Carcan - Die Winterkriege

By LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... More

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Ein schöner Mann
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Gruppe 1
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Der Berglöwe
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Ein hungriger Geist
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Aaros' Entscheidung

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By LePing

Elli - Ich hatte ein verstauchtes Handgelenk, tausend blaue Flecken, mindestens hundert Kratzer und eine Rippenprellung. Zumindest nahm ich an, dass es nur eine Prellung war, denn ich hatte diese Verletzung dem Arzt aus offensichtlichen Gründen verschwiegen. Also gab ich nun mein Bestes, irgendwie eine aufrechte Körperhaltung zu erzwingen.

Mich hatte es damit noch wesentlich besser erwischt als manch anderen.

Aaros' halber Oberkörper war aufgeschlitzt und er hatte eine Menge Blut verloren.

Feldwebel Starks Arm war an mehreren Stellen gebrochen.

Zweiundzwanzig Kameraden lagen schwer verletzt im Lazarett.

Vier Kameraden hatten den Überfall des Kriegsfalken nicht überlebt.

Zwei Tage waren seit dem Schießtag vergangen und wir waren noch immer mit den Gedanken bei jenen, die nicht mehr hier sein konnten.

Auch auf unserer Stube herrschte der Ausnahmezustand. Da die Sanitäter Aaros stationär aufgenommen hatten, waren wir nur noch zu dritt und die Stimmung war schlechter als je zuvor. Ritos Fröhlichkeit war weggeblasen und er weinte nachts immer öfter. Auch Qens Großmaul war zugenäht und er sagte nur noch Ja und Amen zu allem. Ich versuchte mein Bestes, die Stimmung irgendwie aufzuheitern, aber ich war kein großer Motivator und ihre miese Laune war zu ansteckend. Es dauerte nicht lange, da hockten wir alle betreten auf unseren Kojen und starrten Löcher in die Luft.

Besserung kam zum Glück am dritten Tag nach dem Angriff. Beim morgendlichen Antreten begrüßte uns Stark mit einem Gipsarm und seiner üblichen lauten Stimme. „Guten Morgen, Rekruten!"

„Guten Morgen, Herr Feldwebel!", antworteten wir wenig enthusiastisch.

„Lauter!"

„Guten Morgen, Herr Feldwebel!", riefen wir mit mehr Elan.

„Lauter!"

„Guten Morgen, Herr Feldwebel!", wir hatten unsere übliche Lautstärke fast wieder erreicht.

„Lauter!"

„Guten Morgen, Herr Feldwebel!"

„Lauter!"

Diese Konversation ging bestimmt zehn Minuten so weiter bis unserer aller Kehlen rau waren und wir die Worte nur noch krächzen konnten. Zunächst verstand ich denn Sinn nicht, doch nach einiger Zeit realisierte ich, dass dies wohl seine Art war, uns aufzuheitern.

„Ich weiß, dass es nicht einfach für euch ist, aber weiterzumachen, ist der einzige richtige Schritt, um voranzukommen. Alle von euch haben Kameraden verloren, einige von euch Freunde", er machte eine Pause und wir nickten betreten. „Doch das ist kein Grund, die Köpfe hängen zu lassen. Der Carcanische Soldat schaut immer nach vorne, denn dort wartet der Feind. Geht die Wege, die die Toten nicht mehr gehen können und nehmt sie auf eure Reise mit. Nur so können sie Frieden finden."

Wie poetisch, dachte ich. Das sind ja ganz neue Seiten an unserem Bärenfeldwebel.

„Die Beerdigung ist für morgen angesetzt. Natürlich gehen wir alle geschlossen hin. Da trifft es sich gut, dass eure Paradeuniformen fertiggestellt sind. Im Laufe des Tages werdet ihr sie abholen und mit euren Gruppenführern üben, sie richtig anzulegen, damit wir ein gutes Bild abgeben. Zuvor aber bekommt ihr Besuchsmöglichkeiten bei unseren Verwundeten eingeräumt. Wenn ihr jemanden habt, den ihr gerne besuchen möchtet, meldet euch bei Obergefreitem Erich."

Natürlich wollten wir unbedingt nach Aaros sehen. Auch der Rest von Gruppe 1 und Gruppe 2 wollten mitkommen, doch Erich setzte ihrem Vorhaben einen Riegel vor. „Das wird so nichts. Die Stubenkameraden dürfen gehen, die anderen erledigen ihre Aufgaben. Eine Krankenstation ist schließlich kein Vergnügungspark."

Sie nahmen seine Entscheidung leicht säuerlich hin, gaben uns aber noch ein Stück Schokolade aus dem Kasernenladen mit und wiesen uns an, schöne Grüße auszurichten.

„Wollen wir ihm auch noch was mitbringen?", fragte Rito.

„Wie wäre es mit seinem Buch? Ihm ist sicher langweilig im Lazarett", schlug ich vor. „Was meinst du, Qen?"

„Hm?", scheinbar hatte er nicht zugehört. „Was? Ja. Wie auch immer."

Und dann war da auch noch sein gequälter Gesichtsausdruck. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen und gebrüllt: „Jetzt hör endlich auf zu jammern!" Seltsamerweise war es die Abwesenheit seiner blöden Sprüche, die mich mit am meisten runter zog. Die Begegnung mit der Kriegsbestie musste ihm echt einen Schrecken eingejagt haben. Aber dass sie ihn so sehr verstört?, mich hatte der Vogel mit seinem enormen Gewicht beinahe zerquetscht und ich war nur mit dem Leben davongekommen, weil Aaros eingegriffen hatte. Weil Aaros eingegriffen hatte...? War da vorher nicht noch was anderes gewesen? Jemand anders? Und dann machte es bei mir Klick. Qen hatte auch versucht, mich zu retten! Doch er konnte sich nicht bewegen! Konnte seine Zurückhaltung daher stammen? Fühlte er sich irgendwie angegriffen in seiner Männlichkeit?

Das ist doch dämlich, fand ich. Wir hatten doch alle Angst und konnten nichts tun. Normalerweise braucht es einen ganzen Zug mit der richtigen Ausrüstung, um so ein Biest zu vernichten.

Vielleicht sollte ich später mal mit ihm reden.

Aber erst einmal ging es um Aaros. Da wir nirgends alleine hingehen durften, führte Erich unsere Besuchsgruppe zum Sanitätsversorgungszentrum. „In einer halben Stunde seid ihr hier fertig. Dann werde ich euch wieder abholen."

Am Empfang erwartete uns ein Hauptgefreiter namens Saragota, der hektisch in seinen Akten blätterte. Als er uns bemerkte, ließ er von seiner Arbeit ab. „Was kann ich für euch tun?"

„Wie wollen zu Aaros Batista", sagte ich.

Saragota warf einen Blick auf den Belegungsplan und wies uns dann in die richtige Richtung.

Unser Stubenkamerad teilte sich das Krankenzimmer mit drei weiteren Jungen, die ebenfalls auf der Schießbahn verletzt worden waren. Zwei von ihnen schliefen gerade, der dritte von ihnen unterhielt sich gerade mit Aaros, der mit dem Rücken zu uns saß.

„Ehem!", räusperte ich mich künstlich, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Aaros drehte sich um. „Leute!", grinste er breit. Er sah wesentlich besser aus als am Montag, sein Gesicht hatte an Farbe gewonnen. Sein Krankenhemd war halb aufgeknöpft und ich konnte einen guten Blick auf seinen dicken Verband werfen. Auch Rito und Qen mussten darauf gestarrt haben, denn Aaros knüpfte sein Hemd zusammen. „Es ist gar nicht mehr so schlimm. Es war nur ein oberflächlicher Schnitt, also konnten sie ihn schnell zunähen und die Alchemistensalbe hat auch geholfen. Die Ärzte sagen, es wird wohl eine Narbe zurückbleiben, doch ich denke, dass ist ein geringer Preis für eine baldige Heilung."

„Aber... du hast geblutet wie ein Schwein!", warf Qen ein.

„Das stimmt!", Aaros lachte. „Meine Uniform kann ich so wohl nicht mehr anziehen."

„Aber...", Qen fand gar keine Worte. In seiner Vorstellung hätte Aaros wohl halb tot in der Ecke liegen müssen.

„Glaub mir, es ist alles gut", beteuerte er. „Nächste Woche bin ich wieder dabei und man hat mir versprochen, dass in zwei Wochen kaum noch ein Jucken übrig ist."

„Dann wirst du echt wieder ganz gesund?", erkundigte sich Rito, den die Ungewissheit über Aaros' Zustand wohl am meisten belastet hatte.

„Das sag ich doch."

„Eine Sache wundert mich aber doch noch", ich tippte mir ans Kinn. „Woher diese unverschämt gute Laune?"

„Hast du es also bemerkt, ja?", er lachte erneut.

„Das ist ja kaum zu übersehen. Du könntest Zahnpastawerbung machen mit diesem Grinsen", sagte Qen. Das ist der Qen, den ich kenne. Scheinbar war es nicht seine angegriffene Männlichkeit, die ihm die Sprache verschlagen hatte, sondern seine Sorge um Aaros.

„Das werde ich in Erwägung ziehen", versprach Aaros und wurde dann ernst. „Ich hab nachgedacht. Die Begegnung mit dieser Kriegsbestie hat irgendwas in mir ausgelöst."

„Du willst gehen?", in Ritos Augen sammelten sich Tränen. Er war wirklich zu nah am Wasser gebaut.

„Was? Nein! Keineswegs!", beteuerte er. „Eigentlich ist es genau das Gegenteil. Ich hab mich entschieden, was ich hier in Zukunft machen will."

„Beim Heer?"

Er nickte. „Die Begegnung mit dem Falken war wirklich schlimm. Er war so gehetzt und aufgestachelt. Und seine Augen waren so gequält. In diesem Moment, als ich auf ihn geschossen habe, hätte ich mir nur gewünscht, ihn retten zu können."

„Du wolltest dieses Monster retten?", ich fand die Lösung, die Feldwebel Stark gewählt hatte, da um Einiges besser.

„Naja... Vielleicht ist Retten ein zu starkes Wort, aber die Leiden, die dieses Tier durchstehen musste... Ich wollte immer einen Beruf lernen, in dem ich Menschen helfen kann. Doch jetzt bin ich hier und daran lässt sich nichts mehr rütteln. Wenn ich zumindest den Kriegsbestien helfen kann, weiß ich, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin. Deshalb will ich einer der Kriegsbestienkompanien beitreten."

„Warte mal!", unterbrach ich ihn. „Ich wurde fast von diesem Ding umgebracht! Dich hat es noch schlimmer erwischt! Ich bin froh, wenn ich von diesen Viechern so weit weg komme, wie nur irgend möglich! Und du willst mit ihnen arbeiten?"

„Klingt verrückt, oder?"

„Leute im Irrenhaus sind verrückt. Die kann man nicht mehr helfen", sagte Qen.

„Also ich finde es toll!", meinte Rito. „Mir hat der Falke eine Heidenangst eingejagt und ich bin echt froh, wenn ich einem von denen nie wieder über den Weg laufen muss. Aber das, was du machen willst, finde ich wirklich mutig. Das können nicht alle."

„Danke, Rito. Aber so mutig bin ich gar nicht."

„Das stimmt nicht", in diesem Punkt war ich ganz auf Ritos Seite. „Du hast uns alle gerettet. Das war wirklich beeindruckend. Und dafür möchte ich dir danken."

Ich gab Qen einen Knuff in die Seite. Er konnte ruhig auch mal was Nettes sagen.

„Ich...", stammelte Qen. „Ja, also... Das war nicht übel... Vielleicht bist du echt ganz in Ordnung."

„Leute, ich werde ganz rot", murmelte Aaros, der offensichtlich gerührt war von unserem Dank.

„Das heißt trotzdem nicht, dass ich deine Idee jetzt weniger dämlich finde", bemerkte ich und freute mich einfach nur, dass es ihm wieder gut ging.

------

Kapitelende!

Ich hätte da allerdings noch eine Frage. Ich hab hier ein paar Landkarten von Carcan rumfliegen. Wenn ihr Interesse hättet, würde ich die mal einscannen und hochladen, damit ihr einen groben Überblick bekommt, was wo liegt.


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