| Chapter Twenty-Two |

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Chester hielt sein Versprechen und stand nach meiner Schicht wieder vor der Aurora, um mich abzuholen. Müde und fertig ließ ich mich auf dem Beifahrersitz nieder und nur mit Mühe und Not schaffte ich es nicht einzuschlafen. Die ganze Fahrt über redeten wir kein Wort und die Stille wurde nur von der leisten Musik des Radios unterbrochen, während wir beide unseren Gedanken nachhingen.

In Chesters Zuhause fiel ich erschöpft in dessen Bett und schloß sofort die Augen. Morgen musste ich meinem besten Freund wohl oder übel die Wahrheit sagen...
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Mit ihm würde ich mich selbst verlieren und eigentlich war ich noch nicht dazu bereit...

Am nächsten Morgen gingen wir schweigend zum Frühstück hinunter und nervös knetete ich meine Finger, um diese vom Zittern abzuhalten. Ana und Erik verwickelten mich in ein Gespräch, doch Chester starrte nur auf seinen Teller und schien in seiner eigenen Welt festzustecken.

Als wir satt waren half ich Ana noch beim Aufräumen und folgte dann Chester in dessen Zimmer, in welches er schon vorgegangen war. Mein bester Freund saß auf seinem Bett und sah auf, als ich eintrat. Mein Magen drehte sich um, als ich ihn dabei beobachtete, wie er auf den Platz neben sich klopfte und mit wackeligen Beinen ging ich zu ihm, um mich neben ihn auf das Bett zu setzen.

Einige Minuten schwiegen wir uns noch an, bis Chester dann die Stille durchbrach: „Willst du mir jetzt erzählen, was los ist, Quinn?".
Etwas panisch fuhr ich mir durch meine blonde Locken und Ches beobachtete mich dabei.

Immer wieder öffnete ich meinen Mund, um ihm die Wahrheit zu sagen, doch ich schaffte es einfach nicht. Ich wollte schreien, heulen, weglaufen, doch ich tat nichts dergleichen. Stattdessen nahm ich meinen Kopf in meine Hände und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. „Quinn", flüsterte mein bester Freund und ich spürte dessen warme Hand auf meiner Schulter. „Du kannst mir doch alles sagen, man. Wir sind doch Brüder!".

Mein Herz setzte aus, trotzdem fühlte ich den Schmerz durch meine Venen fließen. Wie Blei ätzte es sich durch mich hindurch und verbrannte mich von innen. Verzweifelt versuchte ich die Tränen zurück zu drängen und den dicken Kloß in meinem Hals loszuwerden. „I-Ich...", stotterte ich und wusste nicht, was ich sagen sollte. Hilflos schüttelte ich den Kopf und spürte im nächsten Moment starke Arme, die sich um mich schloßen.

Ich konnte es nicht. Ich konnte es ihm nicht sagen.

„Egal was los ist, ich helfe dir, Quinn", versuchte Chester mich zu beruhigen und strich mir sanft über den Rücken. Nun konnte ich die Tränen nicht mehr aufzuhalten und hoffnungslos drückte ich mein Gesicht in seine Halsbeuge. „Ist es wegen Karina und Ben?", fragte er nun vorsichtig und ich nickte schluchzend.

Ich log ihn ja nicht an, irgendwie spielten die zwei ja auch eine Rolle dabei. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Ches", wimmerte ich und spürte, wie Chester mich etwas von sich weg drückte, um mir ins Gesicht sehen zu können. Beschämt drückte ich meine Hände auf mein verheultes Gesicht, doch er nahm meine Finger und hielt sie fest.

„Du kannst wieder bei uns einziehen, dass weißt du doch. Meine Eltern haben da doch nichts dagegen", bot er mir an, doch ich schüttelte mit dem Kopf. „Das ist es nicht, Ches... Was, wenn ich die Schule nicht schaffe? Was, wenn ich dann genauso ende, wie Karina? Und Sienne dann alleine ist? Ich will nicht, dass sie alleine ist", schluchzte ich und ließ hilflos meinen Kopf hängen.

Tränen liefen mir übers Gesicht, die Wangen entlang und fielen mir in meinen Schoß. „Ach, Quinn. Mach dir doch nicht so einen Kopf! Du bist Klassenbester, wie kommst du denn auf so einen Scheiß?! Du rockst die Schule, dann findest du einen Hammer Job, verdienst Schweine viel Kohle und kannst Sienna wieder zu dir holen. Was anderes passiert nicht, versprochen. Ich pass da schon drauf auf, großes Indianer Ehrenwort", beschwor er mich und verschränkte unsere kleine Finger, so wie wir es früher immer bei einem Indianer Ehrenwort getan hatten.

Mit großen Augen starrte ich meinen besten Freund an. „Du stirbst, wenn du das Versprechen brichst, das weißt du schon, oder?", erinnerte ich ihn und er fuhr mir lachend über die Wange. „Dann soll mich der Blitz treffen", grinste er mich an und ich grinste zurück.

„Und Marek weiß das alles?", fragte Chester nach einer kurzen Pause und ich überlegte fieberhaft, was ich sagen sollte. Da ich meiner Stimme nicht traute, nickte ich einfach nur. Es fühlte sich schrecklich an meinen besten Freund anzulügen und in dem Moment, als ich es tat, wollte ich es auch schon rückgängig machen.

„Deswegen redet ihr immer so heimlich? Aber, wieso bist du weggelaufen?", erkundigte sich mein bester Freund nun weiter und ich schluckte. „Er will mir glaube ich helfen, aber ich möchte das nicht und er lässt mich damit halt nicht in Ruhe", spann ich meine Lüge weiter und schmeckte einen ekelhaften Geschmack in meinem Mund.

„Oh", überlegte Chester und kratzte sich am Kopf. „Deswegen hat er dir angeboten dich mit zu Sienna zu nehmen", verknüpfte Chester die falschen Puzzleteile miteinander und ich nickte lahm. „Jetzt macht das alles auch einen Sinn. Er hat sich jetzt schon länger seltsam verhalten, wenn dein Name fiel und, dass er dir deine Hilfe anbietet, mit Sienna und so". Wieder nickte ich einfach nur. „Aber bitte sprich Marek nicht darauf an", bat ich ihn, um mögliche Konsequenzen meiner Lüge zu umgehen.

„Ach, Quinn. Ein bisschen enttäuscht bin ich ja schon von dir, man", klagte Chester nun und erschrocken riss ich die Augen auf. Shit, wusste er etwa das ich ihn anlog?! „Ja! Wir kennen uns schon so lange! Wieso kommst du denn nicht zu mir, wenn es so schlimm ist! Ich hätte dich doch einfach zu Sienna fahren können!", erklärte er seine Aussage und ich entspannte mich wieder etwas.

„Ches... Genaus deswegen wollte ich das nicht. Du und deine Eltern haben schon so viel für mich getan! Ich saß euch schon viel zu lange auf der Tasche! Außerdem wollte ich endlich mal etwas alleine schaffen. Wollte mein Leben selbst in den Griff bekommen...", erklärte ich ihm kleinlaut und der geknickte Ausdruck verschwand aus Chesters Gesicht. „Denk bitte nicht so, Quinn! Du bist für meine Eltern doch sowieso wie ein Sohn. Du musst da nicht alleine durch, vergiss das nicht, ja?", sagte er und nahm mich erneut in den Arm.

Mein schlechtes Gewissen drückte mir die Luft aus den Lungen und ich seufzte leise.
„Danke, Ches".

Scheiße...

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWhere stories live. Discover now