Carcan - Die Winterkriege

由 LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... 更多

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Ein schöner Mann
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Gruppe 1
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Aaros' Entscheidung
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Der Berglöwe
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Ein hungriger Geist
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen

97 19 3
由 LePing

Qen - Von der Wohnung des Generals hatte man einen grandiosen Blick auf den Schlossplatz. Bedienstete hatten uns kleine Häppchen und Getränke gebracht, die so edel schmeckten, dass ich mir nicht sicher war, ob mein Magen sie überhaupt würde verdauen können.

„Ich sag ihm schon ewig, dass ein paar Stullen auch ausreichen würden", meinte Stark zu mir als er ein Blätterteiggebäck mit einer Kaviarfüllung hochhielt. „Aber er will einfach nicht auf mich hören. Komisch, oder?"

„Wenn es nach Ihnen ginge, müsste man überall Feldrationen servieren", erwiderte Lilienthal, der natürlich jedes Wort gehört hatte. „Lassen Sie sich von dem verlausten Feldwebel nichts sagen. Es geht nichts über gute Küche."

„Das sind Fischeier, Herr General. Fischeier!"

„Eine Delikatesse!"

Die verstehen sich wirklich gut, dachte ich ohne jegliche Ironie. Zwar schienen sie sich auf den ersten Blick zu streiten, doch man spürte sofort, dass zwischen diesen beiden Männern eine freundschaftliche Atmosphäre herrschte. Es schwang zu jeder Zeit ein Lachen in ihren Stimmen mit. Wie sie sich wohl kennengelernt haben?, wunderte ich mich. So kompetent Feldwebel Stark als Ausbilder auch sein mochte, er war niemand, der sich in Offizierskreisen bewegte. Schon gar nicht unter Generälen!

Ob ich sie einfach fragen kann? Interessieren würde es mich ja schon...

Bevor ich jedoch nur irgendeine Frage stellen konnte, öffnete sich die Tür. Ich drehte mich und entdeckte zwei zierliche Gestalten im Rahmen. Eine vornehme Dame um die fünfzig, gekleidet in ein Seidenkleid und einen Mantel, für den bestimmt einige Füchse hatten sterben müssen. Sie trug eine kleine Brille auf der Nase und wirkte wie eine Frau, die keinen Unfug duldete. Neben ihr stand ein junges Mädchen mit rotem Haar, das zu einem langen Zopf geflochten war. Ihr herzförmiges Gesicht war voller Sommersprossen und ihre smaragdgrünen Augen strahlten fröhlich. Sie trug ein gelbes Kleid und einen ähnlichen Mantel wie ihre Begleitung.

Ich musste nicht lange überlegen, um sie zu identifizieren. Frau und Tochter Lilienthal.

„Doris! Celia!", der General schloss sie in seine Arme. „Ich dachte, ihr wolltet noch ins Café?"

„Das hat sich erledigt. Die Besitzer haben sich kurzerhand entschlossen, die Parade anzusehen und uns vor verschlossenen Türen stehen lassen", erklärte seine Frau ihm naserümpfend.

„Das tut mir Leid!", Lilienthal schüttelte den Kopf.

„Nun, man kann es nicht ändern. Ich werde Oliver auftragen, uns etwas zu servieren."

„Ja, eine gute Entscheidung. Wir sprachen gerade über seine köstlichen Kaviarhäppchen", er deutete auf das Tablett.

„Sie sind ausgezeichnet, gnädige Frau", kommentierte Stark, der neben den General getreten war.

„Herr Feldwebel", offensichtlich kannte sie ihn bereits. „Es ist schön, Sie zu sehen."

„Die Freude ist ganz meinerseits", meinte er und küsste ihre Hand, dann die ihrer Tochter.

Inzwischen hatte ich es auch auf meine Beine geschafft. Dummerweise hatte mich niemand im Vorfeld in der Etikette in vornehmen Häusern unterrichtet, so dass ich wie ein unbeholfener Dorftrottel wirken musste, wie ich den beiden Damen gegenübertrat. Zu meinem Glück übernahm General von Lilienthal das Wort.

„Doris, Celia, das ist Gefreiter Shendong, ein Untergebener von Feldwebel Stark. Er ist heute ebenso unser Gast."

„Willkommen in unserem Zuhause", sagte seine Gattin ohne jegliche Emotion und hielt auch mir die Hand hin. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstand sogar ich und zeigte ihr die gleiche Ehrerbietung wie der Feldwebel zuvor.

Dann trat ich vor seine Tochter. Als sie zuvor in dem dunklen Türrahmen gestanden hatte, hatte ich gar nicht bemerkt, wie hübsch sie war. Von Nahem hingegen war sie umwerfend! Ihre Nase, ihre Augen, ihre Lippen, einfach alles an ihr war perfekt! Ich war so gefesselt, dass ich vielleicht einen Moment zu lange starrte. Stark räusperte sich und endlich ergriff ich ihre Hand, woraufhin das Mädchen leise kicherte.

„Ich entschuldige mich, Fräulein Celia", sagte mein ehemaliger Ausbilder. „Er hat seine Manieren offensichtlich in der Kaserne gelassen."

„Schon in Ordnung", sprach sie nun zum ersten Mal, ihre Stimme ein sanftes Säuseln. „Er hat nichts Falsches getan."

„Sie sind zu gütig, Fräulein", dankte Stark. Wer hätte je gedacht, dass dieser ruppige Mann, der mehr Schimpfwörter und Beleidigungen kannte als jeder andere Mensch auf diesem Planeten, auch die Sprache der gehobenen Kreise sprach?

„Wir wollen euch nicht weiter stören", sagte die Frau des Generals und nickte Stark und mir zu. „Fühlen Sie sich ganz wohl und scheuen Sie sich nicht, unsere Angestellten nach irgendwas zu fragen."

Nachdem die beiden gegangen waren, verpasste der Feldwebel mir eine Kopfnuss.

„Aua", klagte ich und rieb mir den Hinterkopf.

„Lernen durch Schmerz", murmelte er nur und schlenderte wieder zu seinem Platz.

„Machen Sie sich nichts draus", der General zwinkerte mir zu. „Meine Celia wird noch so einigen Männern den Kopf verdrehen."

„Sie ist wirklich wunderschön", sagte ich unfreiwillig.

Er musste lachen. „Sie ist mein Meisterwerk", aus ihm sprach der Vaterstolz. „Wenn sie nur ein erfülltes Leben hat, kann ich kein glücklicherer Mann sein."

Einen Moment lang starrten wir ihr beide noch durch die verschlossene Tür hinterher, dann räusperte Stark sich. „Sie marschieren ein."

„Oh, natürlich!", rief Lilienthal erfreut. „Die Parade hatte ich ja fast vergessen!"

Zusammen beobachteten wir, wie der Schlossplatz sich langsam mit tausenden Soldaten füllte. An ihrem perfektionierten Gleichschritt erkannte ich sofort, dass sie dafür jahrelang geübt hatten. Als alle in Reih und Glied angetreten waren, betrat ein alter Mann die Bühne. Kaiser Adalbert in all seiner Pracht. Ob man ihn nun für seine Friedenspolitik liebte oder verachtete, beeindruckend war er allemal. Und das lag sicher nicht nur an seiner geschniegelten Uniform. Von seinem Blick, über seine Haltung und seine Gestik bis hin zu seiner Rhetorik, alles sprach dafür, dass er von klein auf mit Macht gefüttert worden war.

„Herr General, Sie kennen ihn sicher persönlich, oder?", erkundigte ich mich bei meinem höchsten Vorgesetzten. „Wie ist er so?"

„Der Kaiser? Er ist ein guter Mann. Hat das Wohl seines Volkes immer über sich selbst gestellt, auch wenn manch undankbare Leute das nicht erkennen wollen. Wir können froh sein, dass wir ihn haben", sagte er aufrichtig. „Ich würde jeden Tag mein Leben für ihn geben."

„Ich will doch nicht hoffen, dass es soweit kommt", Stark fasste sich an die Narbe auf seiner Wange. „Sonst hätte ich mir die hier ganz umsonst eingefangen."

Lilienthal lächelte. „Aber natürlich. Wie dumm von mir. Keine Sorge, Herr Feldwebel, so schnell werde ich wohl keine Kugeln für unseren lieben Kaiser aufhalten müssen."

Als der General wieder all seine Aufmerksamkeit auf den Kaiser und seine Ansprache gerichtet hatte, rutschte ich näher an Stark heran. „Daher kennen Sie den General also? Sie haben ihm das Leben gerettet?"

„So in etwa", gab er zurück.

„Das ist beeindruckend! Warum haben Sie das nie erzählt?"

„Und wieso hätte ich das tun sollen?", er hob eine Augenbraue.

„Naja...", ich suchte nach einem Grund. „Das hätte Ihnen sicher eine ganze Menge Respekt verschafft."

„Sehe ich so aus als bräuchte ich kleine Anekdoten aus meinem Leben, um mir Respekt zu verschaffen, Shendong?", fragte er nun amüsiert.

Ich musterte seine breite Figur und sein ohnehin furchteinflößendes Gesicht. „Ganz und gar nicht."

„Ganz genau. Und jetzt wende deine Aufmerksamkeit lieber dem Spektakel da draußen zu. Immerhin sind wir deshalb gekommen."

Adalberts Ansprache endete gerade unter johlendem Beifall des Publikums. Nun war es Zeit für den Ehrengast. Fjodr Romanov saß in einer Kutsche mit offenem Verdeck, die soeben das Ende der Goldenen Allee erreichte. Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck winkte er den Massen zu, begleitet wurde er von einer risischen Garde. Der Kanzler trug keine Uniform, sondern einen schlichten schwarzen Anzug, der auch aus einem billigen Kaufhaus hätte stammen können. Sein Haar war nach hinten gekämmt und wie Stark es vorhergesagt hatte, ließ er sich einen üppigen Schnauzer stehen. Im Gegensatz zum Kaiser wurde der Gast nur mit mäßigem Applaus empfangen. Alle waren angespannt, immerhin betrat gleich ein jahrelanger Landesfeind die Bühne. Was würde er wohl zu sagen haben?

Die Fotografen knipsten eifrig als das carcanische Staatsoberhaupt und der ausländische Regierungschef sich die Hände reichen. Kein Zweifel, dieses Bild würde morgen auf dem Titelblatt sämtlicher Zeitungen prangen. Kleine Präsente wurden ausgetauscht und Höflichkeitsfloskeln geäußert, dann war es endlich soweit. Romanov trat ans Mikrofon.

„Meine sehr geehrten Damen und Herren", begann er in überraschend gutem Carcanisch. „Dies ist ein denkwürdiger Tag unserer beiden Nationen. Und lassen Sie es mich sagen: Ich will, dass dies ein wunderbares Ereignis wird, das uns endlich einem Frieden näherbringt. Unsere Länder sind Bruderstaaten und wir sollten anfangen, uns wie Brüder zu verhalten.

Vor zweihundert Jahren wurde das Kaiserreich Carcan gegründet. Einst ein Teil von Ris hat es nach Unabhängigkeit gestrebt und diese schließlich bekommen. Doch zu welchem Preis? Ein jahrhundertelanger Konflikt ist entbrannt, der nicht selten viele Menschenleben gefordert hat. Die Carcaner sagten: Wir sind keine Riser! Dieses Land gehört unserem Volk! Die Riser sagten: Es gibt kein Carcan! Dieses Land gehört zu Ris!

Ich sage: Das sind alte Kamellen! Was geschehen ist, ist vergangen. Ändern können wir nur die Zukunft! Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass zwischen unseren beiden Nationen endlich Frieden herrschen kann!"

Triumphal hob der Kanzler die Arme und die Zuschauer brachen in Jubel aus. Dies waren die Worte, auf die sie schon so lange gewartet hatten! Endlich mussten sie nicht mehr bangen, dass eines Tages die risische Armee bei ihnen im Vorgarten einmarschierte, endlich konnten sie auf eine langanhaltende Lösung hoffen.

Der Jubel war so laut, man hörte kaum den Schuss, der Fjodr Romanov niederstreckte. Erst als er blutend zu Boden ging, erstarben die Freudenschreie und Panik machte sich breit.

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