Carcan - Die Winterkriege

By LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... More

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Ein schöner Mann
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Gruppe 1
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Aaros' Entscheidung
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Der Berglöwe
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Ein hungriger Geist

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By LePing

Aaros - So viel Freizeit hatte ich seit langem nicht mehr. Endlich konnte ich mich mal wieder einer Beschäftigung widmen, die ich in den letzten Monaten vernachlässigt hatte: Dem Lesen.

Ich führte mir zuerst mein Lieblingsbuch zu Gemüte, dann nahm ich mir die kaserneneigene Bibliothek vor. Aufgrund der ansässigen Alchemisten war die Auswahl im Gegensatz zu anderen Liegenschaften besonders groß. Als ich das erste Mal den geräumigen Saal betrat, war ich beeindruckt von den vielen verschiedenen Büchern, die sorgsam auf antike Regale verteilt waren. Mit dieser Seite des Militärs konnte ich mich anfreunden.

Hinter einem kleinen Empfangstresen hockte eine alte Frau um die siebzig, die gerade in einem gigantischen Buch blätterte und mich mit ihrem freundlichen Lächeln sofort für sich einnahm. „Guten Tag, junger Mann."

„Guten Tag", antwortete ich höflich.

„Du bist zum ersten Mal hier, oder? Ich bin Gertrud. Wenn du Fragen hast, kannst du dich gerne an mich wenden, ansonsten kannst du dich hier in Ruhe umsehen."

„Danke. Vielleicht werde ich darauf zurückkommen", ich wollte die Bücherei zunächst auf eigene Faust erkunden. Ich hatte keine konkrete Vorstellung davon, was ich lesen wollte, also hieß es zunächst einmal ziellos stöbern.

Das Regal, das mir am nächsten war, beherbergte Neuerscheinungen und besonders beliebte Romane. Viele von den Titeln kamen mir bekannt vor, einige hatte ich sogar selber schon gelesen. Ich nahm ein Buch mit rotem Einband aus dem Regal, auf das mit goldener Schrift Die Tränen der ewigen Prinzessin geprägt war. Der Beschreibung nach zu urteilen, handelte es sich um einen Liebesroman, der an ältere Frauen gerichtet war. Was hatte der in einer Kasernenbibliothek zu suchen?

Hinter mir hörte ich Gertrud kichern. „Du wärst überrascht, wie viele Soldaten nach guten Liebesgeschichten verlangen."

„Wirklich?", ich machte große Augen. Ich konnte mich nicht entsinnen, jemals in meinem Leben eine solche Schnulze gelesen zu haben.

Die Tränen der ewigen Prinzessin kann ich nur empfehlen. Ich habe es selbst in einer einzigen Nacht verschlungen."

Da ich kein plötzliches Verlangen verspürte, das Buch zu lesen, stellte ich es erst einmal beiseite und sah mich weiter um. Ich entdeckte Klassiker aus vergangenen Zeiten, daneben gesellschaftskritische Romane, Märchen, Kriminalgeschichten und selbst ein paar Kinderbücher. Sogar Die Große Freiheit fand ich hier. Allerdings war dieses Exemplar wesentlich weniger abgegriffen als meines.

Im nächsten Gang warteten militärhistorische Bücher auf mich. Über den Werdegang von Carcans Heer hatte ich schon zu Genüge von meinem Vater gehört und viele der Bände erkannte ich aus unserer hauseigenen Bibliothek wieder: Die Evolution der Alchemie, Luftschiffe und ihr Nutzen in der modernen Kriegsführung, Carcans Zukunft auf dem Schlachtfeld, Grünes Feuer: Ein alchemistisches Wunderwerk.

Vielleicht sollte ich mich mal damit beschäftigen, überlegte ich. Immerhin bin ich jetzt selbst beim Militär.

Für den Moment wollte ich aber nichts davon wissen und so setzte ich meinen Streifzug fort.

Ich erreichte die Ecke mit Lehrbüchern zu den verschiedensten Themen. Zu Biologie, Physik, Chemie und Mathematik gab es die größte Auswahl, aber auch Philosophie, Sozialwissenschaften, Politik, Psychologie, Religion, Kunst und Musik waren vertreten. Zusätzlich entdeckte ich ein paar Lexika und Wörterbücher für Carcanisch, das Risische, Gille, Inotisch und Tefilisch, das in Fer Alta gesprochen wurde. In der Schule hatte ich zwei Jahre lang Tefilischunterricht genossen und konnte mich in der Sprache ganz gut ausdrücken.

„Wenn du einen Menschen verstehen willst, lerne zunächst seine Sprache", hatte mein Lehrer immer gesagt.

Ich nahm Maycumbers Risisches Wörterbuch aus dem Regal und schlug eine beliebige Seite auf. Risisch war eine harte Sprache mit vielen Zischlauten, die auch gerne mal auf Vokale verzichtete und dadurch abgehackt und unmelodisch klang. Ich hatte gehört, dass sie für Carcaner allerdings leicht zu lernen war, da die Grammatik der beiden Sprachen sich sehr ähnlich war.

„Gertrud?", ich ging zum Empfangstresen zurück. „Ich würde mich gerne ein wenig mit Risisch beschäftigen, hätten Sie wohl eine Empfehlung für ein Lehrbuch?"

Knel prikm jjuk djern, doj rbnik", sagte sie lächelnd.

„Bitte?", ich hatte nichts verstanden, doch langsam dämmerte es mich, dass mein Gegenüber nicht nur eine einfache Empfangsdame, sondern eine wirklich gebildete Frau war.

Das lässt sich machen, mein Junge", übersetzte sie. Sie erhob sich langsam von ihrem Hocker und stützte sich auf einen Gehstock.

„Oh, nein, bleiben Sie sitzen! Sie müssen mir nur den Titel nennen, dann kann ich es selber finden!"

Doch Gertrud schüttelte nur mit dem Kopf. „Junge, weißt du, wie viele Leute täglich diese Bibliothek aufsuchen?"

„Nein."

„Es sind nicht viele. Und wenn doch einer kommt, weiß er meistens schon genau, was er will. Es kommt wirklich selten vor, dass ich tatsächlich von Nutzen sein kann. Lass mich meine alten Gelenke wenigstens einmal bewegen", ich wusste, dass sie keinen Widerspruch zuließ.

Mit der Bibliothekarin im Schlepptau kehrte ich in die hintere Ecke des Saals zurück.

„Warum willst du Risisch lernen?", erkundigte sie sich.

Ich zuckte mit den Schultern. „Es gibt keinen besonderen Grund. Es hätte auch die Physik oder die Philosophie sein können."

„Dann willst du also einfach nur Wissen anhäufen?"

„Ja", ich lachte. „Bevor ich zum Heer gekommen bin, habe ich die Oberschule besucht. Zwar habe ich in der Truppe auch viel gelernt, aber die akademischen Fächer fehlen mir doch irgendwie."

„Was hat dich nach Werrich verschlagen? Geldprobleme?", sie war wirklich direkt. Nicht viele würden solche Fragen stellen.

„Nein, mein Vater. Er hat früher selbst gedient."

„Ah, dann musst du also in seine Fußstapfen treten", sagte sie wissend.

„Wenn es nur das wäre... Ich soll ihn noch übertreffen, am besten gleich General werden."

„Und was willst du?"

Ja, was will ich? Ich hatte mich gut hier eingelebt. Ich hatte Freunde gefunden und war körperlich stärker geworden. Hatte mein Vater vielleicht Recht gehabt und das Militär war wirklich gut für mich? Andererseits hatte ich selbst in dieser kurzen Zeit schon einige Verluste zu überwinden gehabt. „Das weiß ich nicht", gab ich zu.

Gertrud studierte mich eindringlich. „Nun, wohin deine Reise dich auch führen wird, ein gesundes Verlangen nach Wissen wird dabei sicher nicht hinderlich sein."

Sie zeigte mir einige ihrer favorisierten Lehrbücher und ich entschied mich für Risisch Tag für Tag von einem Professor Jilling, in dem einem die Sprache in kleinen Schritten nahegebracht wurde und das mir für eine abendliche Lektüre perfekt erschien.

„Das Lehrbuch kannst du für vier Wochen ausleihen. Wenn du es danach noch brauchst, sag einfach Bescheid", sie holte ein Formular hervor. „Name und Dienstgrad, bitte."

„Aaros Batista. Gefreiter."

„Welcher Kompanie gehörst du an?"

„Ich soll in die 3. Kompanie."

„Aaah", machte sie. „Dort halten sie die Kriegsbestien, nicht?"

„Ja, sie werden dort ausgebildet", bestätigte ich.

„Nicht nur ausgebildet!", erklang plötzlich eine mit unbekannte Stimme. Ich fuhr herum und entdeckte einen uniformierten Mann Mitte zwanzig mit gegelten Haaren und warmen braunen Augen. Irgendwie hatte er etwas vertrautes an sich. An seinem Dienstgradabzeichen erkannte ich, dass er ein Leutnant war. Sofort salutierte ich. „Rühren Sie sich", befahl er und lachte. „Ich bin nur hier, um ein paar Bücher zurückzugeben."

Ich tat wie geheißen.

„Das wird aber auch Zeit, Marius!", rügte Gertrud ihn. „Du bist schon mindestens eine Woche überfällig!"

„Das tut mir wirklich, wirklich leid, Gerdi", er lächelte charmant. „Du weißt ja, wie beschäftigt ich immer bin und wie hart ich arbeiten muss. Da vergisst man so was schon mal! Ich würde dir versprechen, dass es nie wieder vorkommt, aber dann müsste ich lügen."

„Ach, Marius", ihre Züge wurden weicher. Der junge Leutnant wirkte wahrlich wie jemand, dem man nur schwer böse sein konnte. Ich warf einen Blick auf den Bücherstapel, den er bei sich trug. Es waren dicke Schinken über Naturwissenschaften und Alchemie, von denen ich bestimmt fünf Prozent des Inhalts verstanden hätte. Er muss wirklich klug sein.

„Sie heißen also Batista?", wandte er sich an mich, während Gertrud die Bücher zurückbuchte. „Ich würde Ihnen ja gerne auch eine Vornamensbasis anbieten, aber das würde wohl eine Menge Leute verärgern."

Er lachte laut los. Und jetzt wusste ich, an wen er mich erinnerte. „Herr Leutnant, kennen Sie einen Unteroffizier Hauser?"

„Das sollte er", mischte sich Gertrud ein. „Immerhin ist das sein kleiner Bruder."

„Und ich bin wirklich stolz auf ihn", grinste der Leutnant. „Sind Sie ihm in der Grundausbildung begegnet?"

„Er war mein Gruppenführer", antwortete ich.

„Mein Beileid!", johlte er.

„Komm schon, Marius. Rede nicht so über ihn."

„Schon gut. Genug der Scherze. Wir wollen nicht, dass der Gefreite ein falsches Bild bekommt. Justus ist ein sehr guter Ausbilder und hat viele Kompetenzen. Er ist der erste, an den ich mich auf dem Schlachtfeld wenden würde. Mein süßer kleiner Bruder..."

„Er ist fünf Minuten jünger als du..."

„Das musstest du nun wirklich nicht erwähnen!"

Dann hatte Hauser also einen Zwillingsbruder? Das hatte er uns nicht erzählt.

„Bevor du noch mehr solcher Peinlichkeiten vom Stapel lässt, verschwinde ich wohl besser mal", fuhr der Leutnant fort. „Herr Gefreiter, wenn Sie in Ihrer neuen Einheit ein paar Pluspunkte sammeln wollen, kann ich nur empfehlen, dass Sie sich einmal mit Chimären und Homunkuli von Sergej Asmov befassen. Ein wenig Vorwissen schadet nie."

Dann schlenderte er summend Richtung Ausgang und war so schnell wieder verschwunden, wie er aufgetaucht war.

„Ein guter Junge", meinte Gertrud. „Manchmal ein bisschen zu klug für sein eigenes Wohl."

Ich konnte nicht umhin, ihn zu mögen.

Wenige Minuten später verließ auch ich die Bibliothek. Bei mir trug ich das Risischbuch und die Empfehlung des Leutnants.

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