| Chapter Sixty-Five |

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Zuhause angekommen stellte ich mich sofort unter die Dusche und machte mich schnell fertig.
Irgendwie war ich müde, aber irgendwie auch total aufgedreht.
Zwar hatte mir Marek angeboten bei ihm zu übernachten, aber ich traute mich nicht.
Zu sehr hatte ich Angst, was wir alles anstellen könnten.

Ich war blöd, wirklich blöd.
Ich war nicht der Typ für so einen Scheiß und doch...
Gefiel es mir irgendwie.

Nachdenklich ging ich aus dem Bad und stockte, als ich Geräusche hörte.
Mein ganzer Körper gefror, mein Herzschlag schoß in die Höhe.
Scheiße...
Das konnte doch nicht wahr sein!

„Ach, sieh mal einer an".
Mein Herz blieb stehen.
Pures Blei schien durch meinen Körper zu fließen, machte mich schwer, ließ mich bewegungslos werden.
Shit!
Bitte nicht...

Er stank.
Er stank bestialisch!
Nach Schweiß, Tabak und Alkohol.
Seine Augen blitzen böse und sein Mund verzog sich zu einem gemeinen Grinsen.

Verzweifelt suchte ich nach einem Fluchtweg, doch Ben versperrte den direkten Zugang zu meinem Zimmer.
Als der riesige Schrank anfing auf mich zu zustolpern, riss ich mich aus meiner Starre.
Mir blieb nichts anderes übrig, als den Weg zurück ins Bad zu nehmen und panisch knallte ich die Türe hinter mir zu, um sie direkt abzuschließen.
Voller Adrenalin entfernte ich mich noch einige Schritte von der Tür.
Ich hörte sein Geklopfe und seine Stimme und ließ mich ängstlich auf den Boden sinken, um mir die Hände auf die Ohren zu drücken.

Ich hatte Angst.
Panische Angst.
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so verloren und panisch gefühlt und ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Mein Kopf zeigte mir immer wieder den Moment, in dem seine Faust mein Gesicht getroffen hatte und rief mir zu, dass es dieses mal nicht dabei bleiben würde.

Stocksteif verharrte ich in dieser Position, bewegte mich nicht, traute mich kaum, zu atmen.
Schmerz. Angst. Panik.
Ich wünschte, ich wäre bei Marek geblieben...
Verzweifelt presste ich meine Beine an meinen Körper, legte die Hände um mich und betete, dass die Türe hielt.

Mein ganzer Körper ächzte und schmerzte, als ich mich stöhnend aufrichtete.
Ein paar mal blinzelte ich, trotzdem sah ich nichts.
Wo war ich?
Wieso war es so dunkel?

Ich tastete meine Umgebung ab und betrachtete die Unrisse um mich herum.
War ich echt eingeschlafen?!
Auf dem Boden?!
Shit...
Mein Kopf dröhnte, als hätte ich einen Kater und völlig fertig stand ich auf.
Wieso war ich auf den Boden...?
Was zum-
Kacke.

Ben...
So leise ich konnte ging ich an die Badezimmertüre, legte mein Ohr an das Holz und lauschte.
Nichts.
Keine Stimmen, keine Geräusche, kein Geklirre.

Mutiger, als ich mich fühlte, drehte ich vorsichtig den Schlüssel im Schloß herum und drückte die Türklinge nach unten.
Viel zu laut quietschend öffnete sich die Türe und ich lukte heraus.
Niemand.
Der Gang war leer.
Und dreckig.
So ein blöder...

Krampfhaft unterdrückte ich meine Wut und presste meine Lippen aufeinander.
Ich wünschte, ich wäre stärker.
Ich wünschte, ich hätte eine Chance gegen diesen riesigen Bären.
Ich wünschte, ich könnte ihn raus schmeißen.
Aber das konnte ich nicht.

Schwächling...
So weit wie möglich schob ich diese hindernden Gedanken nun von mir weg und schlich in die Küche.
So leise und vorsichtig, wie ich konnte, linste ich um die Ecke und erschrack, als ich Ben und Karina auf dem Sofa sah.
Seelenruhig schlummerten sie in ihrem Dreck und Gestank und, ohne Lärm zu machen, drehte ich wieder um, schnappte mir meine Sachen und verließ die Wohnung.

Es war dunkel und kalt draußen, aber erleichtert atmete ich ein paar mal tief ein und aus, als ich vor die Türe trat.
Ließ die frische Luft durch meine Lungen fließen, kühlte meine hitzigen und brennenden Gedanken.
Wie ich sie hasste...
Sie beide!

Krampfhaft überlegte ich, was ich machen sollte.
Wo sollte ich hin?
Es war viel zu kalt, um draußen zu schlafen, wie ich es sonst im Sommer konnte.
Denk nach, Quinn!
Was würde Dad jetzt tun...?

Ach, das hatte doch keinen Sinn.
Zunächst einmal wäre Dad eh niemals in so eine Situation gekommen.
Er war zu groß und zu stark gewesen und hätte sich nicht einschüchtern lassen.
Aber, selbst wenn, dann hätte er Freunde gehabt, zu denen er hätte gehen können.

Ich überlegte.
Ches kam erst morgen nach Hause, Isa erst in einer Woche, Joy war auch noch nicht da und zu Griff wollte ich nicht, wegen seinen blöden Eltern.
Blieb noch...
Marek?

Aber wir waren keine Freunde.
Wir mochten uns nicht mal und ich wollte auch nicht zu ihm.
Wie sollte ich es denn auch erklären?

Ja, vielleicht hatte er mir den Schlafplatz angeboten, aber das doch auch nur mit Hintergedanken.
Ich wollte nicht, noch nicht...
Was dachte ich da?!
Natürlich wollte ich es nicht, nie!
Scheiße...

Was sollte ich bloß tun?
Ich wünschte, ich wäre mehr, wie mein Dad...

Gedankenverloren setzte ich einen Fuß vor den anderen und bemerkte erst gar nicht, wohin mich meine Beine trugen.
Meine Gedanken flogen einfach weiter wild umher, ließen mich zweifeln, ließen mich bangen, ließen mich hoffen.

Erst, als ich das Quietschen hört, schreckte ich aus meinen Gedanken. Mit meinen zittrigen Händen hatte ich das Eisentor geöffnet und mit unsichern Schritten ging ich weiter, den Weg entlang, während der Schnee unter meinen Schuhen knirschte.
Noch immer war es dunkel, aber so langsam schälte sich die Sonne aus dem Bett. Die Wolken machten aber einen genießerischen Sonnenaufgang unmöglich.

„Hey Dad", murmelte ich und ließ mich neben den Stein fallen, um mich dann gegen diesen zu lehnen.
Der Stein war kalt und abweisend, nur der Name und das Bild darauf hießen mich willkommen.
Ein blonder Lockenkopf mit strahlend blauen Augen lächelte mir entgegen und hilflos fasste ich an den Stein.
„Ich weiß, ich war lange nicht mehr hier...", stammelte ich vor mich hin und betrachtete Theos Grab, welches voller Schnee lag.
Mein Po wurde kalt und durchlässt, da ich auf dem Boden saß, doch es war mir egal.

Mit zittrigen Fingern strich ich über das Bild und seufzte laut, sodass eine Atemwolke vor meinem Gesicht entstand.
„Es tut mir leid... Ich bin sicherlich eine Enttäuschung für dich...", sprach ich mit dem Bild und bemerkte, wie mir Tränen in die Augen schoßen.
„Ich wünschte, ich wäre mehr, wie du, Dad", seufzte ich und ließ die Tränen unberührt meine Wangen hinunter fließen.
„Ich vermisse dich", gestand ich noch und war dann kurz still.
Die Luft war kalt, aber erfrischend, als ich tief durchatmete, um meine Gedanken zu sammeln.
Um mich herum rauschte es, irgendwo schrie ein Vogel, Autogeräusche begleiteten meine Worte.

„Ich muss dir etwas erzählen. Ich brauche deinen Rat...".

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWhere stories live. Discover now