| Chapter Ten |

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Murrend öffnete ich meine Augen. Mein Kopf dröhnte und mein ganzer Körper schmerzte, als hätte mich ein Panzer überrollt. Als ich bemerkte, wie etwas meine Speiseröhre entlang wanderte, sprang ich auf und stürzte in das chaotische Badezimmer, um mich zu übergeben. Schnell war ich auch vom Rest meines Mageninhaltes befreit und erschöpft machte ich mich und das Klo sauber. Das war's, nie wieder Alkohol!

Völlig müde und ausgelaugt verließ ich das Badezimmer wieder und lief in die Küche. „Morgen, Quinn", begrüßte mich eine tiefe Stimme und überrascht schaute ich auf.

Benjamin saß auf unserem alten Sofa und hatte es sich dort bequem gemacht. In einer Hand hielt er eine halb gerauchte Kippe und in der anderen ein Bier. Angewidert starrte ich ihn an und drehte mich dann wieder um, um in mein Zimmer zurück zu gehen. „Man erwidert Grüße!", rief mir Karina hinterher und genervt verdrehte ich meine Augen. Als wüsste sie etwas von Anstand und Höflichkeit...

„Lass ihn, Ina. Der Junge wird schon noch früh genug lernen, wie das Leben so ist", lachte Ben und fast hatte ich es zu meiner Zimmertüre geschafft. „Quintus Jamie Dekker, komm gefälligst her, wenn ich mit dir rede!", ignorierte meine Mutter den Einwand ihres Freundes und wütend atmete ich tief durch.
Das konnte doch nicht wahr sein! Ausgerechnet heute, wo ich einen verdammten Kater hatte, mussten die beiden da sein.

„Was denn?", bluffte ich Karina an, als ich zurück in die Küche lief und vor meiner Mutter stehen blieb. Sie trug ein hautenges rotes Shirt und ihre Haare waren zu einem Zopf hochgebunden, was ihr ein strenges Aussehen verlieh. „Wo warst du?", erwiderte sie genauso zickig und fragend hob ich meine Augenbrauen. Seit wann interessierte sie sich bitte für mich, wo ich war und was ich machte?

„Auf einem Geburtstag, wieso?", antwortete ich ihr dann verwundert und sie schnauft laut aus. „Wieso?! Du solltest meinen Dienst übernehmen, schon vergessen?", funkelte sie mich böse an und ich verdrehte meine Augen. Tatsächlich hatte ich es ja nicht vergessen, es war mir nur egal gewesen. Karina ließ mich immer in der Tankstelle antanzen, wenn sie sich mal wieder zu schlecht fühlte, doch langsam ging es mir auf die Nerven. In letzter Zeit wurde es immer schlimmer und meine Geduld war aufgebraucht.

„Nein, Karina, das habe ich nicht vergessen, aber du bist alt genug deine Arbeit selbst zu machen, ich bin doch nicht dein verdammter Untergebener!", entgegnete ich ihr wütend und hörte ein Scheppern vom Sofa. Ben war aufgesprungen und kam auf mich zugestürmt. Viel zu schnell, als das ich hätte reagieren können, schnappte er mich am Kragen und schleuderte mich brutal an die nächste Wand.

„Wie redest du mit deiner Mutter, du Stück Scheiße!", schrie er mich an und legte seine gewaltige Hand um meinen Hals, sodass ich laut nach Luft schnappte. Seine braunen Augen glitzerten gefährlich, wie die eines Löwen, welcher gleich seine nächste Beute zerfetzte und mein Herz raste. Verzweifelt versuchte ich mich gegen den Riesen zur Wehr zu setzen, doch ich hatte keine Chance. Er schnürte mir weiterhin die Luft ab und Tränen liefen mir aus den Augen, sodass mein Blickfeld verschwamm und kurz durchzuckte mich der Gedanke, dass er es einfach zu Ende bringen sollte.

Wie, als wäre das alles weit weg, hörte ich Karina rufen, dass Ben mich loslassen sollte, doch dieser dachte nicht daran. „Entschuldige dich gefälligst", brüllte er und um mich herum wurde es nun langsam dunkler. Gerade, als ich dachte, dass es das war, schoss der kühle Sauerstoff zurück in meine Lunge, füllte sie aus und erleichtert schnappte ich immer wieder tief nach Luft.

„Entschuldige dich, du Bastard", wiederholte Ben und versetzte mir noch einen aufforderten Schlag gegen meine Schulter. Verärgert erwiderte ich seinen dunklen Blick und ignorierte Karina, die immer noch versuchte, uns zu trennen. „Fick dich", flüsterte ich klar und deutlich und sah, wie Feuer in Bens Augen aufflammte. Mit einem gefährlichen Knurren wollte sich der Riese schon wieder auf mich werfen, doch Karina schaffte es, ihn von mir wegzuziehen. „Verschwinde, Quintus", murmelte sie zu mir, bugsierte ihren Freund wieder auf das Sofa und drückte ihm eine neue Bierflasche in die Hand.

Wütend schnaufte ich aus und lief in mein Zimmer. Schnell zog ich mir etwas neues an, machte mich im Bad fertig und verließ die dreckige Wohnung. Ein schneller Blick auf die Uhr, es war 9:30 Uhr, verriet mir, dass ich noch eine halbe Stunde Zeit hatte, bevor meine Schicht im Ricci's begann. Also machte ich mich müde und verärgert auf den Weg zu dem Restaurant.

Dort angekommen betrat ich das kleine Gebäude und wurde von meiner Kollegin Susi begrüßt, die schon da war.
Susanne war eine rothaarige, Mitte vierzig Jährige Sportskanone, die immer gute Laune hatte und mich immer auf andere Gedanken bringen konnte.
Die Einrichtung war in einem einheitlichen dunkelrot gehalten und bereits jetzt saßen schon einige Gäste an den Tischen, bereit, das Frühstück serviert zu bekommen.

„Guten Morgen, Quinn. Wie war deine Woche, mein Kleiner?", begrüßte mich Susi mit liebevoll glitzernden, grauen Augen und fuhr sich geschickt durch ihre kurzen, feuerroten Haare, um ihre Frisur zu richten. „Ganz okay, Schule halt", erwiderte ich ihr kurzangebunden. „Und deine? Wie geht's Sofie?", fragte ich noch hinterher und band mir die Kellnerschürze um. Das dunkelrot passte zu meinem schwarzen Oberteil und zufrieden strich ich die Schürze glatt.

Susis kleine Tochter litt unter Depressionen und bereitete ihrer Mutter somit große Sorgen. Mit ihren Sechzehn Jahren lag sie hauptsächlich in ihrem Zimmer und jedes mal, wenn Susi das Haus verließ, hatte sie große Angst, ihre Tochter alleine zu lassen. „Ach", begann meine Kollegin und seufzte tief. „Unverändert".

Kurz streichelte ich ihr über den Rücken und sie schenkte mir ein falsches Lächeln, während in ihren Augen verdächtige Tränen glitzerten. „Heute wird kein Zuckerschlecken, Francis ist immer noch krank", sagte sie nun in ihrem gewohnt freudigen Ton und machte sich dann auf den Weg zu einem Tisch, um die Bestellungen der neuen Gäste aufzunehmen.

Immer noch kochte heiße Wut in mir, wenn ich an Ben dachte, doch hoffte ich, dass mich die Arbeit etwas ablenken würde. Da unser Arbeitskollege Francis fehlte, würde ich vor Stress eh keine Zeit haben weiter darüber nachzudenken.

Seufzend lief ich von der Theke in die Küche und begrüßte Mark und Olga, die sich um das Essen kümmerten. „Hey, Leute. Wie geht' s euch?".
Olga winkte mir zu und unter ihrem Haarnetz sah ich ihre braunen Haare hervor blitzen. Die 37-Jährige kochte für ihr Leben gerne, doch hatte sie es nie aus diesem Loch hier heraus geschafft. Leider, ich fand, sie kochte fantastisch.

„Hi, Quinn", sagte sie nur und machte sich weiter ans Arbeiten. „Quinn, das an Tisch Vier", murrte Mark und mit seinen grauen Haaren und den großen, grauen Augen erinnerte er mich an eine Eule und drückte mir das Gericht in die Hände. Die zwei Spiegeleier glänzten im Licht der Deckenlampen und der Duft des Specks ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen.

Schnell griff ich mir noch Besteck und setzte ein falsches Lächeln auf.
Los geht's.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt