| Chapter Thirty-Six |

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Dann spürte ich, wie Marek aufstand und sich vom Bett entfernte. Leise öffnete er die Türe und verschwand dann murmelnd aus dem Raum.
Völlig verwirrt blieb ich liegen und hörte meinem viel zu schnell schlagendem Herzen beim Kollabieren zu.
Wieso tat Marek das alles? Was waren seine Hintergedanken dabei?
Ich verstand es nicht. Nichts passte mehr.
Meine ganze Weltanschauung war innerhalb weniger Stunden komplett über den Haufen geworfen worden, ließ mich an mir selbst zweifeln, an meinen Gedanken und Gefühlen.

Nein, ich wusste doch, was ich fühlte! Natürlich hasste ich ihn nach wie vor! Wie könnte ich jemals etwas anderes für dieses Arschloch empfinden, als Wut und Abscheu, nach allem, was er mir angetan hatte? Klar war ich ebenso schuld an dieser Situation, aber er hatte doch ein kleines Bisschen mehr Schuld daran!

Je länger ich mir das einredete, desto mehr musste ich an Mareks weiche Lippen denken. Sein warmer Mund, der sich auf meinen legte. Sein stahlharter Körper, der sich an meinen presste. Sein schneller Atem an meinem Ohr, der mich erzittern ließ. Seine rauen Hände, die mir so sanft über mein Gesicht strichen, wie ich es ihm niemals zugetraut hätte, bis sie sich dann in meine Locken krallten. Etwas hartes an meinem Rücken...
Shit! Scheiße! Verfluchte Kacke!

Hals über Kopf sprang ich auf und schüttelte mich. Wieso dachte ich daran?! Ich wollte nicht daran denken, ganz und gar nicht! Und ich wollte nicht, dass mir die Erinnerungen daran so gefielen.
Nein, nein, nein. Ich musste das alles vergessen und zwar sofort! Das beste wäre, wenn ich gehen würde. Ganz weit weg von dem Typen mit den dunklen Haaren, die ihm ab und zu verspielt in seine dunkelgrünen Augen fielen und...
Scheiße!

Total durcheinander griff ich mir an meinen Kopf, der schmerzhaft pochte, und stoplerte aus dem Zimmer, wobei ich im Gang prompt mit jemanden zusammen stieß. „Oh, sorry", murmelte der Kleine und strich sich verschlafen über die Augen. „Bist du auch kein Frühaufsteher?", fragte Moe mich und gähnte ausgiebig. Immer noch überfordert schüttelte ich einfach nur mit dem Kopf und wand mich dann von dem Jüngeren ab, um die Treppen hinunter zu eilen. Meine Beine zitterten und meine Gedanken flogen wild in meinem Kopf herum, doch konnte ich keinen davon fassen, zu schnell und zu wendig waren sie.

Endlich im unteren Stockwerk angekommen hörte ich Geschirr klappern und betrat das Esszimmer. Die ganze Familie Pawlow saß am Frühstückstisch, bis auf Moe, der gerade die Treppen herunter geschlüft kam. Ich sah den großen Mann und dessen Frau, die Oma und der der große Bruder und...
Marek.

Mein Herz setzte aus und mein Gehirn schaltete ab. „Ich wollte mich für Ihre Hilfe und die Gastfreundschaft bedanken", sagte ich tonlos, während es sich anfühlte, als würde ich schlafwandeln. Die verwirrten Gesichter ignorierte ich und fuhr fort: „Ich weiß nicht, wie ich das je wieder gut machen kann, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause. Danke nochmal", murmelte ich und drehte mich um, setzte einen Fuß vor den anderen, bis ich vor der Haustüre stand. Hinter mir hörte ich Minella etwas rufen, doch ich verstand sie nicht.
Es war, wie ein Traum, wie, als wäre ich unter Wasser. Ich stand außerhalb meines Körpers und sah mir selbst dabei zu, wie ich die Türe öffnete und aus dem Haus trat.

Meine Schritte waren schnell und groß, während ich mich immer weiter von der Villa entfernte.
Meine Augen brannten, mein Herz krampfte sich zusammen und ich klappte unter der Last dieser Gefühle fast zusammen.
Ich fühlte so unglaublich viel auf einmal und doch, fühlte ich gleichzeitlich nichts.
Ich war leer und doch platze ich beinah.
Was sollte ich jetzt tun? Wo sollte ich nur hin?

Schneeflocken fielen mir ins Gesicht und mich hätte es nicht gewundert, wenn sie nicht geschmolzen währen. Mir war so kalt, so unglaublich kalt. Ich war kalt.

Erst, als er mich kräftig an den Schultern schüttelte erwachte ich aus meiner Starre. „Was soll das denn, Quinn? Wieso ignorierst du mich denn jetzt?", meckerte mich der Dunkelhaarige an und packte mich am Handgelenk. Seine dunkelgrünen Augen blitzen mir wütend entgegen und es war, als würde ich aus einem tiefen Schlaf aufwachen.

Kurz schüttelte ich den Kopf, um mich zurück in die Realität zu holen und wollte Marek dann meine Hand entziehen, doch dieser hielt mich eisern fest. „Was ist denn plötzlich los mit dir?", fragte er nach und ungläubig atmete ich aus. „Was mit mir los ist? Ist das dein scheiß Ernst?!", begann ich zu schreien und er sah sich unruhig um. „Können wir das bitte drinnen klären?", murmelte er und ich beobachtete, wie ein paar Schneeflocken auf seinen Haaren landeten. Da Marek nur einen Pulli trug musste er wohl frieren, auch, wenn von ihm immer eine unbändige Hitze ausging, wie von einem Ofen.

Endlich schaffte ich es, seine Finger von mir zu lösen und ich trat einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Mein Mund war trocken und mein Herz pochte in meiner Brust. „Nein. Ich geh nach Hause", antwortete ich zickig und wollte mich schon wieder umdrehen. „Du gehst ganz sicher nicht dahin!", knurrte er sauer und stellte sich nun direkt vor mich, schnitt mir den Weg ab, während er seine Hände zu Fäuste geballt hatte. Er war größer und stärker und die Tatsache, dass er mich am Gehen hindern konnte, machte mich unglaublich sauer. Wut breitete sich in mir aus, wie ein Lauffeuer wütete es durch meinen ganzen Körper und frass mich auf.
Was fiel ihm ein? Was dachte er, wer er war?!

„Und ob ich das tu! Du hast mir gar nichts zu sagen, Arschloch!", brüllte ich ihn an, obwohl ich wusste, dass es nicht richtig war. Er hatte mir das Leben gerettet und seine Familie hatte mich so herzlich aufgenommen, aber gegen meine Wut konnte ich einfach nichts tun. Sie brach aus mir heraus und verbrannte alles um mich herum gleich mit.

„Du gehst nicht nach Hause, Quinn. Nicht solange so ein Schläger bei der Zuhause sitzt", erwiderte Marek, deutlich leiser und strich sich über seine dunklen Haare, um die Schneeflocken daraus zu entfernen. Meine Hand zuckte, als ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht streichen wollte, doch ich konnte mich beherrschen.
Meine Wut verrauchte und übrig blieb ein kleiner, trauriger Aschehaufen.

Er wollte mir helfen.
Der Gedanke war so absurd, dass ich mir ein komisches Lachen nicht verkneifen konnte. Marek und sich Sorgen machen? Um mich? Wer's glaubt, wird selig!
„Was lachst du denn da?", fragte er, während er wütend seinen Körper anspannte. Jetzt lachte ich laut und konnte nicht mehr an mich halten.
Wie absurd! Total abwegig! Wo zum Teufel war die versteckte Kamera?

„Hörst du dir eigentlich selbst zu, Marek? Was hat dich das denn zu interessieren? Genau, gar nichts, denn das ist allein meine Sache und allein mein Problem, kümmer du dich um deine eigenen und lass mich einfach in Ruhe!", fuhr ich ihn an und spürte wieder diesen abscheulichen Hass in mir aufsteigen, welcher einen ekelhaften Geschmack in meinem Mund hinterließ.

Ich meinte die Worte genau so und trotzdem tat es mir im nächsten Moment doch leid, sie ihm ins Gesicht gespuckt zu haben. Marek sagte nichts und bewegte sich auch nicht, starrte einfach nur auf den Boden hinter mir und wütend umrundete ich ihn und lief weiter, setzte einfach einen Fuß vor den anderen.

Was hatte ich erwartet? Das er mir theatralisch nach lief, mich in den Arm nahm und sich für alles, was er je getan hatte, entschuldigte?
Bist du naiv, Quinn...

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWhere stories live. Discover now