| Chapter Seventeen |

248 32 5
                                    

„Guten Morgen, Quinn", begrüßte mich Anastasia und ihre braunen Augen leuchtenden mir mütterlich entgegen. „Guten Morgen, Ana", erwiderte ich den Gruß und lächelte sie an. Ches Mutter riss erschüttert die Augen auf, als sie mich sah und ließ den Lappen, mit welchem sie gerade noch die Küchentheke gesäubert hatte, achtlos fallen, um zu mir zu eilen.

„Um Gottes Willen, wer war das?! Erik, komm sofort her!", rief sie und betastete vorsichtig mein immer noch stark geschwollenes, linkes Auge. Ihre braunen, langen Haare fielen der 39-Jähren vor Aufregung in die Augen, weshalb sie sie überfordert wieder zurück strich. Nun kam auch ihr Mann, Erik, aus dem Wohnzimmer und zog die Augenbrauen nach oben, sodass seine grauen Augen noch besser zur Geltung kamen.

„Hallo Erik", begrüßte ich den alten Freund meines Vaters und dieser kam kopfschüttelnd auf mich zu, um mich kurz zu umarmen. „Dieser Junge! Erst lässt er sich ewig nicht mehr blicken und jetzt kommt er mit einem riesigen Veilchen an", beschwerte sich der große Mann bei mir und mir fiel auf, dass seine brauenden Haare langsam grauer wurden.

„Tut mir leid", murmelte ich etwas überfordert, doch Erik winkte ab. „Komm, frühstückt ihr erst mal, du musst viel mehr essen, Schatz. Schläft Chester noch?", zog mich nun Ana an den Essenstisch und drückte mich auf meinen alten Platz. Ich nickte, während sie mir ein Glas Wasser einschenkte. Sofort fühlte ich mich wieder, wie dreizehn und mit einem Mal war alles viel einfacher. Meine Probleme rückten für kurze Zeit in den Hintergrund und ich fühlte mich in der Zeit zurück versetzt.

Erik und Anastasia saßen mir gegenüber und quetschten mich etwas aus, doch all zu tief ließ ich sie nicht graben. Zwar liebte ich diese Leute, wie meine zweiten Eltern, doch wollte ich ihnen keine Sorgen bereiten. So sagte ich, dass zu Hause alles in Ordnung sei und ich nur mit einem Klassenkameraden aneinandergeraten war.

Erik lachte und erzählte, dass das Theodor, meinem Vater, wohl auch einige Male passiert sei. Auch sonst erinnerte ich ihn an seinen verstorbenen Freund, mit meinen blonden Locken und den blauen Augen. Ich liebte es, wenn Erik Geschichten von ihrer Kindheit erzählte, denn in solchen Momenten fühlte ich mich meinen Vater wieder nah. Oft hatte ich mich gefragt, wie mein Leben heute wohl aussehen würde, wenn mein Vater noch leben würde. Erst sein Tod hatte Karina aus der Bahn geworfen, erst danach verfiel sie dem Alkohol und den Drogen und kümmerte sich nicht mehr um uns. Vorher waren wir eine glückliche Familie. Naja, fast.

„Morgen", grummelte Chester, als auch er sich an den Küchentisch gesellte und nun waren meine Kindheitsgefühle komplett.
Früher hatte ich oft darüber nachgedacht, von Erik und Ana adoptiert zu werden und Ches und ich hatten uns immer ausgemalt, richtige Brüder zu sein, doch hatte ich zu wenig Mut gehabt zu fragen. Darüber hinaus hatte ich Angst, dass sie es bereuen könnten und ich ihnen zu viel Arbeit und Sorge bereiteten würde, sodass ich dann schlussendlich doch bei Karina geblieben war und ich vor lauter Scham immer weniger zu Chester nach Hause ging.

Da es Samstag war, mussten die beiden Erwachsenen nicht zur Arbeit und blieben mit uns am Tisch sitzen. Zwar bemerkte ich, dass Chester endlich seine Antworten wollte, doch zeigte er es seinen Eltern nicht und geduldete sich weiter.

Eine Weile saßen wir zusammen und erzählten einfach nur, als Ches plötzlich aufsprang und auf sein Handy, welches er in der Hand hielt, zeigte. „Shit, das hatte ich ja total vergessen!", rief er und sah entschuldigend in meine Richtung. „Ich bin mit den Jungs verabredet. Ist es okay, wenn sie zu uns kommen?", fragte er seine Eltern und mein Herz beschleunigte sich sofort. Was?! Nein! Bitte nicht! Ich hatte wirklich keine Lust auf die anderen...

„Klar, Schatz", erwiderte seine Mutter lächelnd und ich musste daran denken, wie sie ihrem einzigem Kind nie etwas abschlagen konnte. „Ist das okay für dich, Quinn?", fragte Ches nun auch mich und verdattert starrte ich ihn kurz an.
Das ist deine Chance, Quinn!, dachte ich nur, doch verwarf ich den Gedanken. Es war Chesters Haus, er durfte einladen, wen er wollte, also nickte ich schnell. „Klar", sagte ich und zwang mich zu einem falschen Lächeln, obwohl in meinem Kopf alle Alarmglocken lauteten. Marek würde sicher auch kommen und eigentlich hatte ich wirklich keine Lust ihm zu begegnen.

„Klasse", strahlte Chester. „Sie kommen gleich. Mama, kannst du uns bisschen was zum snacken machen?", fragte er seine Mutter mit einem Welpenblick und diese stimmte natürlich zu. „Also gut, aber übertreibt es nicht, Chester", beschwor Erik seinen Sohn und ich winkte meinen Ersatzeltern kurz zu, als ich Chester zurück in sein Zimmer folgte. „Ich mach mich schnell fertig", murmelte ich, da ich Angst hatte, mein Kumpel würde jetzt noch nach Montag fragen und verschwand schnell im Bad.

Als hätte ich alle Zeit der Welt putze ich mir die Zähne, cremte mein schmerzendes Gesicht ein und betrachtete mein Auge im Spiegel. Die Haut war grün und blau und so stark geschwollen, dass ich nicht wirklich etwas mit dem linken Augen sehen konnte.

Zurück in Chesters Zimmer reichte dieser mir, wie selbstverständlich, einen seiner Huddys, welcher mir viel zu groß war, doch aus mangelnder Alternative zog ich ihn mir über den Kopf, da es draußen doch etwas kalt war. Bald würde es bestimmt schneien.

Immer noch ausgelaugt ließ ich mich erschöpft in das große, weiche Bett zurück sinken, legte meine Hände an meinen Hinterkopf und schloß die Augen, um die Stille noch etwas zu genießen. Keine Fünf Minuten später hörte ich Stimmen und Schritte und einer nach dem anderen betrat Chesters Zimmer. Ich hörte, wie er sie begrüßte und dann, wie Karim mich entdecke.

„Was macht der denn hier? Ich dachte, wir halten Krisentreffen?", fragte er genervt und genauso gereizt öffnete ich meine Augen, beziehungsweise mein rechtes Auge, und erwiderte sein Blick. Ich sah, wie die Jungs mich mit großen Augen anstarrten, als sie das Veilchen entdeckten. „Ist ein Notfall", antwortete Chester nur kurzangebunden und wies seinen Freunden an, in seiner Sitzecke Platz zu nehmen und sie machten sich dort hin auf den Weg.

„Ich kann auch raus gehen, wenn ihr jetzt geheime Attentate plant", bot ich an, da ich sowieso fliehen wollte, als ich Mareks dunkelgrüne Augen erblicke, als dieser näher zu mir ans Bett kam. „Ne, bleib liegen. Reicht, wenn du dir einfach Ohrstöpsel rein machst", winkte Chester ab und schnell griff ich nach den AirPods, die auf dem Nachttisch lagen.

„Wer war das?", fragte Marek plötzlich, als er vor dem Bett stehen blieb und mich aus nächster Nähe beäugt. Seine Hände waren mal wieder zu Fäusten geballt und seine dunkelgrünen Augen blitzten gefährlich.

Das ging ihn gar nichts an!
Genervt verdrehte ich die Augen, drehte mich etwas von ihm weg und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Geschickt schnappte ich mir noch Chesters Handy und entsperrte es mit dessen Code: 0707, mein Geburtstag.
Gerade, als ich die Musik so laut hoch regelte, wie es nur ging, hörte ich noch Chester sagen: „Marek, lass ihn einfach".

Zufrieden bemerkte ich, wie Marek sich daraufhin von mir entfernte und zu seinen Kumpels ging. Es interessierte mich nicht, was sie besprachen, und so schloß ich meine schmerzenden Augen und lauschte der Musik, welche laut in meinen Ohren pulsierte.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyOnde as histórias ganham vida. Descobre agora