern sah er aus wie ein Spross aus einer Stadtfamilie.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Kamerad."

„Mich auch."

Er erzählte mir, dass er aus Ehresberg kam, ein wenig südlich von hier und sein Vater, selbst ein ehemaliger Soldat, ihn für den Dienst gemeldet hatte.

„Echt?", harkte ich nach. „Und du bist gegangen?"

Aaros zuckte mit den Schultern. „Mein Vater hat schon immer davon geträumt, dass ich mal Offizier werde. Und er war so stolz... Die zwei Jahre überlebe ich schon."

„Na, hoffentlich", sagte ich.

„Was ist mit dir? Warum hast du dich verpflichtet?"

Ich erklärte, dass ich Geld für meine Familie verdienen wollte. „Sie haben mich nach dem Tod meiner Eltern aufgenommen als ich noch ganz klein war. Jetzt, wo ich alt genug bin, will ich sie unterstützen."

„Das ist nobel", stellte er fest.

„Findest du? Ich finde es selbstverständlich."

„Auch das Selbstverständliche sollte man würdigen. Eine gute Tat bleibt eine gute Tat, oder nicht?", er setzte ein Lächeln auf, das ihn viel älter wirken ließ als seine siebzehn Jahre.

„Wahrscheinlich", gestand ich ein. „Hab ich noch nie drüber nachgedacht."

„Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Wenn man sein Leben lang die Schulbank drückt, geht einem so einiges durch den Kopf."

Schule und Lernen waren noch nie was für mich gewesen. Ich war ein Praktiker und packte schon immer lieber an als Theorien zu büffeln. Bis jetzt hatte mir das nie was ausgemacht, doch in Gegenwart dieses belesenen Denkers kam ich mir ziemlich dumm vor.

Ich wollte etwas erwidern als eine Gruppe von Mädchen in buschigen Kleidern und auf hohen Schuhen kichernd an uns vorbei stöckelte und uns unter vorgehaltener Hand bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Als sie vorbeigegangen waren, sah ich Aaros grinsend an. „Die Mädchen stehen auf dich."

Er wirkte ehrlich überrascht. „Auf mich?"

„Hast du nicht gesehen, wie sie dich angeguckt haben?"

„Elmar, die haben ganz sicher nicht mich angeguckt."

„Aber..."

„Die haben dir zugezwinkert", stellte er fest.

„Was?", ich war ehrlich verwirrt.

„Hat dir das bis jetzt keiner gesagt?", er fuhr sich durchs Haar als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Du bist, nun ja, ein wirklich hübscher Mann. Wenn nicht sogar der hübscheste Mann, der mir je unter die Augen gekommen ist."

„Häh?", ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Als Mädchen hatte mich nie auch nur ein Junge eines Blickes gewürdigt und auf einmal sollte ich der hübscheste Mann der Welt sein? Das war doch wohl ein schlechter Scherz. Andererseits würde das die ganzen Blicke und Katharinas plötzliche Liebe erklären. Da ich noch immer keine Worte fand, lachte ich einfach laut los.

„Elmar?", fragte Aaros besorgt. „Alles gut? Ich wollte dir nicht zu nahe treten oder so..."

„Schon in Ordnung", brachte ich hervor als ich mich wieder ein bisschen beruhigt hatte. „Das hat mir nur noch nie jemand so gesagt. Muss wohl an dem ganzen Ruß in den Minen gelegen haben oder so."

„Macht ja nichts", stellte mein Kamerad fest. „Guck, da kommt unser Zug."

Der Zug fuhr unter lautem Hupen ein und ich warf mir meine Tasche um.

Ich hatte einen Freund gefunden und ich war der hübscheste Mann der Welt. Wie konnte mein Tag da noch besser werden?


Carcan - Die WinterkriegeTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang