49~ a well read woman is a dangerous creature

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Schwungvoll schlage ich die Autotür zu und steuere das Schulgebäude an. Ich finde es deutlich übertrieben von Alex, dass er mich unbedingt zur Schule bringen muss. So Dumm, dass ich jetzt schon wieder schwänze, bin ich jetzt auch nicht.

Ohne irgendjemand auch nur anzuschauen überquere ich den Schulhof und ziehe die Tür zum Schulgebäude auf. Drinnen empfängt mich die ausgelassene Stimmung der meisten Schüler, rum rennende Fünftklässler und die etlichen Freundesgruppen. Da ich dazu gezwungen bin hier zu bleiben, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Weg zum Klassenraum einzuschlagen.
Und keine zwei Minuten später lasse ich mich auf meinen Platz in der letzten Reihe fallen. In 4 Minuten beginnt der Unterricht, Erdkunde, bei irgendnem Referendar Idioten, den keiner leiden kann, aber er jeden.

"So, guten Morgen liebe Schüler", übermotiviert und zu früh tritt er strahlend den Raum. In seiner Hand eine Thermoskanne und die typische Lehrer Ledertasche. "Guten Morgen Herr Ahlmann", kommt es eher desinteressiert zurück. Er lässt sich aber nicht von seiner guten Laune beirren und kramt das Buch hervor. "Also holt mal alle eure Hausaufgaben raus, dann können wir beginnen. Hat sie jemand nicht gemacht?", prüfend lässt er seinen Blick über die Klasse schweifen, bis er an meinem erhobenen Arm hängen bleibt. "Du nicht, Noa?"
"Ich war in der letzten Stunde nicht da, deshalb wusste ich es nicht", erkläre ich entschuldigend. Alle 24 Augenpaare liegen auf mir. Als ob die hier wirklich jeder gemacht hat außer mir. Unangenehm. "Ja dann passt du besonders auf", Herr Ahlmann widmet sich wieder der ganzen Klasse. "Wer möchte die denn vorstellen?"
Die Hausaufgabenbesprechung und einer gefühlt stundenlangen Diskussion später, machen wir mit dem eigentlichen Unterricht weiter.
Im Gegensatz zu den meisten anderen höre ich nicht zu. Erstens konnte ich Erdkunde noch nie und zweitens ist das ziemlich unnötig das ganze Zeug zu wissen.

"Noa, kannst du mir dann bitte ein östliches Nachbarland von Deutschland nennen?", Herr Ahlmanns Stimme lässt mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Etwas verwirrt schaue ich mich um. "Was? Könnten Sie die Frage nochmal wiederholen?", frage ich unsicher. Er seufzt. "Ob du mir ein Nachbarland nennen kannst, dass östlich liegt."
"Ähm", angestrengt denke ich nach. "Wird das heute noch was?", hakt er erneut nach. "Schweiz?", mehr geraten als gewusst gebe ich meine Antwort. In der Klasse bricht allgemeines Gelächter aus. Jaja, vielen Dank auch. "Nein, leider nicht. Aber hör einfach zu und probiere es nochmal", aufmunternd lächelt er mich an. Sehe ich so aus, als würde ich das nochmal probieren? Ganz sicher nicht.
"Versuchs doch Mal mit Schweiz", äfft ein Mädchen neben mir. Leider laut genug, was ein erneutes Lachen meiner Klasse nach sich zieht. "Sei ruhig", raune ich ihr wütend zu und atme tief durch. Dieses Gefühl, dass alle über mich lachen ist schrecklich. "Jetzt musst du aber nicht gleich weinen jaa?", zieht sie mich weiter auf. "Patrizia, jetzt ist Schluss!", probiert der Lehrer noch zu schlichten. Ihr dummes Grinsen schaut aber nicht wirklich danach aus, als würde diese Aussage etwas an ihrem ändern. Wütend springe ich auf und mache das was ich am besten kann, ihr eine runterhauen. Im Nachhinein vielleicht nicht die beste Entscheidung, aber später ist man ja immer klüger. Für ein paar Sekunden steht alles still. "Hast du sie noch alle?", keift Patrizia in die Stille. Ich werde von allen angestarrt. Zum dritten Mal in dieser Stunde. Unüberlegt treffe ich eine Entscheidung und stürme aus dem Klassenzimmer, durch die halbe Schule und schlussendlich nach draußen auf den Schulhof. Etwas entfernt vom Eingang der Schule lasse ich mich, gegen einen Baum gelehnt, nieder und wische mir die ersten Tränen vom Gesicht. Und Mal wieder einmal habe ich absolute scheiße gebaut.
Am liebsten würde ich einfach verschwinden, für immer. Die Reaktion von Alex könnte ich mir nämlich gut sparen. Um ehrlich zu sein will ich sie mir garnicht vorstellen.

"Noa?", ruft plötzlich jemand über den Hof. Der Referendar, wegen dem das alles überhaupt passiert ist. Kaum einen Moment später hat er mich auch schon entdeckt. "Kommst du bitte ins Direktorat. Dein Bruder wurde schon informiert", bittet er mich, während er mit schnellen Schritten auf mich zu kommt. Obwohl er sich alle Mühe gibt streng zu klingen: es klappt nicht wirklich. "Verschwinden Sie einfach! Lassen Sie mich in Ruhe!", brülle ich ihn an. Obwohl ich eine Widerrede seiner seits erwarte, kommt nichts. Stattdessen dreht er sich wieder um und geht zurück zum Gebäude. Ein weiteres Indiz dafür, dass er ein Referendar ist.

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even the devil was once an angel [ASDS] Where stories live. Discover now