Carcan - Die Winterkriege

By LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... More

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Ein schöner Mann
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Gruppe 1
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Aaros' Entscheidung
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Ein hungriger Geist
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Der Berglöwe

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By LePing

Aaros - Ich hatte die Weggablung erreicht. Kaum zu glauben, dass ich nun den ganzen Weg noch einmal gehen musste. Aber war das wirklich klug? Immerhin war Qen bestimmt längst bei Rito und Elmar angekommen und wenn er es nicht rechtzeitig geschafft hatte, konnte ich auch nichts tun.

Nein, Qen hat es ganz sicher geschafft, ich vertraute ihm voll und ganz. Dies war etwas, was nur er tun konnte. Ich sollte lieber darüber nachdenken, was ich dazu beitragen konnte, uns alle sicher nach hause zu bringen.

Ich zog die Geländekarte aus meiner Tasche und breitete sie vor mir aus. Es dauerte keine Sekunde, da hatte ich die beiden Schluchten gefunden. Davor war der breite Hang und dann der Wald. Doch was war das da oben? Ich kniff die Augen zusammen, um in dem schwachen Mondlicht etwas erkennen zu können. War das ein Dorf? Da waren doch ein paar kleine Hütten eingezeichnet, oder nicht?

Hoffnung keimte in mir auf. Wer weiß, wo unsere Ausbilder sind. Vielleicht kann ich da Hilfe finden.

Ich beschloss, mir von der Lage ein Bild zu machen. Wenn dort wirklich Menschen lebten, musste ich sie dringend aufspüren. Ich eilte weiter durch die Schlucht und den Hang hinauf, was nach den Millionen Kilometern, die ich heute ohnehin schon gelaufen war, gar nicht so einfach war. Immer wieder musste ich kurze Pausen einlegen, um nach Luft zu schnappen oder meine Muskeln zu entspannen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich sehnte mich tatsächlich nach meinem harten Bett in der Kaserne zurück.

Nun, ein Wunsch blieb ein Wunsch, zunächst wollte die Realität überwunden werden. Nach großer Anstrengung erreichte ich dann endlich die Kuppe des Hügels. Links von mir lag der Wald, in dem sich unser Nachtlager befand, vor mir war ein breites Tal. Wenn die Karte stimmte, musste sich dort irgendwo ein Dorf befinden. Du meinst, wenn du die Karte in der Dunkelheit überhaupt richtig hast lesen können, meldete sich meine skeptische Seite, die ich im Moment gar nicht hören wollte, war ich doch noch voller Hoffnung. Ich schluckte meine Zweifel herunter und suchte intensiv nach einem Lebenszeichen in der Ferne. Komm schon, nur eine kleine Flamme!

Da! War da nicht ein Flackern? Ich kniff die Augen zusammen. Nein, ich hatte mich geirrt.

Aber was erwartest du überhaupt? Um die Uhrzeit ist jeder normale Mensch doch längst im Bett.

Ich zog noch einmal die Karte hervor. Das waren definitiv Gebäude, die ich da sah, dessen war ich mir nun sicher. Von hier waren es vielleicht nochmal zwei Kilometer Luftlinie, die machten den Braten nun auch nicht mehr fett.

Ich wollte gerade los stiefeln, da vernahm ich neben mir ein tiefes Grollen.

Nicht schon wieder eine Lawine!, stieß ich ein kurzes Stoßgebet aus.

Ich neigte meinen Kopf. Die gute Nachricht: Es war keine Lawine. Die schlechte Nachricht: Neben mir stand ein ausgewachsener Berglöwe, der mich interessiert musterte. Sein goldbraunes Fell strahlte im Mondlicht, sein Atem kondensierte an der kalten Winterluft. Die harten Muskeln waren gut zu erkennen, seine kleinen Ohren hatte er gespitzt und das Maul leicht geöffnet, so dass ich seine großen Reißzähne sehen konnte. Das war mein erstes Mal, dass ich ein derart anmutiges Wesen sah. Es war als schwebte er über dem Schnee.

Das kann doch nicht angehen! Haben wir noch nicht genug durchgemacht?

Instinktiv machte ich einen Schritt zurück. Die Raubkatze schien allerdings nicht daran interessiert, unseren Abstand zueinander zu verringern und machte ihrerseits einen Schritt nach vorne. Wenn sie entschied, dass ich ihr kleiner Mitternachtssnack werden sollte, hatte ich ihr kaum was entgegen zu setzen.

Ich blickte in die Augen des Tiers, um seine Stimmung zu deuten. Sie waren tiefbraun, weder bedrohlich, noch friedlich, einfach wachsam.

„Ganz ruhig...", redete ich auf den Löwen ein, der wahrscheinlich wesentlich ruhiger war als ich. „Ich will dir nichts tun."

Er knurrte eine Antwort.

„Ja, das seh' ich auch so. Wir sollten einfach Freunde sein."

Die Erinnerungen an den Kriegsfalken kamen wieder hoch. Seine gewalttätige Natur, all die Zerstörung und das Leid. Im direkten Vergleich zog meine jetzige Begegnung zwar den Kürzeren, aber damals hatte ich eine Waffe und die Hilfe meiner Kameraden gehabt.

Krampfhaft versuchte ich mich zu entsinnen, ob in meinen Biologiebüchern irgendwas über Berglöwen gestanden hatte. Waren die Tiere nicht sogar Thema in einer Klausur gewesen? Hatte ich nicht ewig lange gepaukt, um eine gute Note zu bekommen? Ja, so war es. Meine Mutter hatte mich irgendwann schlafend am Schreibtisch gefunden und meinen Vater dazu geholt. Gemeinsam hatten sie mich aufgeweckt und belustigt drein geschaut. Warum konnte ich mich an diese Kleinigkeit erinnern, aber nicht an den Lernstoff? Ich war immer so fleißig gewesen! Es kam mir vor als lag meine Schulzeit nun schon eine Ewigkeit zurück, dabei war es noch gar nicht so lange her, dass ich den Klassenraum gegen ein Karabiner getauscht hatte.

Kaum zu glauben, wie schnell man vergisst.

Die Katze kam indes immer näher und als sie noch einen Meter von mir entfernt war, erstarrte ich. Sie knurrte erneut, dann berührte ihre kalte Nase meine Hand.

Ich malte mir schon mein Leben als Einarmiger aus, doch statt mir ihre Zähne ins Fleisch zu rammen, leckte meine Bekanntschaft nur mit ihrer rauen Zunge über meine Finger. Ihr Speichel war warm und klebrig und kitzelte auf meiner Haut. Dann rieb sie ihren Kopf an mir und umkreiste mich, während sie ihren Körper an mich presste. Und was war das? Ein Schnurren?

„Du willst mich gar nicht essen, oder?", fragte ich hoffnungsvoll.

Der Löwe warf mir einen Blick zu und ließ dann von mir ab. Entspannt schwebte er wieder zur Waldkante zurück und drehte sich noch einmal zu mir um, bevor er zwischen den Bäumen verschwand.

Für einen Moment stockte mir der Atem als ich realisierte, was soeben passiert war. Das glaubt mir kein Mensch! Und doch war es geschehen. So erschöpft war ich nicht, dass ich mir solch eine Begegnung einbildete!

Gerne hätte ich mehr über die Bedeutung dieses Treffens nachgedacht, doch ich musste weiter.

Nach dieser kurzen Pause fühlten sich meine Schritte wieder viel leichter an. Ich hechtete durch den Schnee, runter ins Tal, wo sich das vermeintliche Dorf befand. Nach einem Fußmarsch von gut einem Kilometer meinte ich, die kleinen Hütten in der Ferne erkennen zu können und beschleunigte. Da ist wirklich ein Dorf!, freute ich mich als ich nur noch wenige Meter entfernt war und die Konturen der kleinen Häuser klar ausmachen konnte. Die Karte hat nicht gelogen!

Doch auf meine Euphorie folgte sogleich die Ernüchterung. Das ehemalige Dorf bestand nur noch aus Ruinen, kein Balken stand mehr auf dem anderen, es roch nach modrigem Holz und Verwesung.

„So ein Mist!", fluchte ich laut.

Ich hasste mich für meine dumme Idee, die mich hierher geführt hatte. Ich hätte zu Qen und den anderen laufen müssen, nicht an diesen Ort, von dem ich gar nicht gewusst hatte, was mich hier erwartete. Wenn du doch nur eine Sekunde deinen Kopf angestrengt hättest! Niemand lebt heutzutage noch so abgeschieden in den Bergen, vor allem nicht im tiefsten Winter!

Aber ich hatte nicht nachgedacht und das ärgerte mich wohl am meisten. Vielleicht hatte der Berglöwe mir das sagen wollen. Dass ich auf dem falschen Weg war.

Also wieder zurück, trieb ich mich an. Ich stieß einen Seufzer aus und wandte mich zum Gehen, da bemerkte ich etwas in einem der eingestürzten Gebäude. Jemand hatte sich aus den Trümmern einen kleinen Verschlag gezimmert. Ich trat näher heran und inspizierte die notdürftige Unterkunft. Hier lagen ein paar löchrige Wolldecken, dreckige Kleidungsstücke, eine alte Öllampe, die Überreste von Mahlzeiten und andere Dinge, die ich auf Anhieb nicht identifizieren konnte. Hier muss der Herumtreiber wohnen, der uns beklauen wollte.

Ich beneidete ihn nicht um dieses Leben. Es war ein Leben voller Ungewissheiten, Entbehrungen und Einsamkeit, das er ganz bestimmt nicht freiwillig gewählt hatte.

„Was für eine grausame Welt", murmelte ich.

Wie ironisch, dass ich dies sofort am eigenen Leid zu spüren bekam.

Etwas rammte mich von der Seite und warf mich gegen die Wand. Zunächst dachte ich, der Berglöwe hatte es sich anders überlegt, doch als ich lautes Gebell hörte, wusste ich dass dem nicht so war. Nachdem ich zu Boden gegangen war, ließ die Kreatur wieder von mir ab und sprang laut bellend um mich herum.

Ich zählte acht Beine. Lang, haarig und dürr wie Besenstiele. Vier Augen ohne Pupillen, die zwischen mir und etwas hinter der Kreatur wanderten. Dazu gesellten sich lange Schlappohren, eine pinke Zunge, die zwischen den Hälften eines gespaltenen Kiefers mit mächtigen Fangzähnen herunterhing und ein wedelndes Hinterteil. Ich brauchte keine Sekunde, um zu begreifen, was ich da vor mir hatte: Ein Spinnhund! Und das konnte nur eins bedeuten...

„Einen guten Abend, Herr Batista", grüßte mich der warm lächelnde Hauser. „Du hast um Hilfe gerufen?"

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