Carcan - Die Winterkriege

By LePing

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In dem Binnenland Carcan herrscht der härteste Winter seit über fünfzig Jahren, da sind sich alle einig. Zud... More

Elli
Qen
Aaros
In Verdun
Knast oder Krieg
Der Sohn des Stabsfeldwebels
Das Provinzmädchen und die Alchemie
Carcanische Tugenden
Abschiede
Ein schöner Mann
Hügel der Schmach
Eilmarsch
Willkommen beim 11. Alchemiebataillon
Freunde und Kameraden
Eine undankbare Aufgabe
Unteroffizier Hauser und die illustre Truppe
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Dienst an der Waffe
Grauenvolle Kriegsbestie
Wer wir sind
Aaros' Entscheidung
Zurück zur Normalität
Der Geschmack der Heimat
Panorama
Der Traum
Naturgewalt
Niederlage auf ganzer Linie
In einer lauen Winternacht
Der Berglöwe
Mein Name ist Eleonore
Nur Soldaten
Stumme Worte
Abschied und Wiederkehr
Familie Stark
Ein hungriger Geist
Die Spielhölle
Mütter
Chimären und Homunkuli
Gehängter Esel
Friedrich Desmond von Lilienthal
Das Spiel der Offiziere
Ein kurzer Sonntag
Ein denkwürdiger Tag zweier Nationen
Die 3. Kompanie
Der Ausbildungszug
Instinktive Abneigung
Ein Spinnhund namens Krocket
Jungs
Die Zwillinge Hauser
Die Katakomben
Der verrückte Professor
Vorprogrammierter Ärger
Das Genie des Sergej Asmov
Ein Haufen Mist
Ehre dem großen Löwen
Schüler und Meister

Gruppe 1

122 19 11
By LePing

Aaros - Das Tröten, das uns aus viel zu früh aus dem Schlaf riss, war lauter als alles, was ich je gehört hatte. Selbst die Stimme des Bärenfeldwebels stank dagegen ab.

Schlaftrunken kam ich auf die Beine.

„Ihr habt zwanzig Minuten, zum Waschen und Anziehen!", brüllte Obergefreiter Erich über den Gang.

„Zwanzig Minuten...?", murmelte Elmar, der sich aus seiner Decke schälte. Seine Haare standen wild in alle Richtungen ab.

Auch über uns bewegte ich etwas. Ich blickte hoch und sah Rito und Qen, die sich gerade aufrappelten. Komisch, mir war so, als wäre Rito gerade über meinen Kopf gesegelt...

„Is' was?", grummelte Qen. Er war wohl ein Morgenmuffel.

„Wo sind die Waschräume?", fragte Elmar und ich erinnerte mich, dass wir gestern gar nicht mehr dazu gekommen waren, danach zu suchen.

„Ah!", meldete sich Rito. „Die sind... da... den Gang runter."

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Auf unserer Etage waren mit uns etwa dreißig Jugendliche untergebracht, die alle in die gleiche Richtung strömten.

„Für mehr als eine Katzenwäsche ist wohl keine Zeit", stellte Elmar fest als wir den Waschraum erreichten. Hier standen fünf Waschschüsseln aus Blech, alle bereits in Benutzung. Es hieß also warten. Doch die Jungs, die sich grade sorgfältig ihren Rücken schrubbten, machten keine Anstalten, sich zu beeilen.

„Die machen extra langsam", bemerkte ein anderer Rekrut. „Damit keiner von uns mehr drankommt."

„Das kann doch nicht angehen", sagte Elmar und machte einen Schritt auf die Jungen zu.

„Musst du wieder den Moralapostel spielen?", fragte Qen verächtlich.

„Willst du dich etwa nicht waschen? Ich renn' nicht den ganzen Tag dreckig durch die Gegend", er packte einen der Schüssellagerer bei der Schulter. „Glaubt ihr nicht, ihr solltet langsam mal Platz machen?"

„Häh?", der Kerl blickte auf. Er war kein dürrer Sechzehnjähriger, so viel stand fest. Dieser Typ sah aus, als könne er mit den bloßen Händen Schädel zerdrücken. Seiner schiefen Nase nach zu urteilen, hatte er auch schon die ein oder andere Schlägerei hinter sich. Er bäumte sich vor Elmar auf. Sie waren etwa gleich groß, aber Trümmernase sah um ein vielfaches bedrohlicher aus. „Was willst du denn?"

„Ich will, dass du mit deinen Kollegen hier die Schüsseln freigibst. Wir wollen uns auch waschen", antwortete er, ohne zurückzuweichen.

„Gott, dieser Typ will verprügelt werden, oder?", flüsterte Qen.

Elmars Vorschlag erntete lautes Gelächter. „Ach so, wollt ihr das?! Schön für euch! Sucht euch doch einen anderen Waschraum! Wer zuerst kommt, malt zuerst!"

„Es gibt nur den einen, das wisst ihr."

„Dann habt ihr wohl Pech", der Hüne zuckte mit den Schultern. „Aber das macht nichts. Euren Versagergestank werdet ihr mit Wasser eh nicht los."

Der Typ war ein typischer Bully. Es hatte keinen Sinn, sich mit ihm anzulegen, sicher konnte Elmar das auch erkennen. Ich hatte noch eine halbvolle Wasserflasche auf unserer Stube, die würde für heute genügen.

„Unser Märchenprinz wird das nicht so sehen", raunte Qen, der wohl meine Gedanken gelesen hatte.

„Was meinst du?", fragte ich.

„Das wir wohl gleich eine Schlägerei an den Backen haben", grinste er. „Dein Kumpel ist leider ein echter Gutmensch..."

Ich sah rüber zu Elmar. Er funkelte den Hünen böse an, so wie er es gestern bei Qen getan hatte. Ich erinnerte mich an dessen Worte, dass Elmar absichtlich auf die Provokationen einging, um einen Streit zu entfachen. War da etwas dran? Eigentlich hatte ich ihn eher als friedliche Person eingeschätzt.

„Hier ist niemand ein Versager. Wir sind alle gleich", sagte mein Freund.

Dieser Kommentar erntete erneutes Gelächter. „Das glaubst auch nur du! Ich steh bestimmt nicht auf einer Stufe mit so dreckigen kleinen Möchtegernen wie euch!"

„Wer ist denn hier der Möchtegern? Wer macht denn hier einen auf dicke Hose, indem er ein paar Waschschüsseln blockiert?", er verbeugte sich übertrieben. „Ihr seid genial, eure Stärke ist kaum zu überbieten. Besucht ihr auch Spielplätze und schubst kleine Kinder in den Dreck?"

Die Ader auf der Stirn des Hünen war kurz vorm Platzen. „Sag das nochmal!", presste er hervor.

Elmar ließ sich nicht zweimal bitten. „Ich sagte, dass ihr dämliche Hohlköpfe seid, die sich gerne an den Schwachen vergreifen, weil sie für echte Gegner nicht den Mumm haben."

Die Faust des Hünen flog so schnell, dass keiner reagieren konnte. Elmar wurde von der Wucht des Schlages zu Boden geworfen und blieb dort benommen liegen.

„Na, wie gefällt dir das?! Schwächling!", posaunte er.

Elmar war zu sehr damit beschäftigt, nach Luft zu schnappen, um irgendwas geistreiches erwidern zu können. Besorgt lief ich zu ihm rüber. Der Hüne hatte sein linkes Auge getroffen, das schon blau anlief und dick wurde. Zum Glück war er bei Bewusstsein. „Autsch", bemerkte Elmar.

„Steh wieder auf!", grölte der Hüne über uns. „Wir sind noch nicht fertig!"

„Doch, das seid ihr", mischte sich eine mir bekannte Stimme ein. Qen hatte sich zwischen uns und den Angreifer gestellt und spielte mit seinen Muskeln. „Soll ich zu den Ausbildern gehen und ihnen erzählen, dass du andere Rekruten verprügelst? Das wird sie sicher interessieren, zumal wir hier eine ganze Menge Zeugen haben, die ganz sicher nicht auf deiner Seite stehen."

„Häh? Willst du dir auch eine fangen?!"

„Klaus...", einer seiner Kollegen packte ihn am Arm. „Lass uns besser gehen."

„Pah!", machte Klaus und riss sich los. Er warf Qen noch einen bösen Blick zu, dann hörte er auf den Rat seines Kumpels und dampfte ab. Sein Tross folgte ihm auf dem Fuße.

Erleichtert atmete ich auf. In körperlichen Auseinandersetzungen war ich absolut nutzlos und wenn es wirklich zu einer ausgegorenen Schlägerei gekommen wäre, hätte es mich als erstes erwischt.

„Ihr könnt euch jetzt waschen", verkündete Qen den anderen Rekruten, die sich die ganze Zeit unsicher an die Wand gepresst hatten. Keiner von ihnen rührte sich. „Was ist mit euch? Beeilung!"

Dieses Mal hörten sie auf ihn und wuschen sich nacheinander das Gesicht. Qen drehte sich zu uns um.

„Das war dämlich", richtete er das Wort an Elmar. „Der Typ hätte dich zertrümmern können, du kannst froh sein, dass es nur ein blaues Auge geworden ist."

Elmar grinste. „Aber es hat funktioniert, oder? Sie sind weg."

Qen hob eine Augenbraue. „Wenn du das als funktionieren bezeichnen willst..."

„Elmar! Qen! Ihr seid super!", rief Rito laut und kam auf uns zugerannt. „Ihr habt diesen Schlägern die Stirn geboten!"

„Ihr seid echt ein gutes Team", stimmte ich ihm zu.

Die beiden sahen sich kurz an und blickten dann demonstrativ in verschiedene Richtungen. Wie die kleinen Kinder, dachte ich belustigt. Nachdem die erste Welle mit dem Waschen fertig war, taten auch wir etwas für unsere Hygiene, zumindest was Gesicht und Hals anging, schlüpften in Windeseile in unsere Klamotten und stürmten dann zum Antreten nach draußen. Wir stellten uns möglichst weit weg von Klaus und seiner Truppe auf. Kaum eine Sekunde waren wir eingereiht, da kam Erich aus dem Gebäude. In den Händen hielt er ein Blatt Papier.

„Guten Morgen, Rekruten!"

„Guten Morgen, Herr Obergefreiter!"

„Ich hoffe, Sie haben es alle geschafft, ein bisschen zu schlafen. Die erste Nacht ist immer die schlimmste, besonders für die jungen unter Ihnen. Trotzdem können wir keine Rücksicht nehmen. Wir haben ein strammes Programm und keine Zeit zu verlieren. Heute bekommen Sie Ihre Uniformen und sonstige Ausrüstung. Dazu werden wir Sie in acht Gruppen einteilen, die die ganze Ausbildung über bestehen bleiben. Ich werde gleich die Nachnamen verlesen. Bitte stellen Sie sich dann sofort in Ihren Gruppen auf."

Ich schluckte. Hoffentlich war ich in der gleichen Gruppe wie Elmar. Ich sah zu ihm rüber und er nickte mir aufmunternd zu. Ich fühlte mich gleich besser.

Wie es sich Sekunden später herausstellte, war meine Sorge unbegründet. Die Stuben als Ganzes wurden den verschiedenen Gruppen zugeordnet, so dass ich mit Elmar, Qen und Rito zusammen in Gruppe 1 landete. Leider waren Klaus und drei seiner Mannen in der selben Gruppe, sowie ein schwarzhaariger Junge mit eingefallenem Gesicht, der Anzugträger, den der Feldwebel gestern nach seiner Meinung gefragt hatte, ein Glatzkopf mit einem riesigen Kinn und ein recht unscheinbarer Typ, den man auf der Straße bestimmt übersehen hätte und der keinerlei besondere Merkmale aufwies. „Ihr Gruppenführer ist Unteroffizier Hauser, er wird Sie im Laufe des Tages begrüßen."

Während Erich die anderen Gruppen einteilte, tauschten Elmar und Klaus böse Blicke aus. Ich seufzte. Das fing ja prächtig an. Die Gruppe war schon in Trümmern, noch bevor wir irgendwas zusammen gemacht hatten.

Als Erich fertig mit seiner Einteilung war, erschien der Bärenfeldwebel wie aus dem Nichts. Der Obergefreite machte ihm Meldung, dass alle Rekruten angetreten waren und verschwand dann in den Hintergrund.

„Guten Morgen, Rekruten!", donnerte er.

„Guten Morgen, Herr Feldwebel!", gaben wir zurück.

„Wie euch mein Untergebener schon eingewiesen hat, werdet ihr heute eure Ausrüstung empfangen. Dazu werden wir gruppenweise zur Kleiderkammer verlegen. Gruppe 1 macht den Anfang, dann Gruppe 2 und so weiter. Diejenigen, die gerade nicht unterwegs sind, werden eine Kasernenführung machen und eine Einweisung bekommen, was es bedeutet, im Kaiserlichen Heer zu dienen. Zudem werdet ihr eure Gruppenführer kennenlernen. Ich werde gleich mit der ersten Gruppe losmarschieren, Obergefreiter Erich wird den Rest von euch übernehmen. Gibt es noch Fragen?"

Keiner hatte welche.

„Nun denn", er wandte sich unserer Gruppe zu. „Gruppe 1, rechts um."

Wir gehorchten.

„Im Laufschritt Marsch!", und er rannte los.

Ich stöhnte. Was hast du denn anderes erwartet? Dass sie dich mit einem Automobil überall hin karren?, fragte meine innere Stimme. Natürlich nicht, verteidigte ich mich. Aber ein bisschen Eingewöhnungszeit wäre nett gewesen.

Auf Nettigkeit konnte ich hier wohl nicht hoffen. Ich biss die Zähne zusammen und folgte meinen Kameraden. Wenn ich hier durch bin, kann ich auf jeden Fall einen Marathon laufen.



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