| Chapter Forthy-Nine |

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Irgendwann stand ich wortlos auf und lief aus dem Zimmer, weiter in das große Bad. Meine Knie zitterten, doch krampfhaft hielt ich all meine Gedanken und Gefühle unter Verschluss.
Erst, als ich mich mit dem Rücken an der Badenzimmertüre herunterrutschen ließ, legte ich mir mein Gesicht in die Hände und konnte die Tränen nicht länger unterdrücken.

Ich war so dumm, so verflucht nochmal dumm!
Wieso hatte ich mich so benutzen lassen?!
Dreckig und schmutzig und mies und scheiße und ausgenutzt, so fühlte ich mich.
Wieso tat dieser Arsch das? Für sowas gab es genug andere Typen! Wieso hatte ich da nur mitgemacht?

Ich hasste mich.
Scheiße, scheiße, scheiße!
Ich wünschte, ich wäre einfach gegangen, als ich es vor hatte.
Einfach weggelaufen, weg von diesem Haus und weg von ihm.
Selbst, wenn ich Ben begegnet wäre, schlimmer als das hier hätte es nicht sein können!

Wie sollte ich denn da wieder ins Zimmer zurück gehen?
Wie sollte ich wieder mit ihm in einem Raum schlafen?
Wie sollte ich ihm je wieder in die Augen sehen können...?
Ich bin so peinlich!

Nein.
Nicht ich.
Er.

Er war Schuld, natürlich.
Ich wollte es nicht, ich wollte ihn aufhalten, ihn stoppen!
Er hat doch nicht aufgehört.
Es war ganz allein seine Schuld.

Immer weiter redete ich es mir ein und spürte, wie der Hass, die Wut und der Schmerz mir den Atem raubten und meine Sinne betäubten.
Was sollte ich nur tun?

Nachdenklich und wütend stieg ich aus der dreckigen Hose und pfefferte sie in eine Ecke. Dann stieg ich unter die Dusche und versuchte meine inneren Dreck und Schmutz wegzuspülen, was mir nicht wirklich gelang.
Immer weiter und immer schlimmer schimpfte ich in meinem Kopf und beschloss, dass ich Marek einfach ignorieren werde.

Heute war Heiligabend, nach einem kurzen Blick nach draußen schätze ich noch sehr früh am Morgen, vielleicht fünf Uhr. Der Rest der Familie, wer auch immer das war, würde kommen und ich werde so tun, als wäre alles in Ordnung, so wie immer.
Ich werde Mareks Existenz einfach völlig ausblenden und ich werde trotzdem Spaß haben.
Das klang doch nach einem Plan!

Stinksauer trocknete ich mich ab, griff nach meinen Klamotten, die an der großen Heizung hingen und die Marek wohl aus seiner Wohnung geholt hatte, und war froh, endlich wieder etwas zu tragen, was mir wirklich passte.

Marek.
Ich. Hasste. Dieses. Blöde. Arschloch.
Wie konnte jemand nur so egoistisch sein?!
Immer brutaler brannte sich die Wut durch meinen Körper, bis ich, nachdem ich fertig war, hasserfüllt die Türe aufriss und in das gegenüberliegende Zimmer zurück trampelte.
Gerade, als ich mit meiner Wutrede anfangen wollte, blieb ich stocksteif und perplex im Türrahmen stehen.

Er war weg.
Sein Bett war leer und sowohl sein Handy, als auch seine Schlüssel, welche auf dem Nachttisch lagen, fehlten.

Er war weg.
War das sein Ernst?!

Nun noch wütender, weil ich wusste, dass ich später sicherlich nicht mehr den Mut dazu hatte, ihm die ganzen Dinge an den Kopf zu werfen, ging ich zu der Schlafcouch und ließ mich darauf fallen.
Meine Gedanken flogen wild umher, mein ganzer Körper zitterte und verweifelt versuchte ich nochmal einzuschlafen.

Alles pulsierte, alles kribbelte, alles fühlte sich seltsam an.
Wie konnte ich mich nur so tief in die Scheiße reiten...?
Ob Marek zu seiner Wohnung gefahren war? Oder doch zu jemand anderen?!
Arg, das war mir doch egal, völlig gleichgültig!
Der Typ sollte bleiben, wo der Pfeffer wuchs!
Tief in meinem Hass und der Wut verstrickt schloß ich die Augen und wünschte mich weit weg.

Weihnachten.
Das Fest der Liebe, der Familie und der Freude.
Kotz.
Wie ich es hasste.

„Guten Morgen, Quinn!", begrüßte mich ein viel zu gut gelaunter Moe und verschlafen und mürrisch rieb ich mir die Augen, während ich mich neben dem Kleinen auf den Stuhl fallen ließ. „Morgen", grüßte ich zurück und ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Nur Ivarin und Moetis saßen noch am Frühstückstisch, von ihren Eltern und der Großmutter hatte ich Stimmen aus dem Wohnzimmer gehört. Wo ihr teuflischer Bruder war, interessierte mich auch gar nicht.

Nervlich am Ende griff ich nach einem Brötchen und der Nutella, um meine Laune mit etwas Zucker zu heben.
„Wie geht's dir?", stellte Ivar, der mir gegenüber saß, die Frage und bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick, welcher mit dem seiner Mutter locker mithalten konnte.
Sieden hieß fielen mir Mareks Worte über Minella ein und ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. „Gut. Und euch?", murmelte ich, während ich mir panisch über die Haare fuhr.

Wie sollte ich mich verhalten? Sollte ich sie darauf ansprechen? Ihr meine Hilfe anbieten? Würde sie das peinlich finden?
Ach, Scheiße, ich würde auch nicht darüber reden wollen!

„Also mir geht es hervorragend!", begann Moe laut schmatzend und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. „Heute Abend gibts Geschenke!".
Ivar schüttelte den Kopf und betrachtete seinen kleinen Bruder lächelnd. „Und du freust dich, deine Familie zu sehen, stimmt's?", rügte er ihn und sein lockerer, aber auch gleichzeitig strenger Umgang mit seinem kleinen Bruder ließ Ivarin in meinen Augen als Held dastehen.

Ihre geschwisterliche Beziehung erinnerte mich an die, die ich mit Sienna hatte und sofort zog sich mein Herz voller Sehnsucht zusammen.
Was sie wohl gerade machte? Bestimmt dekorierte sie den Weihnachtsbaum. Das tat sie doch so gerne...
Irgendwann werde ich ihr den größten und schönsten kaufen, den sie dann in unserer Wohnung schmücken konnte.
Bei diesem Gedanken wurde mir warm ums Herz und ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen.

„Ja, natürlich", stimmte Moe seinem Bruder ernst zu, doch entging keinem von uns seinen sarkastischen Unterton.
„Weißt du wo Marek ist?", riss mich Ivar dann aus meiner guten Laune und mein Lächeln fiel mir aus dem Gesicht. „Keine Ahnung", erwiderte ich kurz angebunden und mein ganzer Körper kribbelte, als ich an die dunkelgrünen Augen dachte.
Dieser scheiß Kerl.

„Er wird wieder in seine Wohnung gefahren sein", erklärte Moe und schmatzte munter weiter, während Ivar nachdenklich nickte. Seine dunklen Haare wipten dabei und der durchdringende Blick aus seinen dunklen Augen in meine Richtung machte mich nervös.
„Nimm das nicht persönlich, Quinn. Das hat nichts mit dir zu tun", informierte mich der große Bruder und ich hob überrascht meinen Kopf.

Natürlich hatte er bemerkt, dass etwas nicht mit mir stimmte, er kam wohl sehr nach seinem Vater. Das es an etwas anderem lag, konnte er aber nicht wissen.
„Ja", bestärkte nun auch der kleine Bruder die Aussage. „Marek wollte schon immer eine eigene Wohnung haben. Selbst, als er noch hier gewohnt hat, war er die meiste Zeit in seinem Zimmer. Er mag es lieber alleine".

Verwundert, da ich nicht wusste, wie ungern Marek wohl unter Menschen war, nickte ich einfach nur.
„Wusstest du, dass Marek mal mit dem Kopf in die Heizung gefallen ist?", fragte Moe mich und unbeteiligt schüttelte ich den Kopf.
Ich wollte nicht über ihn reden, nicht jetzt, nicht hier und nicht mit seinen Brüdern.

Noch eine Weile unterhielt ich mich mit Ivar und Moe und versuchte meine Gefühle tief in mir einzusperren. Die zwei waren lieb und lustig und so gar nicht wie Marek.
Sie erzählten mir von ihrer Kindheit, von ihren Großeltern, wobei nur noch Henriette am Leben war, und vom Rest der Familie.
Später würden also einige Leute dazu stoßen und das machte mich ganz hibbelig.
Laut Ivarin waren zwar alle nett, doch bekam ich bei dem Gedanken, Achtzehn neue Leute kennen zu lernen, weiche Knie.

Fragile - Falling like the stars || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt