| Chapter Fifty |

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Mittlerweile hatten sich auch Minella und Henriette zu uns an den Tisch gesetzt und halfen den zweien beim Erzählen der Familienchroniken und mir schwirrte schon der Kopf vor lauter Namen.

Henriette hatte ihren Mann Kolja 1960 kennen gelernt, als dieser als Flüchtling nach Deutschland kam. Ursprünglich stammte der, laut Henriette, unglaublich gut aussehende, dunkelhaarige Charmeur aus Ungarn und musste dort vor Hunger und Armut fliehen.
Ihre Liebe war nicht gern gesehen und so beschloss Henriette mit Achtzehn ihre Familie zu verlassen und mit Kolja eine eigene zu gründen.
Aus ihrer Ehe entstanden vier Kinder: Dain, seine größere Schwester Sarina, sein älterer Bruder Janush und seine kleinere Schwester Aurela, die leider schon vor einigen Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war.
Sarina und ihr Mann Flynn hatten zwei Töchter: Opelia und Jumana. Ihr Sohn Corry war bereits als Baby verstorben.
Bennett, der Mann von Aurela, hatte drei Kinder: Julien, Tiana und Matteo.
Dains Bruder Janush war mit Samira verheiratet, wobei zwei Kinder aus dieser Ehe hervor gingen: Kaya und Nael.

Auf Minellas Seite war es übersichtlicher.
Sie hatte zwei Geschwister: Ihr großer Bruder Simeon und ihre große Schwester Ava.
Simeon war weder verheiratet, noch hatte er Kinder.
Da Ivar bei der Erzählung extra erwähnte, dass er weder eine Frau noch einen Mann hatte, atmete ich unbemerkt aus und ich schloss ihn noch etwas tiefer in mein Herz.
Ava war mit Charlie verheiratet, wobei sie drei Kinder groß zogen: Cosima, Colin und Milo.
Natürlich konnte ich mir nicht alle merken, doch versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen, um später vor den ganzen Leuten nicht ganz so planlos auszusehen.

„Vermisst du deinen Dad manchmal, Quinn?", fragte mich Moe leise, als eine kleine Pause entstanden war. Minella atmete tief ein und sah ihren kleinen Sohn strafend an, doch das war diesem egal.
Mein Herz schlug schnell und schmerzhaft. „Und wie", antwortete ich dem Kleinen und lächelte ihm traurig zu. „Es vergeht keinen Tag an dem ich nicht an ihn denke".
Mitfühlend nickte Moe mir zu und ich sah, wie er kurz zu seiner Mutter linste.
Der arme...
Nervös suchte ich nach Worten, doch mein Kopf war leer und still.

„Wie wärs, wenn du uns etwas auf dem Klavier vorspielst, Quinn?", durchbrach Ivar die unangenehme Stille und dankbar, für diese Ablenkung, nickte ich. „Ich weiß zwar nicht, wieviel ich noch kann, aber gerne".
Ivar stand auf und forderte mich auf, ihm zu folgen. Schnell schob ich mir den Rest meines Brötchens in den Mund und lief dem großen Jungen hinterher ins Wohnzimmer.

Der Raum war riesig und wunderschön eingerichtet. Natürlich stand ein Flügel, obwohl hier keiner spielen konnte, in einer Ecke und ich wunderte mich erst gar nicht darüber, ich verstand ja nichts von reichen Leuten...
Dain saß in einem Sessel und schaute fragend von der Zeitung in seiner Hand auf, als wir alle zusammen das Zimmer betraten.
Minella, Henriette, Ivar und Moe nahmen auf dem Sofa in der Nähe Platz und nervös tippelte ich zu dem großen, wunderschönen Klavier.

Ehrfurchtsvoll fuhr ich kurz über die Tasten, ohne sie zu spielen und setzte mich dann auf den Hocker.
Meine Finger zitterten und panisch strich ich mir die Haare aus dem Gesicht, bevor ich dann meine Augen schloß und meine Hand bereit machte.
Es war, als wäre ich wieder sieben und ich hörte, wie mein Vater mir Ratschläge gab. Ich richtete meine Haltung, atmete tief durch und begann, die Tasten zu drücken.

Erst ganz vorsichtig und langsam, dann war es, als würde es aus mir heraus brechen.
Ich wusste nicht, was ich spielte, ich dachte auch nicht darüber nach.
Ich spielte und ich spielte und ich spielte und konnte gar nicht mehr aufhören und ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich mich das letzte mal so frei gefühlt hatte.

Früher hatte ich täglich mit meinem Vater Musik gemacht, es hatte zu meinem Leben dazu gehört. Als er starb hatte ich es einfach kurzerhand aus meinem Leben verbannt, dachte, es wäre zu schmerzhaft.
Ein schrecklicher Fehler, der mir erst jetzt bewusst wurde.
Die Musik floß durch mich hindurch und schien die ganze Wut, das ganze Feuer in mir zu besänftigen und säuberte alle Wunden.
Ich hörte meinen Dad singen, spürte Sienna neben mir sitzen, fühlte, wie meine Mom unseren Klängen lauschte.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWhere stories live. Discover now